Neben der sonntäglichen
„Lindenstraße“-Folter (eine Form der Selbstkasteiung, die meine
Eltern zur cinephilen Bildung ihrer Blagen als notwendig erachtete)
ist mir keine andere Serie in Erinnerung geblieben, die ich mit
meiner Familie je regelmäßig und gemeinsam geschaut hätte. „King
of Queens“ war ein kleines, familiäres Großereignis. Jedenfalls
für mich. Auf diesem kleinen, wirklich sehr kleinen Röhrenfernseher
unter dem das Logo eines japanischen Elektrogeräteherstellers
thronte, unter den harten, knarrenden Holzdielen, die von unseren
täglichen Eskapaden sichtlich gezeichnet waren, hinter uns das
tiefschwarze Ledersofa mit den vertrockneten Popel-Resten in den
Rillen und der hauptsächlich durch 9Live-Wiederholungen verpesteten
VHS-Sammlung zu unserer Rechten. Nur ein Scherz. So klein war der
Fernseher nun auch wieder nicht.
Jahre später bekam ich
zum Geburtstag die erste Staffel von „King of Queens“ auf DVD.
Von da an bekam ich Jahr für Jahr – zu allen möglichen Anlässen
– eine weitere Sammel-Box, die ich unverzüglich ihrer
verschweißten Hülle entriss und meiner Sammlung hinzufügte, bis
ich schließlich jedes Bestandteil dieses neun Staffeln umfassenden
Mikrokosmos in meinem wackeligen Holzregal vereint hatte. Diese
Zusammenführung über einen langen Zeitraum, trug zur Schaffung
einer sehr persönlichen Bindung ganz entscheidend bei. Jedes neue
Mosaik hatte seinen ganz eigenen Wert, jede Staffel begleitete mich
über einen gewissen Zeitraum auf irgendeine Weise, wurde quasi zu
einem Wegbegleiter, hielt die nötige Dosis Eskapismus bereit, formte
meinen Sinn für Humor oder brachte mich zum lachen, wenn mir nicht
zum lachen zumute war.
Regelmäßig schaute ich
mit meiner Familie die neueste Staffel, verschlang sie und tauchte in
sie ein, traf alte Bekannte wieder, von denen ich schwören könnte,
dass sie mir durch die lästigen Begrenzungen der Flimmerkiste
hindurch zugezwinkert hätten und immer wieder entdeckten wir auf
unseren Ausflügen Episoden, die wir im TV verpasst hatten und
schlossen so unsere Wissenslücken. Diese Abende und all diese „ach,
eine Folge geht noch“-Momente sind nun Bestandteil dieses Gefühls,
das ich habe, wenn ich zurückkehre, in die Vorstadt, nach Queens, zu
Freunden, dieses Wiederaufrischen von Gefühlen, Momenten und
Situationen die mit dieser Serie behaftet und gekoppelt sind.
Ich liebe diese Serie und
ich liebe ihre Figuren. Arthurs Alltags-Verkomplizierungen und
cholerischen Anfälle. Seine Marotten und liebevollen Blödeleien,
seine Lügengeschichten und bizarren Regelwerke. Wie er eine Schnute
zieht und leidenschaftlich albern mit dem Becken wackelt. Seine
Vitalität und Gutmütigkeit, seine Überreaktionen und
Verbal-Duelle. Diese brüllend komischen Ausrufe und die
gleichzeitige Befähigung ob der Tragik seiner wundervollen Figur
auch mal innezuhalten. Ein Verrückter, geistesgestört, kein
Zweifel. Aber auch ein Kellerkind, das nie verlernt hat Kind zu sein.
Und dann Doug, immer mit
vollem Körpereinsatz – und das ist eine Menge. Der Typ, der sich
nicht zu schade ist, sich vollkommen zum Affen zu machen, dieses
ultra-sympathische Postboten-Gesicht zu komischen Visagen zu
verzerren und mit seinem beharrten Schwabbelbauch in der Gegend
herumzuwackeln. Ein gutmütiger Durchschnitts-Amerikaner, der in
seinem Talent zum grenzenlosen Optimismus überhaupt nicht
durchschnittlich ist und der in allem zuallererst die guten Seiten zu
erkennen vermag. Das Glas ist immer halb voll und der Teller ganz
sicher nie leer. Und Carrie, dieses Biest mit den langen, künstlichen
Fingernägeln, diese liebevolle, besonnene Ehefrau, die immer auch
Mutter spielen muss, um den häuslichen Kindergarten in Ordnung zu
halten. Eine undankbare Rolle. Der Spielverderber, der immer wieder
auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Doug's Team-Partner, die
Karrierefrau und Manhattan-Tussi, so ambivalent, weil menschlich
konzipiert.
„King of Queens“
propagiert ein fortschrittliches Lebensmodell; eines das besagt die
Alten nicht einfach abzuschieben, sondern ihren Geschichten zu
lauschen und einzusehen, dass sie möglicherweise noch vieles zu
sagen haben. Mit den Zitaten dieser Serie könnte man Bücher füllen.
Bücher, die etwas zu sagen hätten.
Für die Postboten dieser Welt,
für die übergewichtigen Großstadt-Clowns und Kellerkinder, für
die senilen Zirkusaffen und zickigen Emanzen, für die zufriedenen
Mittelständler und starken Frauen, ohne die diese Welt gnadenlos
zugrunde gehen würde, für die verschrobenen Nerds und erfolglosen
Cousins da draußen, für die Sportler und einsamen Witwen, die
Arschlöcher und Alkoholiker – eine pathetische Geste darf erlaubt
sein, eine gut gemeinte Verneigung, ein Knicks in voller Inbrunst.
„King of Queens“ - mein Herz gehört dir.