Toll und vor allem weitgehend ohne
große Mätzchen erzählt: da wird sich ein paar Mal in den Schritt
gefasst und die Brüste betastet, aber die Lautstärke
handelsüblicher Anime bleibt einem erspart. Die primäre Verortung
als Körpertausch-Komödie ist dabei nur eine Falle, um sich ab des
originellen Twists Fragen zum ewigen Leib-Seele-Dilemma und vor allem
dem Wesen von Erinnerung zu stellen. In der hemmungslosen
Sentimentalität des Filmes, die sich mit Blick auf das dargestellte
Sujet und die damit angepeilte Zuschauerschaft nur als konsequent
erweist, drücken sich außerdem eine ganze Reihe von jugendlichen
Sehnsüchten aus. Die Körpertausch-Prämisse verbindet sich dabei
auf sinnige Weise mit den naiven, romantischen Vorstellungen der
Teenager, die ganz fest an eine schicksalshaft vorherbestimmte, und
vor allem alle Zeiten und alle leiblichen Limitationen überwindende
Liebe glauben möchten. Das Gedankenspiel, im Körper des jeweils
anderen leben zu müssen, verkettet sich dann auch grandios mit den
Angst- und Vorstellungswelten der Adoleszenz: nie wieder wird die
Entfremdung vom eigenen Körper und die dadurch entstehende
Verunsicherung tiefer empfunden und nie schienen die Antworten auf
die Fragen nach der eigenen Identität, einer Idee von der eigenen
Rolle in der Welt, drängender. Im Bestreben aneinander wieder zu
erinnern und einander wiederzufinden, erhoffen sich Taki und Mitsuha,
die Begrenzungen des Körpers zu überwinden und schlussendlich
transzendieren zu können. Das alles gipfelt weder in unangenehmem
Slapstick, noch im ganz peinlichen Pathos, das Shinkai auch hier
stets sucht, das sich jedoch vor allem in einem fast durchgehenden,
melancholischen Grundtenor ausdrückt. Dass ein solcher Film die
internationalen Kinocharts zu erklimmen vermag, lässt einen den Glauben an die Kraft
des populären Films zudem nicht gänzlich verlieren. Und statt der
Superhelden dürfen diesmal ein paar jugendliche Romantiker zur
Rettung der Welt eilen – mit der Kraft einer Liebe, die alle
physikalischen Grenzen überwindet.
Donnerstag, 27. Dezember 2018
Samstag, 22. Dezember 2018
"Polizeiruf 110: Tatorte" [DE '18 | Christian Petzold]
In seinen ersten beiden
Beiträgen zur Polizeiruf-Reihe ließ Petzold noch erahnen, welche
Chancen seine Mitwirkung an diesem Format bergen könnte. Wo sich
seine Idee vom Film nicht mit den zu Konventionen erstarrten
Strukturen des Krimi-Formats vereinbaren lässt, ergeben sich
spannende Reibungspunkte und damit vielerlei Möglichkeiten zur
Subversion. „Kreise“ und „Wölfe“ kommentierten die deutsche
TV-Landschaft, so wie sie es gleichermaßen verstanden, darüber
hinauszuweisen. Die Romanze zwischen Hans von Meuffels und Constanze
Hermann installierte Petzold auf Kosten des Krimi-Plots mindestens
gleichberechtigt, in „Wölfe“ experimentierte er zudem mit den
expressiven Bilderwelten des deutschen Stummfilms. Im dritten Film,
Abschluss der von Petzold verantworteten Polizeiruf-Trilogie und
Abschied von Matthias Brandt in seiner Kommissaren-Rolle, ist das
Drehbuch-Rascheln allerdings lauter geworden. Damit einhergehend ist
Meuffels mehr denn je Sprachrohr seines Regisseurs. Andauernd gibt es
einen Schlaumeier-Kommentar, eine korrigierende Bemerkung oder ein
genervtes Ausatmen. Mit den Methoden der neuen Partnerin werden
nämlich gleichsam die filmischen Methoden des Subjets kritisiert.
Wenn diese auf Zwischenfragen ihres Vorgesetzten wartet, stößt sie
lediglich auf Stille, wenn sie dessen Tathergangs-Rekonstruktion mit
dem Smartphone zu filmen versucht, verliert er endgültig die
Fassung. „Tatorte“ ist die postmoderne Dekonstruktion des
20:15-Uhr-Krimis und dabei ebenso neunmalklug wie unaufrichtig.
Petzold scheint sich streckenweise sogar an seinem eigenen Film zu
langweilen und trägt seine Abscheu über Meuffels offen zur Schau.
Maximal zynisch ist auch der Abgang seiner neuen Partnerin, deren Tod
lediglich Bewandtnis für die Charakterentwicklung des Kommissars
hat. Der darf dann mit seiner Herzdame selig in einem schlechten
Laurel und Hardy-Sketch schwelgen und alles ist gut. Wäre es
stattdessen nicht Subversion genug gewesen, den Sendeplatz mit einem
guten Film zu okkupieren? Und all Kritik dadurch zu äußern, es
einfach besser zu machen als diejenigen, die man kritisiert?
Mittwoch, 19. Dezember 2018
Gemeinsam Gespenst sein – Das Kino von Christian Petzold
Der eisige Windhauch, der
aus den angestaubten Schnitträumen der Berliner Schule zu dringen
scheint, ist gar nicht so eisig. Aus den formalen
Selbstbeschränkungen dieser lose miteinander assoziierten
Filmemacher, die vielleicht eher eine Philosophie des Kinos eint,
auch gleichermaßen emotionale Kälte abzuleiten, wäre grob
fahrlässig, Und es entginge einem eine Vision vom Kino, die gerade
in der deutschen Kinolandschaft ein Gegengewicht zu verfilmtem
Geschichtsunterricht oder Komödien über Männer und Frauen bilden
könnte, indem es Platz für die Zwischenräume und Transitzonen
menschlicher Biografien lässt. Jene Orte also, an denen das Gespenst
sein Dasein fristet. Durch die Kino-Landschaften Petzolds geistert es
seit jeher. Seine Figuren streifen durch diese Landschaften immer
schwer nahbar, verloren, nicht wirklich da, nicht wirklich weg. Es wird schnell klar: das
Kino Petzolds ist nicht nüchtern, sondern schüchtern.
Intrinsische Charaktere,
keine Extrovertierten oder Paradiesvögel, sondern in sich brodelnde,
schüchterne Wesen, Einzelgänger, Grenzgänger bilden das
Gravitationszentrum seiner Filme, laden sie auf. Seine Figuren
wandeln auf Grenzen, bilden also eine Grenzerfahrung ab, schweben
irgendwo im Dazwischen, harren in Zonen des Übergangs aus. Es geht
immer um Gespenster, also die Vergangenheit und ihre Erfahrungen und
wie sie in die Gegenwart hineinwirkt, um die Zukunft zu gestalten.
Und es geht darum, wie sehr wir uns von unserer Vergangenheit
gefangen nehmen, lähmen lassen; wie deterministisch unsere Leben
vorgezeichnet sind, ob wir es auf Schienen durchfahren oder ob wir
vor einer leeren Leinwand stehen. Mit der Vergangenheit sind die
Schulden, mit denen wir beladen sind. Und da ist die Idee der
Absolution und die Frage, ob wir sie erwarten sollen, sie erwarten
dürfen.
Mit den Hauptfiguren
seiner Filme bin ich stets auf der Suche, oder auf der Flucht,
manchmal ist das eine nicht vom anderen zu unterscheiden. Seine Filme
zeichnet dabei eine eigentümliche impressionistische Qualität aus,
wenngleich er sich bisweilen in expressionistischen Formspielen
erprobt. Seine Figuren sind impressionistisch in dem Sinne, dass sie
verschlossen bleiben, nach innen gerichtet. Jedes Zeichen, das nach
außen dringt und anzeigen könnte, wie es um die Innenwelt der
Figuren bestellt ist, gilt es deswegen umso begieriger, umso
aufmerksamer zu deuten. Die Sichtung eines solchen Kinos – eines
des aufmerksamen, proaktiven Auf-die-Suche-Machens – erfordert
dementsprechend höchste Aufmerksamkeit. Petzold macht Angebote, gibt
versteckt Hinweise, aber er hält die Tür immer nur einen Spalt
offen.
