Selten vermochte eine erste Kamerafahrt derart zu beeindrucken. Scheinbar ohne Cut führt uns Anderson technisch virtuos in die 70er Jahre. Und das, was er uns da zeigt, sind die 70er Jahre – zu jeder Sekunde, mit jeder Einstellung, mit jeder Dialogzeile. „Boogie Nights“ präsentiert sich dabei als unfassbar universeller Film, funktioniert als mitreißendes Charakterporträt einer Pornofilm-Ikone ebenso gut, wie als akribische Milieu-Studie, ohne etwas davon unnötig in den Vordergrund zu schieben. „Boogie Nights“ seziert dabei viel weniger die Mechanismen seines Umfeldes, als dessen Beteiligte. Vom introvertierten Nebendarsteller, dessen Schmerz fast greifbar scheint (phänomenal: Philip Seymour Hoffman), über den ehrgeizigen und doch so gütigen Filmemacher (perfekt: Burt Reynolds), der ebenso wenig in das Klischee seiner Industrie zu passen scheint, wie seine „Familie“, bis hin zum abgehobenen Porno-Star (überzeugend: Mark Wahlberg) und dessen Fall, erzählt Anderson in seiner zweiten Regie-Arbeit eine Vielzahl von Geschichten. Und so gestaltet sich „Boogie Nights“ doch vor allem als Entdeckungsreise durch eine fremde Welt, die – abgesehen vom Aufstieg und Fall des Protagonisten – überraschend sensibel und alltäglich daherkommt. Der finale Gewaltausbruch – der scheinbar das vorangegangene Fehlen expliziter Szenen zu kompensieren versucht – kommt da schon etwas befremdlich daher, wenngleich er seine Wirkung nicht verfehlt. Unterm Stricht bleibt das herausragende Stück Film eines Ausnahme-Regisseurs, das bis auf einige Längen und seine finale Gewalt-Eskalation wenige Schwächen aufzuweisen hat und dem gerade in seiner Darstellung von Schicksalen eine ganz besondere Sensibilität innewohnt.
8/10