Samstag, 30. Januar 2016

"Laurence Anyways" [CA '12 | Xavier Dolan]

Ich verstehe diese Welt nicht. Warum ist hier jeder wie 'ne Nutte bepinselt? Und wo kommen diese grässlichen Tapeten her? Warum darf hier nur zwischen emotionalen Extremen geschwankt werden und jede Regung scheinbar nur wild gestikulierend, laut krakeelend ausgespien? Warum sind hier alle so voll von sich selbst und so falsch in Gesellschaft? Bei Streitgesprächen wackelt die Kamera und schwenkt was das Zeug hält, weil das ja die Desorientierung und innere Unruhe der Protagonisten direkt physisch spürbar macht. Zwischendurch pumpen Pop-Songs vergangener Dekaden und Leute von der Fashion-Week laufen in Zeitlupe Straßen hinunter – sowieso ein typisches Dolan-Bild. Vor lauter Gefühlen, Tränen und Schmerz in exaltierter Ausgestelltheit spüre ich in dessen dritter Regie-Arbeit aber leider gar nichts mehr. Und sein redundanter Inszenierungsstil wird in der exorbitanten Lauflänge umso deutlicher spürbar. Dolan ist nicht doof und seine Themen brisant. Es ist nicht so, dass sich hinter der verschmierten Mascara nur Leere verbirgt und hinter den Klamotten nur Plattitüden. Aber leider zieht er es vor über Penetranz, statt über Details zu erzählen. Und leider zieht er eine Welt vor, in der nur der gehört wird, der am lautesten schreit und der am buntesten gekleidet ist. Ein Ort voller extrovertierter Hedonisten, die der Welt den lackierten Mittelfinger entgegenstrecken und die Borderline zum Zuhause machen. Leider lebt dieser Dolan in einer anderen Welt und womöglich ist das auch okay und gar nicht so traurig wie ich mir einreden will. Filmliebhaber anyway. 

4/10 

Dienstag, 19. Januar 2016

"Community" [US '14 | Season 5]

Ich hätte nicht gedacht, dass ich nochmal derart in die Serie finden würde. Showrunner Dan Harmon fällt eine ganze Reihe kluger Entscheidungen: Das fängt schon beim Verzicht an, die unersetzlichen Weggänge Glover und Chase kompensieren zu wollen. Mit ihnen sterben auch ihre Figuren und Figurentypen - das ist konsequent und macht den Abschied auf lange Sicht leichter. Zudem kehren mit dem wunderbaren Jonathan Banks (für länger) und Brie Larson (für 2 Episoden) neue, sympathische Gesichter in den breiten Figurenpool von Greendale ein und Shirley, die im Ensemble immer etwas abseits und funktionslos agierte, als gelegentlicher Gegenspielerin ein anderes Gesicht zu verleihen, erweist sich als sinnvoller Schritt, weil er neue Räume erschließt und eine Figur der ersten Stunde ein Stück weit neu erfindet. Sogar Liebling Abed darf sich wie Jeff in entscheidenden Nuancen weiterentwickeln, während die aufgestockten Auftritte von Figuren wie Duncan, dem Dean oder Chang zu Recht deren großer Beliebtheit Rechnung tragen. Der Abschied von großen, übergreifenden Subplots ermöglicht es darüber hinaus, "Community" nun vollkommen befreit als Detail-versessene Gimmick-Serie für den Feierabend genießen zu können. Nicht mehr, aber auch kein Stück weniger. 

7/10 

Sonntag, 10. Januar 2016

"Ginger & Rosa" [UK, CA, DK '12 | Sally Potter]

Der Titel ist irreführend. Es ist Elle Fanning, und nur Elle Fanning, die hier die Last und den Schrecken des Kalten Krieges auf ihren Schultern trägt. „Ginger & Rosa“ ist ein Film über Ginger und nicht über Rosa. Bis zuletzt ist der Film von ihrem Blick bestimmt, der aus den persönlichen Unwegbarkeiten sich zwischen zwei abstoßenden Elternteilen wiederzufinden eine globale Katastrophe herleitet. Die klare zeithistorische Verortung erlaubt es hierbei natürlich auch die Gefahr ganz wirklich zu verstehen, wenngleich das Interesse von Regisseurin Sally Potter ganz deutlich bei der feuerroten Hauptfigur zu liegen scheint. Dafür vernachlässigt sie andere Parteien und nimmt der eigentlich brisanten Dreiecksgeschichte die Tiefe und verschiebt den Fokus spürbar. Großes Glück für den Film ist Elle Fanning, der die Zerrissenheit und das Aufwachsen in immerwährender Alarmbereitschaft von ihren Zügen abzulesen sind und die den Film mit Natürlichkeit und Ausdrucksstärke beschenkt. Potter weiß das und überlässt ihr konsequenterweise die Bühne. Und sie ergibt sich auch nicht den Mythen des Feminismus oder erliegt dem blinden Schrei nach „starken“ Frauenfiguren. Fanning darf, wie jede andere Figur, fallen, zweifeln und wachsen, während die Welt aus ihren Fugen gerät. Fast schon ein kleines Wunder. 

7/10 

Sonntag, 3. Januar 2016

Zuletzt gesehen: Dezember 2015

 "Captain Philips" [US '13 | Paul Greengrass] - 6/10

"Annie Hall
" [US '77 | Woody Allen] - 7/10

"A Very Murray Christmas" [US '15 | Sofia Coppola] - 6/10

"Lost River" [US '15 | Ryan Gosling] - 5/10

"Snowpiercer" [US, KR '13 | Bong Joon-ho] - 4/10

"South Park" [US '15 | Season 19] - 6.5/10

"Star Wars - The Force Awakens" [US '15 | J.J. Abrams] - 6/10

"Focus" [US '15 | John Requa & Glenn Ficarra] - 6.5/10

"Frankenweenie" [US '12 | Tim Burton] - 6/10

"Spectre" [UK '15 | Sam Mendes] - 4/10

"The Peanuts Movie" [US '15 | Steve Martino] - 7/10

"Youth" [IT, FR, UK '15 | Paolo Sorrentino] - 6.5/10

"A Million Ways to Die in the West" [US '14 | