Toll und vor allem weitgehend ohne
große Mätzchen erzählt: da wird sich ein paar Mal in den Schritt
gefasst und die Brüste betastet, aber die Lautstärke
handelsüblicher Anime bleibt einem erspart. Die primäre Verortung
als Körpertausch-Komödie ist dabei nur eine Falle, um sich ab des
originellen Twists Fragen zum ewigen Leib-Seele-Dilemma und vor allem
dem Wesen von Erinnerung zu stellen. In der hemmungslosen
Sentimentalität des Filmes, die sich mit Blick auf das dargestellte
Sujet und die damit angepeilte Zuschauerschaft nur als konsequent
erweist, drücken sich außerdem eine ganze Reihe von jugendlichen
Sehnsüchten aus. Die Körpertausch-Prämisse verbindet sich dabei
auf sinnige Weise mit den naiven, romantischen Vorstellungen der
Teenager, die ganz fest an eine schicksalshaft vorherbestimmte, und
vor allem alle Zeiten und alle leiblichen Limitationen überwindende
Liebe glauben möchten. Das Gedankenspiel, im Körper des jeweils
anderen leben zu müssen, verkettet sich dann auch grandios mit den
Angst- und Vorstellungswelten der Adoleszenz: nie wieder wird die
Entfremdung vom eigenen Körper und die dadurch entstehende
Verunsicherung tiefer empfunden und nie schienen die Antworten auf
die Fragen nach der eigenen Identität, einer Idee von der eigenen
Rolle in der Welt, drängender. Im Bestreben aneinander wieder zu
erinnern und einander wiederzufinden, erhoffen sich Taki und Mitsuha,
die Begrenzungen des Körpers zu überwinden und schlussendlich
transzendieren zu können. Das alles gipfelt weder in unangenehmem
Slapstick, noch im ganz peinlichen Pathos, das Shinkai auch hier
stets sucht, das sich jedoch vor allem in einem fast durchgehenden,
melancholischen Grundtenor ausdrückt. Dass ein solcher Film die
internationalen Kinocharts zu erklimmen vermag, lässt einen den Glauben an die Kraft
des populären Films zudem nicht gänzlich verlieren. Und statt der
Superhelden dürfen diesmal ein paar jugendliche Romantiker zur
Rettung der Welt eilen – mit der Kraft einer Liebe, die alle
physikalischen Grenzen überwindet.
Donnerstag, 27. Dezember 2018
Samstag, 22. Dezember 2018
"Polizeiruf 110: Tatorte" [DE '18 | Christian Petzold]
In seinen ersten beiden
Beiträgen zur Polizeiruf-Reihe ließ Petzold noch erahnen, welche
Chancen seine Mitwirkung an diesem Format bergen könnte. Wo sich
seine Idee vom Film nicht mit den zu Konventionen erstarrten
Strukturen des Krimi-Formats vereinbaren lässt, ergeben sich
spannende Reibungspunkte und damit vielerlei Möglichkeiten zur
Subversion. „Kreise“ und „Wölfe“ kommentierten die deutsche
TV-Landschaft, so wie sie es gleichermaßen verstanden, darüber
hinauszuweisen. Die Romanze zwischen Hans von Meuffels und Constanze
Hermann installierte Petzold auf Kosten des Krimi-Plots mindestens
gleichberechtigt, in „Wölfe“ experimentierte er zudem mit den
expressiven Bilderwelten des deutschen Stummfilms. Im dritten Film,
Abschluss der von Petzold verantworteten Polizeiruf-Trilogie und
Abschied von Matthias Brandt in seiner Kommissaren-Rolle, ist das
Drehbuch-Rascheln allerdings lauter geworden. Damit einhergehend ist
Meuffels mehr denn je Sprachrohr seines Regisseurs. Andauernd gibt es
einen Schlaumeier-Kommentar, eine korrigierende Bemerkung oder ein
genervtes Ausatmen. Mit den Methoden der neuen Partnerin werden
nämlich gleichsam die filmischen Methoden des Subjets kritisiert.
Wenn diese auf Zwischenfragen ihres Vorgesetzten wartet, stößt sie
lediglich auf Stille, wenn sie dessen Tathergangs-Rekonstruktion mit
dem Smartphone zu filmen versucht, verliert er endgültig die
Fassung. „Tatorte“ ist die postmoderne Dekonstruktion des
20:15-Uhr-Krimis und dabei ebenso neunmalklug wie unaufrichtig.
Petzold scheint sich streckenweise sogar an seinem eigenen Film zu
langweilen und trägt seine Abscheu über Meuffels offen zur Schau.
Maximal zynisch ist auch der Abgang seiner neuen Partnerin, deren Tod
lediglich Bewandtnis für die Charakterentwicklung des Kommissars
hat. Der darf dann mit seiner Herzdame selig in einem schlechten
Laurel und Hardy-Sketch schwelgen und alles ist gut. Wäre es
stattdessen nicht Subversion genug gewesen, den Sendeplatz mit einem
guten Film zu okkupieren? Und all Kritik dadurch zu äußern, es
einfach besser zu machen als diejenigen, die man kritisiert?
Mittwoch, 19. Dezember 2018
Gemeinsam Gespenst sein – Das Kino von Christian Petzold
Der eisige Windhauch, der
aus den angestaubten Schnitträumen der Berliner Schule zu dringen
scheint, ist gar nicht so eisig. Aus den formalen
Selbstbeschränkungen dieser lose miteinander assoziierten
Filmemacher, die vielleicht eher eine Philosophie des Kinos eint,
auch gleichermaßen emotionale Kälte abzuleiten, wäre grob
fahrlässig, Und es entginge einem eine Vision vom Kino, die gerade
in der deutschen Kinolandschaft ein Gegengewicht zu verfilmtem
Geschichtsunterricht oder Komödien über Männer und Frauen bilden
könnte, indem es Platz für die Zwischenräume und Transitzonen
menschlicher Biografien lässt. Jene Orte also, an denen das Gespenst
sein Dasein fristet. Durch die Kino-Landschaften Petzolds geistert es
seit jeher. Seine Figuren streifen durch diese Landschaften immer
schwer nahbar, verloren, nicht wirklich da, nicht wirklich weg. Es wird schnell klar: das
Kino Petzolds ist nicht nüchtern, sondern schüchtern.
Intrinsische Charaktere,
keine Extrovertierten oder Paradiesvögel, sondern in sich brodelnde,
schüchterne Wesen, Einzelgänger, Grenzgänger bilden das
Gravitationszentrum seiner Filme, laden sie auf. Seine Figuren
wandeln auf Grenzen, bilden also eine Grenzerfahrung ab, schweben
irgendwo im Dazwischen, harren in Zonen des Übergangs aus. Es geht
immer um Gespenster, also die Vergangenheit und ihre Erfahrungen und
wie sie in die Gegenwart hineinwirkt, um die Zukunft zu gestalten.
Und es geht darum, wie sehr wir uns von unserer Vergangenheit
gefangen nehmen, lähmen lassen; wie deterministisch unsere Leben
vorgezeichnet sind, ob wir es auf Schienen durchfahren oder ob wir
vor einer leeren Leinwand stehen. Mit der Vergangenheit sind die
Schulden, mit denen wir beladen sind. Und da ist die Idee der
Absolution und die Frage, ob wir sie erwarten sollen, sie erwarten
dürfen.
Mit den Hauptfiguren
seiner Filme bin ich stets auf der Suche, oder auf der Flucht,
manchmal ist das eine nicht vom anderen zu unterscheiden. Seine Filme
zeichnet dabei eine eigentümliche impressionistische Qualität aus,
wenngleich er sich bisweilen in expressionistischen Formspielen
erprobt. Seine Figuren sind impressionistisch in dem Sinne, dass sie
verschlossen bleiben, nach innen gerichtet. Jedes Zeichen, das nach
außen dringt und anzeigen könnte, wie es um die Innenwelt der
Figuren bestellt ist, gilt es deswegen umso begieriger, umso
aufmerksamer zu deuten. Die Sichtung eines solchen Kinos – eines
des aufmerksamen, proaktiven Auf-die-Suche-Machens – erfordert
dementsprechend höchste Aufmerksamkeit. Petzold macht Angebote, gibt
versteckt Hinweise, aber er hält die Tür immer nur einen Spalt
offen.
Seine Figuren sind in der
Maskerade verfangen, spielen den anderen etwas vor, täuschen diese
und sich selbst, manchmal verliert sich ihre Identität und sie
stülpen sich eine neue über. Menschen sind dann nicht die, wofür
wir sie gehalten haben. Das ist das allzumenschliche, dem Petzold
stets mit schier unstillbarer anthropologischer Neugierde begegnet.
Manchmal gehen die Menschen auch von uns, aber weigern sich die
Szenerie zu verlassen. Sie werden zu Gespenstern. Wenn Petzold
romantisch wird, dann können sich seine Figuren plötzlich ohne
Spiel und ohne Falsch gegenüberstehen und miteinander sprechen,
aneinander anblicken und nichts sagen; können sich aber dennoch
erzählen, wie viel sie einander bedeuten ohne schüchtern zur Seite
zu blicken. Hier liegt sein Versprechen an die Gespenster des Kinos:
In der zwischenmenschlichen Begegnung überkommt man das
Gespenster-Dasein, versichert sich seines Wertes, stiftet Sinn; oder
man wird gemeinsam zum Gespenst.