Seine Figuren sind in der
Maskerade verfangen, spielen den anderen etwas vor, täuschen diese
und sich selbst, manchmal verliert sich ihre Identität und sie
stülpen sich eine neue über. Menschen sind dann nicht die, wofür
wir sie gehalten haben. Das ist das allzumenschliche, dem Petzold
stets mit schier unstillbarer anthropologischer Neugierde begegnet.
Manchmal gehen die Menschen auch von uns, aber weigern sich die
Szenerie zu verlassen. Sie werden zu Gespenstern. Wenn Petzold
romantisch wird, dann können sich seine Figuren plötzlich ohne
Spiel und ohne Falsch gegenüberstehen und miteinander sprechen,
aneinander anblicken und nichts sagen; können sich aber dennoch
erzählen, wie viel sie einander bedeuten ohne schüchtern zur Seite
zu blicken. Hier liegt sein Versprechen an die Gespenster des Kinos:
In der zwischenmenschlichen Begegnung überkommt man das
Gespenster-Dasein, versichert sich seines Wertes, stiftet Sinn; oder
man wird gemeinsam zum Gespenst.
Sonntag, 9. Dezember 2018
Feminismus falsch gedacht - "Damsel" [US '18 | David & Nathan Zellner]
Im Kern der Geschichte verbirgt sich
ein fatales Missverständnis: Samuel (Robert Pattinson) will seine
Angebetete aus den Fängen eines Kidnappers befreien, um sie dann an
Ort und Stelle zur Frau zu nehmen. Doch diese hat, wie lästig, ihren
ganz eigenen Willen. Die Damsel aus „Damsel“ möchte nämlich gar
nicht gerettet werden. Stattdessen will sie einfach nur in Ruhe ihr
Leben leben und hofft, ihr Glück in der Ehe
gefunden zu haben - wären da nicht all die aufdringlichen Männer,
die sich immer noch in den Zeiten eines John Wayne-Western wähnen.
Diese wollen Penelope entweder erobern, besitzen oder auch zur
Strecke bringen, sollten sich ihre Besitzansprüche an Penelope nicht
verwirklichen lassen. „Damsel“ will also ein feministischer
Western sein, tappt jedoch in dieselbe intellektuelle Falle wie seine
radikalsten Ausprägungen im Netz.
Die Frau stark zu machen, bedeutet
nicht einfach den Mann schwach zu machen. Und Ungleichbehandlung löst
sich nicht durch eine Invertierung solcher Machtstrukturen auf. Doch
statt eines Nebeneinanders legt der Film vor allem eine neue
Geschlechter-Hierarchie nahe. Penelope, trotz der Umstände
wundervoll gespielt von Mia Wasikowska, steht über den anderen. Den
Relikten eines totgeglaubten Genres tritt sie mit emanzipatorischer
Entschlossenheit entgegen. Diese Asymmetrie drückt sich vor allem in
der Charakterisierung der männlichen Figuren aus. Der zunächst als
Protagonist installierte Samuel erweist sich als selbstsüchtiger
Träumer, Parson Henry (David Zellner) versucht als rückgratloser
Windhund lediglich zu überleben (und wird nach einem jämmerlichen
Heiratsantrag abermals gedemütigt) und der Bruder ihres Mannes ist
sich noch nicht ganz sicher, ob er Penelope nun umbringen oder doch
zur Frau nehmen soll, um sie wie einen Gegenstand aus dem Erbe seines
Bruders in seinen Besitz zu überführen. Selbst der Ureinwohner, der
zu ihrer Rettung eilt, verschwindet im Morgengrauen mit ihren
Pferden.
Männer sind im Kern halt doch
ziemliche Arschlöcher, und wenn sie nicht gewalttätig sind, dann
sind sie schwach, gefühlsduselig, prinzipienlos oder schlichtweg
verrückt. In solchen Typisierungen drückt „Damsel“ vor allem
eine Rache- und Vergeltungsfantasie aus, durch die
das progressive Grundanliegen des Feminismus plötzlich einen
erschreckend erzkonservativen Anstrich bekommt. Als Rache für
Dekaden von Filmen mit fehlender oder falscher weiblicher
Repräsentation, bis hin zur blanken Frauenverachtung, gibt es nun
Filme wie „Damsel“, die die Positionen ins Gegenteil verkehren.
Dass der Film aus der Feder eines Brüder-Duos stammt, sollte hierbei
nur im ersten Augenblick überraschen. Schließlich sind es nicht
selten sich als politisch progressiv verstehende Männer, die in
ihrem Kampf für die Geschlechter-Gerechtigkeit weit über das Ziel
hinausschießen und aus deren bisweilen hysterisch betriebenen
Zelebrierung der Frau sich eine dialektische Gegenbewegung ergibt,
die in einer ebenso undifferenzierten Diffamierung des Mannes mündet.
Von der Lust des männlichen Liberalen an der Selbstkasteiung mal ganz zu
schweigen.
Aus der reizvollen Prämisse, nämlich
einer Frau, die den alten Gesetzen des Westens und den Konventionen
der Zeit als unüberbrückbarer Widerstand begegnet, könnte sich
sicherlich ein guter Film ergeben, zumal sich starke Frauenfiguren
auch zu den entbehrungsreichen Zeiten der Westward Expansion
historisch fundieren lassen. Aus dem feministischen Anliegen des
Filmes ergeben sich aber leider zunehmend Akte der Demütigung und
Verachtung, die kein Mann, also kein Mensch, verdient hat.
Sonntag, 25. November 2018
Was nicht erinnert werden will - "Shoah" [FR '85 | Claude Lanzmann]
So wie dies ein Film über das Erinnern ist, und damit gegen das
Vergessen, so ist es ein Film der Gesichter. In ihren Konturen hält
sich das Versprechen versteckt, der Erinnerung irgendwie fassbar
werden zu können. Sie sind die Projektionsfläche, in ihnen finden
also die Träume, die Ängste, das Denken des Zuschauers Ausdruck.
Und sie sind schließlich des Filmemachers einzige Chance, denn sie
gewähren Einlass, sie lassen die Dinge sichtbar werden, erzählen das,
was in Worten keine angemessene Gültigkeit besitzt. Und sie grenzen
an das, was nicht ausgesprochen werden kann, weil es zu gewaltig ist
in seiner Erfahrung, aber auch in den Implikationen, die es birgt.
„Shoah“ ist also nicht zufällig ein Interview-Film geworden,
muss doch die Annäherung an nähere Geschichte auch immer über eine
tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Schicksal des Individuums
erfolgen, weil erst in diesem die Konsequenzen politischer Prozesse
sichtbar werden.
Die Stimmen der Zeitzeugen werden von Claude Lanzmann voll
ausgespielt. Der Film ist so lang, weil er sich die Zeit nimmt, all
diesen Stimmen, in den Eigenheiten der jeweiligen Sprache, aber auch
in den Eigenheiten der Sprechenden, einen Raum zu geben. Denn erst in
Stimme und Sprache finden der Schmerz und der Horror der Erfahrung zu
einem genuinen Ausdruck. Immer wieder ersticken die Stimmen in den
Gesprächen, als stießen sie auf einen unsichtbaren Widerstand;
etwas, das ihnen verbietet, weiterzusprechen, weil es zu tief führen
würde. Dort liegt das Trauma begraben. In einer Schlüsselszene
redet Lanzmann auf einen jüdischen Überlebenden ein, ein Friseur
aus Israel. Er drängt ihn dazu, weiterzusprechen, schließlich müsse
er weitersprechen, um das Vergessen zu verhindern. Der Frisur bittet
darum, ihn nicht weiter zu drängen, die Erinnerung sei zu
schmerzhaft. Schließlich lässt sich dieser doch dazu bewegen, seine
traumatischen Erinnerungen weiter zu verbalisieren, unter Tränen.
Lanzmann wird hier zum Geburtshelfer einer Erinnerung, die er durch
seine filmische Arbeit gleichzeitig in das Kollektivgedächtnis
seines Publikums überführt.
