Samstag, 29. Juni 2013

"Transsiberian" [UK, DE, US '08 | Brad Anderson]

Wie ärgerlich! Was atmosphärisch beginnt, entgegen ungeschriebener Genre-Reglements sogar einigermaßen vielschichtige Figuren entwickelt und dem Zuschauer über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg tatsächlich glauben machen kann, er würde hier auf etwas ganz Großes zusteuern, scheitert schließlich an einer völlig verhunzten Auflösung und damit auch an der zuvor ganz gezielt geschürten Erwartungshaltung.

Denn was nach dem grandios-blöden Showdown schließlich bleibt, ist lediglich die etwas enttäuschende Erkenntnis, dass auch Brad Anderson („The Machinist) dem eingefahrenen Thriller-Genre wenig, bis gar nichts hinzuzufügen weiß; schlimmer noch: seine augenscheinliche Cleverness enttarnt der Spanier schließlich als billigen Taschenspielertrick, Versuche Klischees und Erwartungshaltungen zu durchbrechen bleiben nie ernst gemeinte Versuche; an mutigen und womöglich sogar innovativen Grenzüberschreitungen hat der Spanier gar kein Interesse.

„Transsiberian“ bleibt innerhalb bewährter Grenzen und immer ein bisschen langweilig. Seine Figuren opfert er entweder völlig bekloppten Handlungsmustern (Eduardo Noriega - „Abre los Ojos“) oder den darauf folgenden psychischen Implikationen (tapfer aber zunehmend nervig: Emily Mortimer). Harrelson („NBK“) ist wunderbar gegen den Strich besetzt, die unauffällige Mara wird gen Mittelteil einfach kurzerhand aus dem Drehbuch gestrichen, um schließlich als Anschauungsobjekt plötzlicher Härte ihr Revival zu feiern. Kingsley mimt derweil zum gefühlt hundertsten Mal den bösen Buben, will als Antagonist aber nie so wirklich funktionieren. An dessen Seite darf sich Thomas Kretschman an einer wortkargen und letztlich ziemlich überflüssigen Rolle abmühen.

Und mit dem ungelenken Einsetzen von Tempo wird diese Chose tatsächlich nur noch mühsam und anstrengend. Nach harter Arbeit sieht „Transsiberian“ dann aus (Lagerhalle, Flucht, erneute Zug-Konfrontation). Die Verzweiflung (besser: Planlosigkeit) steht den Protagonisten buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Wirklich Sinn ergibt das alles nicht und wirklich neu ist hier erst recht nichts. Und spätestens, wenn Anderson auf der verzweifelten Suche nach einem ordentlichen Abschluss, einem halbwegs runden Showdown in die Auflösung stolpert und endgültig den Verstand verliert (der ganz große Knall: Güterzug-Crash), will man wie die Figuren nur noch raus, weg da, schnell den Abspann sehen und endlich... vergessen.  

4/10

Mittwoch, 26. Juni 2013

"Nick und Norah" [US '08 | Peter Sollett]

Jegliches Verständnis verspielt sich der eigentlich recht sympathische Michael Cera schon bei der Einführung seiner Ex-Freundin, welcher er beinahe die gesamte Laufzeit hinweg mit Nostalgie-geschwängertem Blick nachtrauert. Diese blonde, fürchterlich klischierte Bitch, von der man sich schon vor ihren ersten, schon tausende Male gehörten Dialogzeilen fragt, wie sich ein guter Typ wie Cera nur in ihre Fänge begeben; ja sich gar in sie verlieben konnte. Leider ein ganz zentrales Versäumnis, auf dem die folgenden – mal herrlich verträumten, ansonsten aber viel zu beliebigen – Geschehnisse aufbauen. Das omnipräsente Indie-Gedudel degradiert „Nick und Norah“ endgültig zur Beliebigkeit, in der nichts passiert, was man nicht schon etliche andere Male (besser) gesehen hat, mit der unlustigen Odysee der blonden Alki-Braut nur alberne Höhepunkte findet oder völlig überraschungsfrei auf das zumindest nicht allzu kitschige Happy Ending zusteuert. An einem Sonntag-Nachmittag lässt man sich aber auch ganz gerne von einem „Nick und Norah“ treiben, auch wenn die toll gestalteten Opening-Credits bereits eines der größten Highlights bedeuten.

5/10

Sonntag, 23. Juni 2013

"A Single Man" [US '09 | Tom Ford]

Ein Modeschöpfer wird zum Filmemacher. Eine berufliche Umorientierung, die eigentlich zum Scheitern verurteilt scheint. „A Single Man“, Tom Ford's Regie-Debüt, scheitert aber nicht. Dem immanenten Streben nach visueller Perfektion, fügt Ford nämlich einen herausragenden Colin Firth hinzu. Wohl neben dem Umstand, dass Ford auf eine Buchvorlage zurückgreift, eine der großen Stärken dieses durch und durch visuellen Filmes. 

