Einen solchen Film hat es noch nie
gegeben. Selten wieder hat sich jemand diesem Thema derart
entschieden gewidmet. Iñárritu's erster Langfilm, ein Debüt also,
beruft sich einerseits fortwährend auf den Realismus als primären
Bezugspunkt, wahrt zum anderen aber auch die Intimität seiner
Protagonisten. Bemerkenswert ist vor allem die Inszenierung: Iñárritu
belässt es bei einer Milieu-Studie, die zwar Missstände aufzeigt,
diese aber nicht künstlich dramatisiert. Er nimmt die Welt an, mit
all dem Leid, aber auch all dem Glück, welches er seinen Figuren
widerfahren lässt, fährt in wilden Kamerafahrten (Rodrigo Prieto!)
durch dreckige Hinterhöfe und folgt diesen wunderbaren, nuancierten und echten Figuren, die im Grunde nur aus sind auf ein bisschen Glück.
Er ist immer dabei, ganz nah dran, knallhart, hautnah.
Und doch bildet das urbane Umfeld,
mitsamt aller sozialen und gesellschaftlichen Widrigkeiten, nur den
Rahmen für diesen Film. Denn in erster Linie handelt auch „Amores
Perros“ nur von Menschen, von Beziehungen, von den Zufällen des
Lebens, den willkürlichen Überschneidungen verschiedener Schicksale,
von Tod und Trauer, von Leben und Glück. Dieses Debüt ist
universell und kündigt an, was „Babel“ einige Jahre später
schließlich ausformulieren sollte. Fernab jeden geographischen
Ursprungs, jeder Religion oder Nationalität, eint uns alle das Leben
und – so abgedroschen es auch klingen mag – die Liebe. „Amores
Perros“ verlautbart diesen zentralen Aspekt bereits über den
Titel. Von der unerfüllten Liebe, der Zerrissenheit zwischen Drang
und Schwur (Octavio & Susana), dem unbedingten Willen für eine
gemeinsame Zukunft, allen dummen Zufällen und traurigen Schicksalen
zum Trotz (Valeria & Daniel) oder der tiefen Sehnsucht nach
Absolution, nach Jahren der Schuld und sozialen Isolation im Zeichen
trister Selbstkasteiung (El Chivo & Maru).
Als Spiegel aller Figuren tritt der
Hund in den Mittelpunkt. Der eine bis zur finalen Eskalation ohne
Reue, stets die Augen nach vorne gerichtet, sich stoisch verbissen
und das große Geld im Blick (Octavio), der andere als Sinnbild für
lähmende Ungewissheit, offene Zukunft und schließlich die leise
Hoffnung stehend (Valeria & Daniel), sowie schließlich die
einstiege Bestie, die doch eigentlich gar keine ist. Das Produkt
seiner Umwelt, tiefe Wunden, Milieu-geschädigt, als Zeichen für
eine Chance; die Chance Wunden zu heilen oder zumindest vergessen zu
machen und einen neuen, vielleicht besseren Weg zu beschreiten.
8/10