Die Gesichter der Täter sind anders als die der jüdischen Opfer
anonymisiert. Sie sind über einen zweiten, abgefilmten Bildschirm,
der ein überbelichtetes, schlecht aufgelöstes Videobild einer
versteckten Kamera zeigt, entrückt und verzerrt. Es macht die
Gesichter der Täter unwirklich und monströs und ironischerweise ist
diese Form der Repräsentation in gewisser Weise ein selbst gewähltes
Schicksal. Die meisten von ihnen möchten nicht gezeigt werden, nur
unter falschem Namen im Film auftreten. Es drängt sich natürlich
die Frage auf, wer denn nun Verantwortung übernimmt, wenn jeder nur
ein kleines Zahnrad in einem größeren System war, jeder nur auf
Befehl gehandelt und jeder nur mitgemacht. Das ist aus der
Perspektive des Zuschauers (auch als Zuschauer der Geschichte) so
frustrierend, wie es beängstigend ist, weil es einen Wesenskern des
Menschen offenbart, der alledem widerspricht, an das man glauben
möchte. Und weil auf die Fragen nie befriedigende Antworten gefunden
werden (können).
Es verbleibt ein vernichteter Glaube, restlos ausgelöscht.
Verlassen von der Welt, verlassen von der Menschheit. Lanzmann tritt
den Zeitzeugen nicht mit der moralischen Überheblichkeit
gegenwärtigen Wissens entgegen, also aus der Gewissheit eines
historischen Danach heraus, er fragt nicht nach einer moralischen
Beurteilung der Täter selbst, sondern scheint solche weitergehenden
Fragen als Nebenprodukt eines zunächst einfachen
Rekonstruktionsprozesses fragmentarischer Erinnerungen zu begreifen.
Auch hier sprechen die Gesichter, und sie sprechen zu jedem anders,
deshalb sind sie natürlich eine Projektionsfläche. Ich möchte in
den Gesichtern der Täter bisweilen Reue erkannt haben, stilles
Schuldbewusstsein, das nagt, das vor der Kamera aber nicht
ausgesprochen werden kann; denn würde es laut ausgesprochen, könnte
es Wirklichkeit werden. Die Kamera muss zur Stelle sein, wenn die
Worte nicht genügen, die Sprache an ihre Grenzen gerät. Und nichts
bleibt als der Ausdruck einer Erinnerung, die nicht erinnert werden
will.
Samstag, 10. November 2018
Vom Leben ohne Erinnerung - "Without Memory" [JP '96 | Hirokazu Kore-eda]
„I know this is a strange question but is this reality?“
„Without Memory“ gehört zu einer Reihe von dokumentarischen
Filmen, die Hirokazu Kore-eda Ende der Neunziger Jahre für TV Man Union drehte
– einer seit 1970 bestehenden, unabhängigen Produktionsfirma. Der Film erzählt
die Geschichte von Hiroshi Sekine, der infolge einer Mangelernährung in einem
Krankenhaus sein episodisches Gedächtnis verlor. An Ereignisse, die über eine
Stunde zurückliegen, kann sich dieser nicht erinnern. Lediglich starke
Bewusstseinszustände wie Gefühle der Angst verhaften sich bisweilen
längerfristig in seinem Gedächtnis.
Der Film wird vor allem über ein narratives Voice-over
erzählt, das zu Bildern aus den Privatarchiven der Familie durch die Biografie
Sekines führt oder medizinische Details zu seiner Verfassung erläutert. Hier
ist der Film klar in den Strukturen klassischen Fernsehen-und
Dokumentarfilm-Handwerks verhaftet, indem er sich chronologisch auf einen kleinen
Abschnitt in Hiroshis Leben konzentriert, ohne sich in formale Experimente zu
begeben. In den Zwischenbildern und wiederkehrenden Themen wie Erinnerung und
Verlust wird aber auch schon jener Kore-eda sichtbar, der mit seinen
einfühlsamen Spielfilmen und zutiefst humanistischen Gesellschaftsstudien zu
einem der meist renommierten japanischen Filmemacher der Gegenwart aufsteigen
sollte. In seiner Themenvielfalt streift der Film dabei etliche philosophische
Diskurse und stellt eine ebenso große Anzahl von Fragen.
Fragen
Wie sehr ist unsere Identität beispielsweise materiell
fundiert? Und falls sie es nicht ist: wie können Körper und Geist als
voneinander getrennte Größen gedacht werden? Welche Rolle spielt bei der
Identitätskonstruktion die Erinnerung? Fungiert das menschliche Gehirn als
leeres Gefäß, das zunehmend mit Erfahrungen gefüllt wird und ist die Summe
dieser Erfahrungen dann das, was wir als das Ich wahrnehmen? Oder ist das Ich
nur eine Illusion des Gehirns, das uns gleichermaßen ein Bewusstsein
illusioniert, um mit der Fülle an Sinneseindrücken zurechtzukommen? Welche
Rolle spielt der Andere in der Bewusstwerdung des Selbst? Existiert das Selbst
in der Differenz zum Anderen oder in der Summe seiner Gemeinsamkeiten? In Kombination aus beidem?
„I always
feel like this isn't the way it's supposed to be. And then I can't tell whether
it's reality or my imagination.“
Hiroshis Leben ist stehengeblieben, aber er bleibt da, zum
Gespenst geworden, in einer Endlosschleife gefangen, in der die eigene
Situation immer wieder neu gelernt, neu akzeptiert werden muss. Die
Aufzeichnungen des Kamerateams um Kore-eda sollen ihm helfen, sich zu erinnern.
An einer Stelle übernimmt er selbst die Kamera, um die Gesichter und Namen des
Filmteams festzuhalten. Der Speicher der Kamera, die Kamera selbst, dient hier
als Erinnerungsersatz, übernimmt die Aufgaben, zu denen Hiroshis Gedächtnis
nicht mehr imstande ist. Marshall
McLuhans Theorie von den „extensions of man“, wonach die Medien und die ihr
zugrundeliegenden Technologien als Erweiterungen, oder gar Amputationen unseres
biologischen Körpers fungieren, bekommt an dieser Stelle eine ganz bildliche
Entsprechung geliefert.
„If I
really exist or not. I just don't know.“
Was passiert mit dem Menschen, wenn sich das Reservoir an Erinnerungsschätzen nicht mehr füllen lässt? Hiroshi bleibt im vollen
Bewusstsein seiner Behinderung, wenngleich er sie immer wieder vergisst. Er
muss jedes Mal aufs Neue um die Konsequenzen seines Zustandes erfahren. Wenn
das Ich die Summe aller Erfahrungen ist, also die Erinnerung der Erfahrung, was
passiert dann mit dem Ich, wenn es keine neuen Erinnerungen mehr hinzufügen
kann? Während die Kinder älter werden, eine neue Tochter geboren wird,
verbleibt Hiroshi in der Vergangenheit, erinnert sich an jene "Version" seiner Kinder, die vor ein, zwei Jahren existierte. Erst im Gespräch mit seiner Frau, die sich
über den gesamten Film hinweg mit einer schier übermenschlichen Geduld um ihren
Mann kümmert, lernt er, dass die Zeit weiter vorangeschritten ist.
„My films
are not the only ones concerned with memory. It's something to do with the
medium itself.“ - Hirokazu Kore-eda
Die Kamera fungiert im dokumentarischen Film als
Erkenntnis-Apparat. Hier fungiert diese jedoch zuvorderst als eine Art
Erinnerungsmaschine, die eine subjektive Erfahrung technologisch zu fixieren
versucht. Später erklärt Hiroshi, dass er sich selbst in den Aufnahmen kaum
wiedererkennt. Stattdessen sei es so, als schaue er einem Fremden dabei zu, wie
er mit seinen Kindern spiele: „When I see myself in pictures or in videos, I
just can't recognise that person as me. I have no impression of having been there. It's like I'm watching a film
made about someone other than me. I think maybe someone who looks like
me is playing at being me'” - Denn es ist am Ende eben doch nur eine Kamera,
die die hochkomplexe sensorische Erfahrungswelt von Hiroshi wiederzugeben
versucht, Bild und Ton zu einer Einheit verschmolzen, zwei von fünf Sinnen,
eine Repräsentation, in anderen Farben und anderen Auflösungsraten. Wie soll die
Komplexität der Welt, geschweige denn die Komplexität sensorischer Wahrnehmung
hier angemessen Ausdruck finden? Sie kann nur repräsentiert werden -
abstrahiert, vereinfacht, heruntergebrochen.