Sonntag, 9. Dezember 2018
Feminismus falsch gedacht - "Damsel" [US '18 | David & Nathan Zellner]
Im Kern der Geschichte verbirgt sich
ein fatales Missverständnis: Samuel (Robert Pattinson) will seine
Angebetete aus den Fängen eines Kidnappers befreien, um sie dann an
Ort und Stelle zur Frau zu nehmen. Doch diese hat, wie lästig, ihren
ganz eigenen Willen. Die Damsel aus „Damsel“ möchte nämlich gar
nicht gerettet werden. Stattdessen will sie einfach nur in Ruhe ihr
Leben leben und hofft, ihr Glück in der Ehe
gefunden zu haben - wären da nicht all die aufdringlichen Männer,
die sich immer noch in den Zeiten eines John Wayne-Western wähnen.
Diese wollen Penelope entweder erobern, besitzen oder auch zur
Strecke bringen, sollten sich ihre Besitzansprüche an Penelope nicht
verwirklichen lassen. „Damsel“ will also ein feministischer
Western sein, tappt jedoch in dieselbe intellektuelle Falle wie seine
radikalsten Ausprägungen im Netz.
Die Frau stark zu machen, bedeutet
nicht einfach den Mann schwach zu machen. Und Ungleichbehandlung löst
sich nicht durch eine Invertierung solcher Machtstrukturen auf. Doch
statt eines Nebeneinanders legt der Film vor allem eine neue
Geschlechter-Hierarchie nahe. Penelope, trotz der Umstände
wundervoll gespielt von Mia Wasikowska, steht über den anderen. Den
Relikten eines totgeglaubten Genres tritt sie mit emanzipatorischer
Entschlossenheit entgegen. Diese Asymmetrie drückt sich vor allem in
der Charakterisierung der männlichen Figuren aus. Der zunächst als
Protagonist installierte Samuel erweist sich als selbstsüchtiger
Träumer, Parson Henry (David Zellner) versucht als rückgratloser
Windhund lediglich zu überleben (und wird nach einem jämmerlichen
Heiratsantrag abermals gedemütigt) und der Bruder ihres Mannes ist
sich noch nicht ganz sicher, ob er Penelope nun umbringen oder doch
zur Frau nehmen soll, um sie wie einen Gegenstand aus dem Erbe seines
Bruders in seinen Besitz zu überführen. Selbst der Ureinwohner, der
zu ihrer Rettung eilt, verschwindet im Morgengrauen mit ihren
Pferden.
Männer sind im Kern halt doch
ziemliche Arschlöcher, und wenn sie nicht gewalttätig sind, dann
sind sie schwach, gefühlsduselig, prinzipienlos oder schlichtweg
verrückt. In solchen Typisierungen drückt „Damsel“ vor allem
eine Rache- und Vergeltungsfantasie aus, durch die
das progressive Grundanliegen des Feminismus plötzlich einen
erschreckend erzkonservativen Anstrich bekommt. Als Rache für
Dekaden von Filmen mit fehlender oder falscher weiblicher
Repräsentation, bis hin zur blanken Frauenverachtung, gibt es nun
Filme wie „Damsel“, die die Positionen ins Gegenteil verkehren.
Dass der Film aus der Feder eines Brüder-Duos stammt, sollte hierbei
nur im ersten Augenblick überraschen. Schließlich sind es nicht
selten sich als politisch progressiv verstehende Männer, die in
ihrem Kampf für die Geschlechter-Gerechtigkeit weit über das Ziel
hinausschießen und aus deren bisweilen hysterisch betriebenen
Zelebrierung der Frau sich eine dialektische Gegenbewegung ergibt,
die in einer ebenso undifferenzierten Diffamierung des Mannes mündet.
Von der Lust des männlichen Liberalen an der Selbstkasteiung mal ganz zu
schweigen.
Aus der reizvollen Prämisse, nämlich
einer Frau, die den alten Gesetzen des Westens und den Konventionen
der Zeit als unüberbrückbarer Widerstand begegnet, könnte sich
sicherlich ein guter Film ergeben, zumal sich starke Frauenfiguren
auch zu den entbehrungsreichen Zeiten der Westward Expansion
historisch fundieren lassen. Aus dem feministischen Anliegen des
Filmes ergeben sich aber leider zunehmend Akte der Demütigung und
Verachtung, die kein Mann, also kein Mensch, verdient hat.
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