Die Bildsprache des Designers ist demnach natürlich nicht subtil. Die breite Palette visueller Gestaltungsmittel gebraucht Ford schon mit dem Vorschlaghammer; fährt bei Rückblenden auf abgedroschene Slow-Motion-Einstellungen herunter oder dreht bei emotionalen Hochmomenten den Farbfilter zum Anschlag auf. Ford kommuniziert primär über eine visuelle Ebene, die trotz ihrer filmtechnischen Verfremdung und einem sehr plastischen 60s-Look doch nie zu viel Distanz zu unserem Protagonisten entstehen lässt. Ohnehin: Inwiefern es Ford's Zutun geschuldet ist, dass Firth hier eine seiner besten, wenn nicht sogar die beste Performance seiner Karriere abliefert, darf dahingestellt bleiben.

Dieses verzweifelte Lächeln, wenn Firth versucht den Anschein vollkommener Normalität zu wahren, diese ebenso komischen, wie tragischen Suizidversuche, das ständige Spiel mit der Waffe als eigenständigen Charakter. Der Blick in den Spiegel, auf seinen maßgeschneiderten Anzug, der Blick auf das Foto und die ständige Suche nach einem stillen Moment. Selten war das Spiel des Briten natürlicher und kontrastiert gerade damit jene stilisierte Werbe-Ästhetik, die Ford ungemein elegant und mit einem fast obsessiven Hang zur Akribie aufzubauen weiß. 

Dieses (gewollte?) Spiel mit den Gegensätzen - also einerseits die punktuelle Verwendung von Räumlichkeiten, Kleidung und Accessoires als Teil einer plastischen Bildsprache und andererseits dem ungemein intuitiven, naturalistischen Spiel eines Firth – macht dabei den großen und manchmal auch gar nicht zwingend an konkreten Punkten festzumachenden Reiz von „A Single Man“ aus. Dass der politische Hintergrund in Anbetracht dieser wundervollen Momentaufnahme eines Verzweifelten eben nur Hintergrund bleibt, ist zu verschmerzen, zumal es Ford gelingt, eine ganze eigene Form von Kinomagie zu evozieren; eine, die in ihrer Schönheit fast schon wieder wehtut.  

7/10

Samstag, 15. Juni 2013

"Requiem for a Dream" [US '00 | Darren Aronofsky]

Es ist nicht die artifizielle Inszenierung und das bemühte Streben nach wahrer Größe, die „Requiem for a Dream“ letztlich so kläglich an den eigenen Erwartungen scheitern lässt. Es ist vielmehr – und das überrascht in Anbetracht der Tatsache, dass sich Aronofsky seit jeher als Autorenfilmer verstand umso mehr - die besondere Dummheit des Skripts. Die hässliche Schönheit dieses gerade bei der Erstsichtung äußerst beeindruckenden Filmes ist bloß Fassade, das Werk in seinem Kern hohl und dumm. Dies wird besonders dann ersichtlich, wenn Aronofsky auf das Finale zusteuert und beginnt den auf billigste Weise herbei-konstruierten Fatalismus zu zelebrieren. Wenn er schließlich alle Stricke reißen lässt, an denen seine immer mehr oder weniger seelenlosen Figuren hingen, offenbart „Requiem for a Dream“ eine erschreckend banale und schlicht falsche Sicht auf diese Welt. Es ist der Blick eines Pessimisten, der das Geschehen bestimmt: Ärzte schauen ihren Patienten nicht ein einziges Mal in die Augen, verschreiben einsamen alten Damen selbst-zerstörische Süchtigmacher, asoziale und sabbernde Anzugträger benehmen sich wie die Tiere („Ass to ass!“) und Vergammelte-Arm-Inhaber werden zunächst einmal ins Arbeitslager geschickt, ehe die finale Amputation für Entsetzen sorgt. Psychiatrien sind böse, Fernsehen ist böse, Drogen sind böse. Aronofsky beweist eindrucksvoll eine erschreckend simple und immer öfter mit dem Holzhammer vorgetragene Sicht auf die Dinge. Traurig ist diese Erkenntnis gerade angesichts des verschwendeten Potenzials: Mansell's Score ist der absolute Wahnsinn, die Darsteller-Riege um Jared Leto spielt fantastisch auf und der plakativen Bildsprache eines Aronofsky's wohnt ohne jeden Zweifel eine gewisse, unfassbare Faszination inne. Aber alles egal, merkt euch nur eines Kinder: Nehmt bloß keine Drogen.