"Sekine himself doesn't even recognise that he has a
personality. But meeting his
family proved to me that you can have an identity that depends on other
people's memories. So even when you die, part of your identity will
reside in others." - Im Schicksal von Hiroshi spiegeln sich die ewigen
Streitfragen dokumentarischen Filmemachens wider - Fragen zum Wesen von
Erinnerung, Identität, Wahrheit und Realität. Und worin besteht der Sinn von alledem? Sich in den Erinnerungen anderer Menschen zu verewigen, um im
Kollektivgedächtnis einer Gesellschaft in die Ewigkeit getragen zu werden?
Warum ist dieser Wunsch überhaupt da? Was kümmert uns die Welt, sobald wir
diese verlassen haben? Oder ist es bloß Narzissmus, nicht einmal im Tod
vergessen werden zu wollen, sondern auf ewig erinnert? Kore-eda scheint die Identität
des Menschen relational zu denken. Erst im Zusammenspiel mit anderen kann sie
sich formen, wachsen und erinnert werden. Die einzelnen Bauteile unseres Ichs
verhaften sich in den Menschen, die uns umgeben und erst in ihrer Summe ergeben
sie den Menschen in seiner Gesamtheit. Die Identität konstituiert sich also aus
einer Vielzahl von Erinnerungen. Und sie wird selbst zum Gegenstand einer
Erinnerung – in den Menschen, mit denen wir unser Leben teilen. Das ist, bei aller Tragik, der Trost, den
„Without Memory“ nahezulegen vermag: nicht zu verschwinden, solange man
erinnert wird. Nur wofür ist man wert, erinnert zu werden?
"The
halfway house of memory: an interview with Hirokazu Kore-eda.." The
Free Library. 2003 CineAction 23 Aug. 2018 https://www.thefreelibrary.com/The+halfway+house+of+memory%3a+an+interview+with+Hirokazu+Kore-eda.-a099288843
Jonathan
Romney, “The Memory Game,” The
Guardian, 28 September 1999, https://www.theguardian.com/culture/1999/sep/28/artsfeatures2
Den gesamten Film gibt es hier online.
Sonntag, 4. November 2018
Zuletzt gesehen: Oktober 2018
"Hold the Dark" [US '18 | Jeremy Saulnier] - 5/10
"Judge Dredd" [US '95 | Danny Cannon] - 4/10
"End of Watch" [US '12 | David Ayer] - 3/10
"Phoenix" [DE '14 | Christian Petzold] - 7/10
"Mandy" [US, BL '18 | Panos Cosmatos] - 7/10
"Dirty Money" [US '18 | Season 1] - 6/10
"Psycho II" [US '83 | Richard Franklin] - 8/10
"Babylon A.D." [US '08 | Mathieu Kassovitz] - 5/10
"Kicking and Screaming" [US '95 | Noah Baumbach] - 8/10
"Young Adult" [US '11 | Jason Reitman] - 6/10
"Gerald's Game" [US '17 | Mike Flanagan] - 5/10
"Ordinary People" [US '80 | Robert Redford] - 7/10
"Schießen Sie auf den Pianisten" [FR '60 | François Truffaut] - 7/10
"22 July" [US '18 | Paul Greengrass] - 6/10
"Solo: A Star Wars Story" [US '18 | Ron Howard] - 4/10
"A Star Is Born" [US '18 | Bradley Cooper] - 6/10
"Bad Times at the El Royale" [US '18 | Drew Goddard] - 4/10
"Our Souls At Night" [US '17 | Ritesh Batra] - 5/10
"Eighth Grade" [US '18 | Bo Burnham] - 8/10
"White Girl" [US '15 | Elizabeth Wood] - 5/10
"Meet John Doe" [US '41 | Frank Capra] - 6.5/10
"The Garden of Words" [JP '13 | Makoto Shinkai] - 5/10
"Bailout: The Age of Greed" [CA '13 | Uwe Boll] - 3/10
"A Day Off" [KR '68 | Man-hui Lee] - 6/10
"Calibre" [UK '18 | Matt Palmer] - 4/10
"Apostle" [US, UK '18 | Gareth Evans] - 5/10
"Commando" [US '85 | Mark L. Lester] - 6/10
"The Night Comes for Us" [ID '18 | Timo Tjahjanto] - 4/10
"Transit" [DE '18 | Christian Petzold] - 7/10
"Judge Dredd" [US '95 | Danny Cannon] - 4/10
"End of Watch" [US '12 | David Ayer] - 3/10
"Phoenix" [DE '14 | Christian Petzold] - 7/10
"Mandy" [US, BL '18 | Panos Cosmatos] - 7/10
"Dirty Money" [US '18 | Season 1] - 6/10
"Psycho II" [US '83 | Richard Franklin] - 8/10
"Babylon A.D." [US '08 | Mathieu Kassovitz] - 5/10
"Kicking and Screaming" [US '95 | Noah Baumbach] - 8/10
"Young Adult" [US '11 | Jason Reitman] - 6/10
"Gerald's Game" [US '17 | Mike Flanagan] - 5/10
"Ordinary People" [US '80 | Robert Redford] - 7/10
"Schießen Sie auf den Pianisten" [FR '60 | François Truffaut] - 7/10
"22 July" [US '18 | Paul Greengrass] - 6/10
"Solo: A Star Wars Story" [US '18 | Ron Howard] - 4/10
"A Star Is Born" [US '18 | Bradley Cooper] - 6/10
"Bad Times at the El Royale" [US '18 | Drew Goddard] - 4/10
"Our Souls At Night" [US '17 | Ritesh Batra] - 5/10
"Eighth Grade" [US '18 | Bo Burnham] - 8/10
"White Girl" [US '15 | Elizabeth Wood] - 5/10
"Meet John Doe" [US '41 | Frank Capra] - 6.5/10
"The Garden of Words" [JP '13 | Makoto Shinkai] - 5/10
"Bailout: The Age of Greed" [CA '13 | Uwe Boll] - 3/10
"A Day Off" [KR '68 | Man-hui Lee] - 6/10
"Calibre" [UK '18 | Matt Palmer] - 4/10
"Apostle" [US, UK '18 | Gareth Evans] - 5/10
"Commando" [US '85 | Mark L. Lester] - 6/10
"The Night Comes for Us" [ID '18 | Timo Tjahjanto] - 4/10
"Transit" [DE '18 | Christian Petzold] - 7/10
Sonntag, 28. Oktober 2018
Es ist nicht der Kapitalismus, es sind die Menschen! - "Mr. Deeds Goes to Town" [US '36 | Frank Capra]
Gestatten:
Mr. Deeds (Gary Cooper). Ein bodenständiger, junger Mann vom Land. Ein anständiger
Kerl. Die Zeiten sind hart, aber Mr. Deeds begegnet ihnen mit dem
ungebrochenen Optimismus eines Idealisten, der bei allen
Anstrengungen des (Über-)Lebens in der wirtschaftlichen Krise die
Freude am Dasein nicht verlernt hat. Tuba-spielend begleitet er seine
eigene Abschiedsfeier aus dem heimatlichen Nest, das er verlässt,
nachdem ihn eine Gruppe Anwälte darüber unterrichtet, dass er
alleiniger Erbe eines Vermögens geworden ist - zwanzig Millionen
Dollar warten auf ihn. Das Geld führt ihn in die Stadt, jenen
urbanen Raum, der in Capra-Filmen bestenfalls Unheil und
schlimmstenfalls Verderben bedeutet. Das Verderben deutet sich an,
nachdem Mr. Deeds erkennen muss, in welch korrumpierten, menschlichen
Sumpf er gestolpert ist. Die Presse zerreißt jeden seiner
öffentlichen Auftritte und nach einem gemeinsamen Abendessen zeigt
er sich enttäuscht von der künstlerischen Elite der Stadt, die für
seine Gedichte nichts als beißenden Sarkasmus übrig hat. Mit ein paar
kräftigen Kinnhaken versucht er ihnen die Arroganz aus dem Leib zu
prügeln.
