Brandon Lee's Crow nimmt Ledger's
Joker-Interpretation bereits um vierzehn Jahre vorweg und dessen Tod
(eine weitere Parallele) trägt zur mythischen Überhöhung dieses
rohen, gerade aufgrund seiner Unfertigkeit faszinierenden
Comic-Wunders zusätzlich bei. In einer Szene, die Krähe platzt in
ein Meeting der kriminellen Elite rein und nimmt sogleich Platz,
scheint sich Nolan sogar ganz konkret von "The Crow"
inspiriert haben zu lassen. Lee's letzte Karriere-Performance speist
sich derweil aus einer ausgestellten, wirkungsvollen Pose, die den
literarischen Ursprung sichtlich ehrt und den Schmerz eines
Maske-tragenden, zutiefst traurigen Einzelgängers, unfähig sich aus
dem Schatten der Vergangenheit zu lösen. Die Krähe lebt in einem
kriminellen Moloch Fratzen-verzerrter Egomanen und Okkult-gläubiger
Freaks und die Bausubstanz ächzt unter dem unaufhörlichen Prasseln
des Regens. Die Figuren in dieser Welt sind undurchsichtig und nie
ganz durchschaubar. "The Crow" ist wie der Spielfilm, den
Nine Inch Nails nie gemacht haben; voller Schmerz und voller kleiner
Wunder, der Poe's einzigartiges Gedicht "The Raven"
thematisch aufgreift und über das Motiv der Rache als Antriebsfeder
ausweitet. Es ist sowieso ein Wahnsinn, dass dieser Film, nicht
zuletzt auch einer über Außenseitertum und Trauerbewältigung,
schließlich in dieser Form fertiggestellt wurde. Als letzte
Erinnerung an einen Toten - welch Ironie. „And my soul from out
that shadow that lies floating on the floor / Shall be lifted –
nevermore!“
6.5/10
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