4/10  

Samstag, 8. Juni 2013

"Olympus Has Fallen" [US '13 | Antoine Fuqua]

„Olympus Has Fallen“ macht keine Gefangenen. Amerika macht keine Gefangenen. Einen ersten Höhepunkt markiert man bereits mit dem viehischen Eröffnungsgefecht um Amerikas Machtzentrale, während der (völlig unerwartete) Luftangriff eines (!) Flugzeugs auf das weiße Haus und eine Landeshauptstadt im Ausnahmezustand ganz konkret die grauenhaften Bilder von 9/11 heraufbeschwört.

Antoine Fuqua („Shooter“) ist merklich darum bemüht, seine ganz und gar nicht zimperlichen Gewalt-Eskalationen immer wieder an tagesaktuelle Ängste zu koppeln. Da lassen sich dann auch zwei bewährte Feindbilder ganz wunderbar miteinander vereinbaren und die koreanischen Invasoren sprengen sich kurzerhand einfach selber in die Luft, während das Amok-fliegende Himmelfahrtskommando in auffallend billigen CGI-Sequenzen zumindest noch das Washington Monument in Schutt und Asche legen kann.

Überhaupt, Hollywood und die Paranoia sind ja sowieso so ein Thema: Nach schmierigen Nazis, grimmigen Roten und terrorisierenden Moslems sind es nun also die (Nord-)Koreaner, die der stolzen Weltpolizei an den atomaren Kragen wollen. Ein äußerst abgeschmacktes Konzept, deren hetzerische Tendenzen man nicht unbedingt unterschätzen sollte, obwohl der sich immer weiter anbahnende Zweikampf zwischen Kang (passt: Rick Yune) und Banning (Bähm: Gerard Butler) sich letztlich doch von solchen distanziert und eher der Krieg zwischen zwei Männer-Egos in den Mittelpunkt rückt, der dann in einem lahmen Faustkampf, mitsamt klassischem Countdown seine uninspirierte Auflösung findet.

Dramaturgisch ausgehebelt hat sich Fuqua aber schon zuvor, als er den vermeintlich wichtigen Präsidenten-Sohn (nicht nervig) durch Butler kurzerhand in die Sicherheit entlässt. Gerard Butler macht sich als blutrünstiges McLane-Imitat erwartungsgemäß formidabel, obwohl einem bei dessen Versuchen, krasse Gewalt (auf Leichen wird zur Sicherheit nochmal geschossen) und flapsige One-Liner miteinander zu vereinbaren, das ein oder andere Mal das Lachen im Halse stecken bleibt.

Dass „Olympus Has Fallen“ haarsträubend patriotische Amerika-Propaganda ist, muss wohl nicht weiter erwähnt werden. Selbst die Ministerin hat hier angesichts des scheinbar sicheren Todes noch einen coolen Spruch auf den blutverschmierten Lippen, während der US-Präsident abschließend das Hohelied auf die Vereinigten Staaten von Amerika intoniert. Und bei allem Zynismus, den man diesen Szenen (zurecht) entgegenbringen kann, „Olympus Has Fallen“ bleibt zumindest bis zum Ende kompromisslos asozial. Gott schütze Amerika.

4/10  

Samstag, 1. Juni 2013

Zuletzt gesehen: Mai 2013

"Das unsichtbare Mädchen" [DE '12 | Dominik Graf] - 7/10

"Iron Man 3" [US '13  | Shane Black] - 5/10

"$9.99" [AU, IL '08 | Tatia Rosenthal] - 7/10

"Die letzten Glühwürmchen" [JP '88 | Isao Takahata] - 5/10

"Perfect Blue" [JP '98 | Satoshi Kon] - 7/10

"Am Ende kommen Touristen" [DE '07 | Robert Thalheim] - 7/10

"Family Business" [US '89 | Sidney Lumet] - 5/10

"Die Klasse" [FR '08 | Laurent Cantet] - 7/10

"Star Trek Into Darkness" [US '13 | J.J. Abrams] - 7/10

"The Sapphires" [AU '12 | Wayne Blair] - 4/10

"Das Gelbe Segel" [US '08 | Udayan Prasad] - 5/10

"Out of Sight" [US '98 | Steven Soderbergh] - 5/10

"One Flew Over the Cuckoo's Nest" [US '75 | Milos Forman] - 7.5/10

"Jenseits von Eden" [US '55 | Elia Kazan] - 5/10

"Was Sie schon immer über Sex..." [US '72 | Woody Allen] - 5/10

"Star Trek: The Motion Picture" [US '79 | Robert Wise] - 5/10

"Star Trek II: The Wrath of Khan" [US '82 | Nicholas Meyer] - 6/10

"Star Trek III: The Search for Spock" [US '84 | Leonard Nimoy] - 6/10

"Last Life in the Universe" [JP, NL, TH '04 | Pen-Ek Ratanaruang] - 8/10