Denn
auch das ist ein Markenzeichen des kleinen Mannes aus Capras
„Little-Men“-Trilogie: wenn Sprache und Institutionen Gewalt
ausüben können, dann können es die guten, alten Fäuste erst
recht; und wenn man auch kein Intellektueller ist, so gelangt man
doch mit ganz eigenen Worten zu profunden Einsichten über das
menschliche Miteinander. Mit der Zeit wirkt der (bisweilen seltsam
geartete) Humanismus von Mr. Deeds entwaffnend auf das elitäre
Umfeld, in das er geworfen worden ist. Louise (Jean Arthur), die zynische
Reporterin, die ihm nachspionieren und auf seine Kosten Schlagzeilen
produzieren soll, verliebt sich in ihn. Der Zynismus verliert bei ihm
seine Strahlkraft. „And I got to thinkin' about what Thoreau said:
"They created a lot of grand palaces here, but they forgot to
create the noblemen to put in them"“ bedauert Mr. Deeds in
einer Szene. Mit den Nobleman ist natürlich auch er selbst
gemeint.
In
einer Schlüsselszene wird Mr. Deeds in seiner Villa von einem Farmer
mit einem Revolver bedroht, ein Sinnbild für die Verlierer der Great
Depression. Dieser macht Mr. Deeds als Repräsentant der vermögenden
Elite für seine persönliche Misere mitverantwortlich. Mr. Deeds
erkennt allmählich, dass er in die Lage versetzt wurde, über die
Ressourcen der Elite zu verfügen, ohne ihrer Klasse im sozialen
Sinne anzugehören. Eine der Chance, die diese Lage birgt, ist aus
ihr heraus für gesellschaftliche Gerechtigkeit einzustehen und das
eigene Vermögen zur Schaffung eines Friedens zwischen den Klassen
wirksam zu machen. Er beginnt damit, den Arbeitslosen der Stadt die
Papiere für eine 10 Hektar große Farm auszustellen, wenn diese sich
im Gegenzug dazu bereit erklären, diese für mindestens drei Jahre
zu bewirtschaften. Er erkennt also, dass die einen zu viel haben und
die anderen zu wenig. Und er erkennt die Verantwortung an, die
deswegen jenen zukommt, die im freien Wettbewerb am Ende als Gewinner
dastehen. Er beginnt gewissermaßen damit, seine eigene
New-Deal-Politik zu betreiben, angeleitet von der Idee der agrarian ideals.
Trotz
alledem ist Mr. Deeds jedoch alles andere als ein linker Revoluzzer;
er ist nicht einmal wirklich kritisch gegenüber dem Kapitalismus und
seinen Auswüchsen, sondern möchte die Ungerechtigkeiten, die im
kapitalistischen Wirtschaftssystem nichtsdestotrotz entstehen, über
einen tugendhaften Individualismus zivilisieren. Das bedeutet: der
Einzelne muss das Richtige tun. Und das Problem ist nicht der große
Reichtum, sondern nur, wie der Reiche mit ihm umgeht. Mr. Deeds
propagiert damit eine Art solidarischen Kapitalismus nach dem Vorbild
Andrew Carnegies, welcher als einer der reichsten Männer der
Weltgeschichte damit begann, seinen Reichtum über gemeinnützige
Projekte an die Gemeinschaft zurückzuführen. Die
Kritik am Kapitalismus, die in der Prämisse der Erzählung
schlummert, sowie die Kritik an der Elite, die Mr. Deeds sichtlich
befremdet, werden auf einen wirtschaftsliberalen Grundappell
heruntergebrochen. Systemische Fragen werden nicht weiter verfolgt
dort, wo das System nicht das Problem ist, sondern immer nur der
Einzelne, der darin agiert. Kurzum: Wenn jeder wie Mr. Deeds wäre,
wäre die Welt ein besserer Ort. Und das Leben im Konjunktiv wäre
ein schönes, wäre es nicht im Konjunktiv.
Sonntag, 21. Oktober 2018
Die Liebe ist ein seltsames Spiel - "Phantom Thread" [US '17 | Paul Thomas Anderson]
Er ist der Künstler. Sie ist die Welt.
Sie ist der Bezugspunkt der Kunst, der Ursprung der Inspiration. Die
herausfordernde Melange besteht darin, zwischen den eruptiven
Rauschzuständen, der wunderbaren Leichtigkeit der Improvisation mit
der Welt und den kontrollierten Rahmenbedingungen des Kunstschaffens
einen annehmbaren Kompromiss auszuhandeln. Und die Welt dabei nicht
zu verlieren in ihrer an sich seienden Form, oder zumindest in einer
Form, die nicht gänzlich im Sinne des Künstler-Blickes umgestaltet
und verformt worden ist, indem sie vermessen, bürokratisiert,
kategorisiert wurde. Es gilt die Wahrhaftigkeit nicht zu verlieren,
sondern sie ins Artifizielle zu überführen. Das heißt sie nicht zu
zerstören im Prozess, sondern sie zu veredeln. Dann wohnen der Kunst
sogar transformatorische Kräfte inne: "In his work I become
perfect." „Phantom Thread“ ist perfekt. Und Anderson muss
sich schon lange nicht mehr ehrfürchtig verbeugen vor den Größen
der Vergangenheit. Er erzählt eine universelle Geschichte, die doch
ganz spezifisch ist in der Ausgestaltung seiner Figuren und ihren
Eigenheiten. Zugleich ist dies eine wunderbare Liebesgeschichte über
eine Liebe, die wirklich die gesamte Laufzeit braucht, um beidseitig
entstehen und beidseitig akzeptiert werden zu können.
Er ist umrandet von Opportunisten,
Mäzenen, Verehrern, Anhängseln, ökonomischen Notwendigkeiten; bis
sie sein Leben streift und die ungebrochene Lebensfreude auch dann
nicht verliert, wenn er sie einzuhegen, zu domestizieren versucht.
Schon am ersten gemeinsamen Abend macht er sie zum Gegenstand seiner
Kunst, er vergegenständlicht das Subjekt, weil es sich seiner
Kontrolle und den prüfenden Blicken seiner Bürokraten (Lesley
Manville) hier nicht entziehen kann. Aber sie ist nicht das Opfer.
Sie ist gleichermaßen fasziniert von dem, was er in ihr sieht. Sein
Blick ist sinnstiftend. Und der Film bricht die etablierte Asymmetrie
der Beziehung sukzessive auf. Liebe entsteht hier an den Punkten des
Widerstandes, der Reibung, nicht in der Dominanz, im Sieg des einen
über den anderen. Stattdessen gilt es die Macken, die seltsamen
Angewohnheiten, den Fetisch und die Idiosynkrasien des anderen in all
seinem Menschsein anzunehmen und aus dem Kampf gegeneinander, für
die gemeinsame Sache, einen Lustgewinn zu generieren. Der Film endet
in einem Happy Ending, denn Zynismus war eigentlich nie Andersons
Sache. Er lernt die Kontrolle abzugeben, sie zähmt ihn, kanalisiert
sein Genie. Und sie darf in seiner Kunst so etwas wie Sinn erfahren.
Freitag, 12. Oktober 2018
Die eigene Schaulust - "22 July" [US '18 | Paul Greengrass]
Mit „22 July“ liefert „Based on
true Events“-Spezialist Paul Greengrass so ziemlich genau das, was
von ihm im Vorfeld zu erwarten war: gut funktionierende
Handkamera-Bilder im Nah-dran- und Mittendrin-Modus, ein
rhythmisierender Schnitt und gut geführte Schauspieler lassen den
Terroranschlag auf Utøya und Oslos Regierungsbezirk im Jahre 2011
aus der allerersten Reihe fast in Echtzeit mitverfolgen. Der Fokus
liegt dabei gleichermaßen auf Breivik, wie auf einer kleinen Gruppe
von Überlebenden, was mancherorts zu empörten Reaktionen führte.
Die Opfer der Anschläge würden vor allem als anonyme Masse
porträtiert, Breivik zu viel Plattform gegeben. Solche Stimmen
zeichneten sich vor allem durch eine inzwischen obligatorisch
gewordene moralische Überheblichkeit aus. Stattdessen sollte sich im
Umgang mit Filmen wie „22 July“ mal ehrlich gemacht und die
eigene moralische Scheinheiligkeit abgelegt werden: Ich schaue Filme
wie diese selbstverständlich aus Schaulust und Sensationsgier –
und ich bezweifle, dass ich damit alleine bin. Statt des Gaffens am
Straßenrand darf sich bei filmischen Rekonstruktionen realer
Begebenheiten allerdings noch schön in die Decke eingemummelt werden
und das ganze Grauen, das ist irgendwie so ähnlich tatsächlich
irgendwo passiert, aus nächster Nähe (und doch aus sicherer
Distanz) bestaunt werden. Und die Faszination geht natürlich vom
Täter aus und weniger von den Opfern, weswegen Greengrass Interesse
an diesem vor allem aufrichtig ist.
