Samstag, 26. November 2016

"The Girlfriend Experience" [US '09 | Steven Soderbergh]

Aus der Perspektive einer Edel-Eskorte auf die Finanzelite und die Börsianer New Yorks zu blicken, ist genial: Grey's Figur besetzt mit ihrem Angebot, neben ihrem Körper auch die Erfahrung einer festen Beziehung an ihre Kunden zu verkaufen, nicht nur eine neu entstandene Marktlücke, sie bekommt auch einen exklusiven Einblick in eine Vielzahl von Privatleben gewährt, wie es in dieser Intensität tatsächlich nur ihr vorenthalten ist. Der Unsicherheit eines zusammenbrechenden Systems und der eigenen Karrieren kommen ihre Klienten mit der Illusion bei, zumindest für ein paar Stunden in einer geordneten, liebevollen Beziehung leben zu dürfen. Ihre nachfragende, aber vor allem zuhörende Art bringt Stabilität dort, wo sich gerade alle Strukturen zu zersetzen beginnen, ihre Schulter spendet Trost in einer Zeit, in der nichts mehr sicher scheint. In einer Zeit, in der ein Angebot wie ihres einen solch durchschlagenden Erfolg haben kann, liegt das höchste und wertvollste Gut nicht mehr im Bestreben begraben, die eigene Gewinnmarge zu maximieren und im hierarchischen Kampf möglichst viele hinter sich zu lassen, sondern die transzendente, unmittelbare und vor allem vergängliche Erfahrung eines zwischenmenschlichen Kontaktes.

6/10

Samstag, 19. November 2016

"Train to Busan" [KR '16 | Yeon Sang-ho]

Wo „World War Z“ seinerzeit unter der Last eines Rekordbudgets und einer ganzen Reihe produktionstechnischer Turbulenzen der große Absturz drohte, gehen die Koreaner bereits präventiv einen Schritt zurück. Statt eines weltumspannenden Untergangsszenarios gerinnt der Zombie-Virus hier zunächst einmal nur zur nationalen – und wichtiger noch: – zur persönlichen Katastrophe. Dabei ist das Szenario von „Train to Busan“ tatsächlich vielseitig auslegbar, lässt sich sowohl auf die atomaren Katastrophen jüngerer Zeit, als auch auf die gesellschaftlichen Befindlichkeiten Koreas selbst lesen. Insbesondere in der Skizzierung gruppendynamischer Prozesse geht das kammerspielartige Konzept, die Auswüchse einer Zombie-Apokalypse in die Abteile eines Zuges zu verlagern, eindrucksvoll auf. Sobald die Gruppe Überlebender den ersten Schrecken um ein geiferndes Untoten-Kollektiv erst einmal verkraftet hat (die sich stapelnden Zombie-Horden sind direkt vom großen Blockbuster-Bruder entlehnt), wird wieder begonnen sich untereinander zu zerfleischen. Plötzlich wird ein Unterschied gemacht zwischen denen und jenen und der Frust um die eigene Situation auf andere – eigentliche Leidensgenossen – abgeladen. In den Begrenzungen eines Zugabteils besinnt sich "Train to Busan" immer wieder auf seine Figuren und ihre Verfehlungen. Erst inmitten der hereinbrechenden Apokalypse lernt unser Protagonist was er hat und was davon wirklich von Wert ist und erst im existenziellen Überlebenskampf lernt er sich von seinem Ballast zu befreien. Der Film lässt sich diesbezüglich vor allem als eine Art kathartische Reise seiner Hauptfigur lesen, der mit einem fürsorglichen, werdenden Vater und einem ignoranten, selbstsüchtigen Unternehmer zwei mögliche, stereotype Zukunftsmodelle ihres eigenen Lebens in Aussicht gestellt werden und die über die Katastrophe hinweg und durch sie hindurch zu den Tugenden von Aufopferung und Selbstlosigkeit gelangt. Hier dünnt der Zombie-Virus also nicht nur die Bevölkerung ordentlich aus, er macht manche auch zu besseren Menschen.