Das Grauen, die Zuspitzungen
menschlichen Verhaltens, üben eine ungebrochene Anziehungskraft aus.
Horrorfilme funktionieren (auch) nach genau diesem Prinzip: dem
Grauen, im Film sichtbar gemacht, in die Augen blicken. Nun bedient
sich Greengrass am Grauen der Welt und es drängt sich die Frage auf,
wo nun die Fiktion liegt – wo sie beginnt und wo sie aufhört. Wo
beschreitet ein Film, der sich konkret auf reale Begebenheiten
bezieht, die moralische Trennlinie zwischen geschmackvoller und
geschmackloser Unterhaltung? Jeder Filmemacher bezieht sich auf die
Welt, die er in einer Repräsentation wieder zusammensetzt, wie
offenkundig muss der Bezug zur Realität also sein, um den
Filmemacher in die Lage besonderer Verantwortung zu versetzen? Das
Fehlen einer klaren Antwort auf solcherlei Fragen macht nur das ganze
Ausmaß der moralischen Scheinheiligkeit sichtbar, mit der sich im
kritischen Umgang mit solchen Filmen geschmückt werden soll, ohne
sich das Nacherleben der Tragödie entgehen lassen zu müssen. Erst
sabbernd über zwei Stunden in den Zügen eines Massenmörders nach
einer Regung suchen und dann die fehlende Sensibilität Greengrass zu
kritisieren, ist maximaler Selbstbetrug. Die Schaulust ist eine
zentrale Triebkraft des Kinos generell. Und sie ist immer schuldig,
nie unschuldig. Aus einer eben solchen moralischen Ausgangslage gilt
es auch einen Film wie „22 July“ zu betrachten.
Sonntag, 7. Oktober 2018
Zuletzt gesehen: September 2018
"Disenchantment" [US '18 | Season 1] - 6/10
"Lessons from a Calf" [JP '91 | Hirokazu Kore-eda] - 7/10
"The Tale of Tales" [FR, IT, UK '15 | Matteo Garrone] - 6/10
"African Queen" [US, UK '51 | John Huston] - 6/10
"Schneewittchen und die sieben Zwerge" [US '37 | David Hand] - 5/10
"Brokeback Mountain" [US '05 | Ang Lee] - 8/10
"Still the Water" [JP '14 | Naomi Kawase] - 6/10
"Phantom Thread" [US '17 | Paul Thomas Anderson] - 8/10
"Avengers: Infinity War" [US '18 | Anthony & Joe Russo] - 5/10
"Upgrade" [AU '18 | Leigh Whannell] - 6/10
"Mindhunter" [US '17 | Season 1] - 7/10
"Der Mieter" [FR, US '76 | Roman Polanski] - 8/10
"Luz" [DE '18 | Tilman Singer] - 4/10
"Die grausame Frau" [DE '86 | Monika Treut & Elfi Mikesch] - 5/10
"Into the Inferno" [UK '16 | Werner Herzog] - 6/10
"Cowboy Bebop" [JP '97 | Staffel 1] - 7/10
"Yakuza" [US, JP '75 | Sydney Pollack] - 7/10
"Carol" [US, UK '15 | Todd Haynes] - 7/10
"Shutter Island" [US '10 | Martin Scorsese] - 5/10
"Damsel" [US '18 | David & Nathan Zellner] - 4/10
"Dornröschen" [US '59 | Clyde Geronimi] - 7/10
"Isle of Dogs" [US, JP '18 | Wes Anderson] - 6/10
"The Land of Steady Habits" [US '18 | Nicole Holofcener] - 4/10
"Touch of Evil" [US '58 | Orson Welles] - 6/10
"Total Recall" [US '90 | Paul Verhoeven] - 6/10
"Lessons from a Calf" [JP '91 | Hirokazu Kore-eda] - 7/10
"The Tale of Tales" [FR, IT, UK '15 | Matteo Garrone] - 6/10
"African Queen" [US, UK '51 | John Huston] - 6/10
"Schneewittchen und die sieben Zwerge" [US '37 | David Hand] - 5/10
"Brokeback Mountain" [US '05 | Ang Lee] - 8/10
"Still the Water" [JP '14 | Naomi Kawase] - 6/10
"Phantom Thread" [US '17 | Paul Thomas Anderson] - 8/10
"Avengers: Infinity War" [US '18 | Anthony & Joe Russo] - 5/10
"Upgrade" [AU '18 | Leigh Whannell] - 6/10
"Mindhunter" [US '17 | Season 1] - 7/10
"Der Mieter" [FR, US '76 | Roman Polanski] - 8/10
"Luz" [DE '18 | Tilman Singer] - 4/10
"Die grausame Frau" [DE '86 | Monika Treut & Elfi Mikesch] - 5/10
"Into the Inferno" [UK '16 | Werner Herzog] - 6/10
"Cowboy Bebop" [JP '97 | Staffel 1] - 7/10
"Yakuza" [US, JP '75 | Sydney Pollack] - 7/10
"Carol" [US, UK '15 | Todd Haynes] - 7/10
"Shutter Island" [US '10 | Martin Scorsese] - 5/10
"Damsel" [US '18 | David & Nathan Zellner] - 4/10
"Dornröschen" [US '59 | Clyde Geronimi] - 7/10
"Isle of Dogs" [US, JP '18 | Wes Anderson] - 6/10
"The Land of Steady Habits" [US '18 | Nicole Holofcener] - 4/10
"Touch of Evil" [US '58 | Orson Welles] - 6/10
"Total Recall" [US '90 | Paul Verhoeven] - 6/10
Sonntag, 30. September 2018
Tanz, Jackie, Tanz! - "The Foreigner" [UK, CH '17 | Martin Campbell]
Was Jackie Chan besonders macht? Nun,
danke, dass sie fragen. Zunächst: kämpfen. Das kann er wirklich
ausgesprochen gut. Fausthiebe, Handkantenschläge, Tritte,
Tiger-Style, Kranich-Style, das ganze Programm. Hinzu kommt ein
unvergleichlicher Instinkt fürs Humoristische, oder genauer: für
körperbetonte Komik. Hier spricht Jackie nur mit seinem Körper, wie
ein Tänzer, nur, dass die Tänzer in Jackie Chan-Filmen auch hin und wieder
Schellen verteilen. Sein Gesicht hat bei diesen Kämpfen immer die
lustigsten Ausdrücke; entweder die Backen aufgebläht, der Mund zu
einem erstaunten O geformt oder die Zähne vor Schmerzen
zusammengebissen. Scheiße, tat das weh! Natürlich sind diese
Fähigkeiten nichts wert, wenn derjenige, der die Kamera auf ihn
richtet und derjenige, der das Material anschließend in einer
Montage filmisch fruchtbar machen soll, nicht wissen, was sie tun.
Jackie Chan ist nicht der gebrochene Charakter, den schon das "Police
Story"-Franchise irgendwann aus ihm machen wollte. Dazu fehlt es
Jackie an Talent, das er an anderer Stelle im Übermaß besitzt.
Damit seine Talente nicht auf dem Boden des Schnittraums enden, muss
verstanden werden, welche Erfordernisse dessen Fähigkeiten und
dessen manischer Hang zum Perfektionismus an den Schnitt stellen.
Wo die Fähigkeiten echt sind, muss – ganz im Gegensatz zum sonstigen Sinn filmischer Arbeit - nicht so getan werden, als ob, sondern nur noch Strategien entworfen werden, die ebendiese Fähigkeiten am besten herausstellen. Jackie Chan zu schneiden, heißt nicht zu schneiden, sondern sich zurückzunehmen. Dessen Charaktere brauchen darüber hinaus auch keine tragische Hintergrundgeschichte; zumindest keine, die Jackie heulen, soll heißen: spielen lässt. Das exaltierte Gesichts-Gulasch ergibt im sinnlichen Faust-Ballett eine eigentümliche, humoristische Ausgleichsbewegung, wird aber die selbe Visage plötzlich in die Lage versetzt, existenzielle Krisen glaubwürdig ausdrücken zu müssen, werden die Grenzen eines sehr spezifischen Fähigkeiten-Katalogs erreicht. „The Foreigner“ will unbedingt Drama sein, wenn er viel zu viel Zeit darauf verwendet, Tragik und Motivik eines letztlich doch unfassbar langweiligen Charakters auszugestalten (Vergangenheit bei der Elite der Elite etc. pp.). Martin Campbell versteht Jackie Chan als Schauspieler grandios falsch: Jackie Chan muss tanzen, um zu einem genuinen Ausdruck zu gelangen. Vielleicht könnte er dann sogar die existenzielle Krise seiner Figur in einen einzigen Fausthieb verpacken. Nur muss man gewillt sein, ihn auch tanzen zu lassen.
Wo die Fähigkeiten echt sind, muss – ganz im Gegensatz zum sonstigen Sinn filmischer Arbeit - nicht so getan werden, als ob, sondern nur noch Strategien entworfen werden, die ebendiese Fähigkeiten am besten herausstellen. Jackie Chan zu schneiden, heißt nicht zu schneiden, sondern sich zurückzunehmen. Dessen Charaktere brauchen darüber hinaus auch keine tragische Hintergrundgeschichte; zumindest keine, die Jackie heulen, soll heißen: spielen lässt. Das exaltierte Gesichts-Gulasch ergibt im sinnlichen Faust-Ballett eine eigentümliche, humoristische Ausgleichsbewegung, wird aber die selbe Visage plötzlich in die Lage versetzt, existenzielle Krisen glaubwürdig ausdrücken zu müssen, werden die Grenzen eines sehr spezifischen Fähigkeiten-Katalogs erreicht. „The Foreigner“ will unbedingt Drama sein, wenn er viel zu viel Zeit darauf verwendet, Tragik und Motivik eines letztlich doch unfassbar langweiligen Charakters auszugestalten (Vergangenheit bei der Elite der Elite etc. pp.). Martin Campbell versteht Jackie Chan als Schauspieler grandios falsch: Jackie Chan muss tanzen, um zu einem genuinen Ausdruck zu gelangen. Vielleicht könnte er dann sogar die existenzielle Krise seiner Figur in einen einzigen Fausthieb verpacken. Nur muss man gewillt sein, ihn auch tanzen zu lassen.
Donnerstag, 20. September 2018
RFF-Spezial #2 - Himmlische Unfreiheit in "Verführung: Die grausame Frau" [DE '85 | Elfi Mikesch & Monika Treut]
Wanda dominiert, die anderen lassen
sich dominieren. Sie ist die Herrin, der die anderen zu gehorchen
haben. Das Schicksal ihrer Sklaven ist dabei selbst gewählt: sie
wollen geschlagen, bespuckt und erniedrigt werden, sie wollen kein
Mensch mehr, sondern Kreatur, niederes Getier, bisweilen sogar Objekt
sein. Manche wollen verschwinden, unsichtbar werden, bis zur
Selbstaufgabe und im radikalsten Falle bis zur Selbstvernichtung.
Sadomasochismus operiert mit invertierten Luststrukturen und sucht
gerade die Asymmetrie in der zwischenmenschlichen Beziehung. Mehr
noch als eine Krise der Männlichkeit lässt sich im lustvollen Spiel
mit dem Schmerz, der Verachtung und Unterwerfung eine Krise des
modernen Menschen per se diagnostizieren. Dieser leidet unter dem
Erbe einer Freiheit, die er nie selber erringen musste. Jede offene
Option birgt die Aussicht einer falschen Entscheidung, jedes Unglück
die Aussicht, selber dafür verantwortlich zu sein. Die Albträume
des modernen Menschen führen auf kürzestem Wege in die
Selbstverantwortlichkeit und damit geradewegs in die
Selbstverschuldung. Wanda fungiert als stabilisierende Kraft in einer
Welt, die sich stetig verändert. Ihre Erniedrigungen sind ein Ausweg
aus der überwältigenden Verantwortung, die der Freiheit stets
anhaftet. Sie wird zu einer göttlichen Instanz in einer religiös
erkalteten Gesellschaft. Sich Wanda zu überantworten bedeutet auch
gleichzeitig den Rückzug in eine voraufklärerische Zeit und die
Wiederherstellung einer selbst verschuldeten Unmündigkeit. Und
hinter der Sehnsucht nach Strafe scheint vor allem die Gewissheit zu
stehen, sich schuldig gemacht zu haben. Der (post-)moderne Mensch
steckt tatsächlich in der Krise. Und er vereinzelt sich zusehends.
Er hat Zugang zum gesammelten Wissen der Welt und agiert doch nur
gelähmt angesichts ihrer überwältigenden Komplexität; und der
Schuld, die am Grund der überwältigenden Leiden liegt, die er
mitzuverantworten hat. Wie schön wär's also, Sadomasochist zu sein.
Wie himmlisch die Aussicht, wie himmlisch die Unfreiheit.
*gesichtet auf dem Randfilmfest in Kassel
*gesichtet auf dem Randfilmfest in Kassel
Montag, 17. September 2018
RFF-Spezial #1 - "Luz" [DE '18 | Tilman Singer]
*gesichtet auf dem Randfilmfest in Kassel
Sonntag, 9. September 2018
"Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders" [DE '06 | Tom Tykwer]
Das Ende des Filmes ist spektakulär:
Hier liest sich „Das Parfum“ als profunde Allegorie auf den
Prozess des Kunstschaffens und begreift seinen Protagonisten
unmissverständlich als Künstler-Figur. Nach all der Hingabe und all
den Entbehrungen, die Grenouille auf der Suche nach dem vollendeten
Kunstwerk in Kauf nahm, muss dieser erkennen, dass der eigentliche
Gegenstand seiner Kunst (das Subjekt) im Laufe des Prozesses
abgetötet wurde. Er war beseelt von der Idee einer vollendeten
Kunst, die die weltliche Erfahrung im Kollektivgedächtnis ihrer
Rezipienten in die Ewigkeit trägt. Die überwältigende Wirkung, die
von seiner Kunst ausgeht, indiziert ihre Grundlage, ihre Inspiration,
ihre weltliche Substanz, musste sie sich aber gleichzeitig
einverleiben. Hier ist die Kunst zerstörerisch, gewaltig und
gnadenlos. Und sie bezeugt eine gewisse Weltvergessenheit, weil sie
den Künstler, der die Welt in einer Abstraktion umso intensiver
lebt, einsam macht. Am Ende steht er mit seinem Kunstwerk dar, einem
Meisterwerk, ganz ohne Zweifel, und ihm bleibst angesichts dieser
erschütternden Erkenntnis nicht anderes übrig als sich und sein
Kunstwerk der Hysterie der Massen zu überantworten. Er möchte sagen
„tötet mich, tilgt mich von dieser Welt, denn ich bin nichts als
ein Blender, meine Kunst ist grausam“. Zu spät begreift er um den
Wert der Vergänglichkeit, die er die ganze Zeit zu bekämpfen
suchte. Er wird nicht von den Massen verschlungen, sondern von seiner
eigenen Kunst. Das ist fucking Poesie.