6/10

Freitag, 11. November 2016

"Girls" [US 2012 - '15 | Lena Dunham]

In der Welt von „Girls“ ist nichts von Bestand. Hauptfigur Hannah, gefangen in einem Renaissance-Körper, exhibitionistisch veranlagt, krankhaft selbstbezogen, natürlich orientierungslos und unsicher, wird gespielt von Showrunner Lena Dunham. Sie will als Autorin publiziert werden, muss aber auch Geld verdienen, als ihr ihre Eltern zwei Jahre nach dem College-Abschluss plötzlich den Geldhahn zudrehen. Darüber hinaus hat sie gerne Sex, also navigiert sich Hannah von einer absurden Liaison in die nächste, besonders wählerisch scheint sie dabei nicht zu sein. Gerade in Season 2 verliert "Girls" deswegen den Boden unter den Füßen, flüchtet sich in Sitcom-Karikaturen und erzählt zu sprunghaft und lose von einer Vielzahl von Figuren und Schauplätzen. Um der racial-diversity-Debatte etwas entgegensetzen zu können wird dann beispielsweise Donald Glover als republikanischer Lover installiert, verschwindet aber ebenso wie Patrick Wilson nach wenigen Folgen wieder spurlos. 

Dem gegenüber steht eine Reihe sinnkriselnder, lebensfreudiger New Yorker, die nicht nach „einem“, sondern nach „ihrem“ Platz in der Welt suchen und sich dabei immer wieder die Finger verbrennen: Adam ist ein selbstzerstörischer, animalischer Schauspieler (herausragend gespielt von Adam Driver), öffnet dem Zuschauer mit jeder neuen Folge das Herz und den Girls aus „Girls“ das Höschen, Shoshanna startet als fleischgewordene Karikatur jener Tussies, die den reifen Frauen auf ihrem „Sex and the City“-Poster nacheifern, entzückt dann aber als schnell-plapperndes Fashion-Girl, das stoisch ihren Träumen folgt (und daran mit der Serie wächst) und Ray schließlich teilt als lediger Mittdreißiger auf brutalst-wahrhaftigste Weise die Lebensweisheiten einer Erwachsen gewordenen „Seinfeld“-Generation. 

Nicht die Stimme der Generation, aber eine Stimme einer Generation möchte Dunham laut eigener Aussage abbilden, eine Brücke bauen zwischen den gut betuchten, und deswegen unbeschwert dahinlebenden Mädchen-Gangs aus "Sex and the City" und "Gossip Girl". Im Alltagsstress und im existenziellen Dilemma, was zu tun ist, wenn die Elterngeneration die Lebensnotwendigkeiten ihrer Kinder bereits ökonomisch abgesichert hat, wird sich sicherlich jeder Mittzwanziger oder jeder, der sich daran erinnert, einer gewesen zu sein, wiedererkennen können. Manchmal ist die Serie dabei so naiv illusionär wie die Illusionen, die sie zu enttarnen gedenkt und manchmal so nah dran an den Lebenswirklichkeiten jener, mit denen ich meinen Alltag bestreite, dass es das, was ich auf den Bildschirm projiziere, wieder direkt auf mich zurückwirft. Das Gegenteil von Eskapismus also? - Keine Ahnung, aber die Zeit verging wie im Flug.

Montag, 7. November 2016

Zuletzt gesehen: Oktober 2016

 "Pilotinnen" [DE '95 | Christian Petzold] - 5.5/10

"Der Junge" [JP '69 | Nagisa Ôshima] - 6/10

"Findet Dorie" [US '16 | Andrew Stanton] - 5/10

"Das Leben der Anderen" [DE '06 | Florian Henckel von Donnersmarck] - 6/10

"Outrage" [JP '10 | Takeshi Kitano] - 3/10

"One, Two, Three" [US '61 | Billy Wilder] - 6.5/10

"Rocky" [US '76 | John G. Avildsen] - 7/10

"Comet" [US '14 | Sam Esmail] - 6/10

"Fruitvale Station" [US '13 | Ryan Coogler] - 6.5/10

"Zwischen Welten" [DE '13 | Feo Aladag] - 5/10

"Nerve" [US '16 | Ariel Schulman & Henry Joost] - 3/10

"Star Trek Beyond" [US '16 | Justin Lin] - 4.5/10

"Everything Before Us" [US '15 | Wesley Chan & Philip Yang] - 3/10

"A Boy Named Charlie Brown" [US '69 | Bill Melendez] - 7/10

"Der Nachtmahr" [DE '15 | Akiz] - 5/10