Samstag, 1. September 2018
Zuletzt gesehen: August 2018
"The Firm" [US '93 | Sydney Pollack] - 4/10
"Asterix im Land der Götter" [FR '14 | Alexandre Astier & Louis Clichy] - 5/10
"The Bad Batch" [US '16 | Ana Lily Amirpour] - 4/10
"Mission: Impossible - Fallout" [US '18 | Christopher McQuarrie] - 6/10
"Anchorman 2: The Legend Continues" [US '13 | Adam McKay] - 4/10
"Mr. Deeds Goes to Town" [US '36 | Frank Capra] - 6/10
"Mr. Smith Goes to Washington" [US '39 | Frank Capra] - 7/10
"Paracelsus" [DE '43 | G. W. Pabst] - 4/10
"Resolution" [US '12 | Aaron Moorhead & Justin Benson] - 6/10
"Risky Business" [US '83 | Paul Brickman] - 6.5/10
"The Foreigner" [UK, CH, US '17 | Martin Campbell] - 4/10
"Fast Times At Ridgemont High" [US '82 | Amy Heckerling] - 5/10
"Weird Science" [US '85 | John Hughes] - 4/10
"National Lampoon's Vacation" [US '83 | Harold Ramis] - 3/10
"Caddyshack" [US '80 | Harold Ramis] - 2/10
"Gespenster" [DE '05 | Christian Petzold] - 5/10
"Nymph()maniac: Volume 2" [DK, FR, DE, UK '13 | Lars von Trier] - 5/10
"Freistatt" [DE '14 | Marc Brummund] - 2/10
"The Big Lebowski" [US '98 | Joel & Ethan Coen] - 7/10
"Without Memory" [JP '96 | Hirokazu Kore-eda] - 7/10
"Kammerflimmern" [DE '04 | Hendrik Hölzemann] - 4/10
"Fikkefuchs" [DE '17 | Jan Henrik Stahlberg] - 4/10
"Pretty Woman" [US '90 | Garry Marshall] - 7/10
"Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders" [DE '06 | Tom Tykwer] - 5/10
"BlacKkKlansman" [US '18 | Spike Lee] - 2/10
"Okja" [KR, US '17 | Bong Joon-ho] - 5/10
"Ghost" [US '90 | Jerry Zucker] - 4/10
"Carnival of Souls" [US '62 | Herk Harvey] - 6/10
"The Cleaners" [DE, BR, NE, US '18 | Moritz Riesewick & Hans Block] - 7/10
"Die Mitte der Welt" [DE '16 | Jakob M. Erwa] - 4/10
"Asterix im Land der Götter" [FR '14 | Alexandre Astier & Louis Clichy] - 5/10
"The Bad Batch" [US '16 | Ana Lily Amirpour] - 4/10
"Mission: Impossible - Fallout" [US '18 | Christopher McQuarrie] - 6/10
"Anchorman 2: The Legend Continues" [US '13 | Adam McKay] - 4/10
"Mr. Deeds Goes to Town" [US '36 | Frank Capra] - 6/10
"Mr. Smith Goes to Washington" [US '39 | Frank Capra] - 7/10
"Paracelsus" [DE '43 | G. W. Pabst] - 4/10
"Resolution" [US '12 | Aaron Moorhead & Justin Benson] - 6/10
"Risky Business" [US '83 | Paul Brickman] - 6.5/10
"The Foreigner" [UK, CH, US '17 | Martin Campbell] - 4/10
"Fast Times At Ridgemont High" [US '82 | Amy Heckerling] - 5/10
"Weird Science" [US '85 | John Hughes] - 4/10
"National Lampoon's Vacation" [US '83 | Harold Ramis] - 3/10
"Caddyshack" [US '80 | Harold Ramis] - 2/10
"Gespenster" [DE '05 | Christian Petzold] - 5/10
"Nymph()maniac: Volume 2" [DK, FR, DE, UK '13 | Lars von Trier] - 5/10
"Freistatt" [DE '14 | Marc Brummund] - 2/10
"The Big Lebowski" [US '98 | Joel & Ethan Coen] - 7/10
"Without Memory" [JP '96 | Hirokazu Kore-eda] - 7/10
"Kammerflimmern" [DE '04 | Hendrik Hölzemann] - 4/10
"Fikkefuchs" [DE '17 | Jan Henrik Stahlberg] - 4/10
"Pretty Woman" [US '90 | Garry Marshall] - 7/10
"Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders" [DE '06 | Tom Tykwer] - 5/10
"BlacKkKlansman" [US '18 | Spike Lee] - 2/10
"Okja" [KR, US '17 | Bong Joon-ho] - 5/10
"Ghost" [US '90 | Jerry Zucker] - 4/10
"Carnival of Souls" [US '62 | Herk Harvey] - 6/10
"The Cleaners" [DE, BR, NE, US '18 | Moritz Riesewick & Hans Block] - 7/10
"Die Mitte der Welt" [DE '16 | Jakob M. Erwa] - 4/10
Sonntag, 26. August 2018
"BlacKkKlansman" [US '18 | Spike Lee]
Spike Lee hat nichts verstanden. Gemäß
der „just a few bad apples“-Theorie lösen sich die eigentlich
tiefen, strukturellen Probleme im US-amerikanischen Polizeiapparat
bei diesem in wohliger Heiterkeit auf. Gerade derjenige Kollege, der
Detective Ron Stallworth (John David Washington), dem ersten farbigen
Cop im Colorado Spring Police Department, andauernd mit rassistischen
Anfeindungen begegnete, wird gegen Ende des Filmes mit den
gebündelten Kräften aller Kollegen aus dem Verkehr gezogen. Zuvor
inszeniert Lee die Atmosphäre im Polizeirevier in einer fast schon
parodistisch anmutenden Szene als absolutes Toleranz-El-Dorado – da
wird sich geknuddelt und geherzt als gäbe es kein Morgen mehr,
nachdem die Titel-gebende Infiltration des Ku Klux Klans durch
Stallworth und sein Team, darunter der jüdische Detective Flip
Zimmerman (Adam Driver), erfolgreich abgeschlossen wurde. Der Weg
dorthin ist selbst wenn man die ideologischen Frontlinien des Filmes
kurz beiseite schiebt und sich ganz auf die Tugenden klassischen
Unterhaltungskinos besinnt, erschreckend flach und tempoarm erzählt
und von Lee fast durchgehend mit den erwartbaren musikalischen
Einlagen beschallt.
In einer Parallelmontage zwischen den
Black Panthers und einigen Kapuzen-Affen des KKK macht sich das
fehlende Differenzierungsvermögen Lees besonders bemerkbar. Während
die Mitglieder des Klans begeistert „The Birth of a Nation“
schauen und der Propaganda des Filmes völlig erliegen, hören die
Anhänger der Black Panther- und Studenten-Bewegung einen Augenzeugen
an, der die grausame Ermordung eines Freundes durch einen weißen Lynch-Mob
im Jahre 1915 schildert. Die Legitimationen sind hiernach klar
erteilt und das inbrünstige „Black Power!“ umso verständlicher.
Dass propagandistische, vor allem an der Eskalation interessierte
Kräfte auch dort an einer zunehmenden Polarisierung und Zuspitzung
des Rassenkonflikts interessiert sind oder sogar die
ethnopluralistischen Konzepte ihrer politischen Feinde begrüßen,
tritt dabei in den Hintergrund. Eine wirkliche, kritische Distanz zur
Black Panther-Bewegung wird angedeutet, steckt aber bis zum Ende des
Filmes in den Kinderschuhen – und wird bisweilen sogar relativiert.
Der KKK ist derweil ein einfaches Ziel
für all diejenigen, die sich einmal richtig wohl dabei fühlen
möchten, sich auf der richtigen Seite zu wähnen. In der Abgrenzung
zu den Schwachmaten des Klans darf jeder moralisch glänzen. Und ganz
am Ende darf man sich dann nochmal richtig schön unwohl fühlen,
wenn die Demonstrationen in Charlottesville gezeigt und die Themen
des Filmes in der Gegenwart verortet werden. So ein bedrückendes
Ende für einen doch so kauzigen Film. Charlottesville macht
betroffen und schockiert, Trump sagt die Worte, die Trump eben sagt,
dazu lässt sich dann kopfschüttelnd im Kinositz rotieren. Zu
alledem ist angenehmerweise auch keine gedankliche Eigenleistung
vonnöten, sondern man darf sich ganz seinen Emotionen hingeben –
denn das ist ja auch das Kino: Emotionen! Und wenn man diese nicht
dort zeigen darf, wo dann?
Alle Verfehlungen lassen sich so leicht
von sich weisen, wenn man sie auf klare antagonistische Kräfte
projizieren kann. Der Film unterbreitet genügend Angebote dazu und
das Publikum nimmt sie mit betroffener Miene gerne an. Der Film
erinnert in seiner Einfachheit an del Toros „The Shape of Water“,
ohne über dessen filmästhetischen Reize zu verfügen. Aber es ist
auch ein Film, der nichts bewegt, nichts anstoßen und keine Gedanken
wirklich beeinflussen wird. Dazu müsste auf Seiten Lees erst einmal
ein wirkliches Erkenntnisinteresse bestehen. Der Rechte fühlt sich
bei „BlackkKlansman“ verarscht, der Linke darf klatschen. Und
jeder ist so sehr in der eigenen identitätspolitischen Agenda
verfangen, dass ein Diskurs zur Unmöglichkeit gerät. Dieser Film
zeigt nur: Spike Lee hat nichts verstanden. Der Erfolg bei den Oscars
dürfte ihm mit diesem durch und durch populistischen, und damit
absolut zeitgemäßen Film jedoch sicher sein.
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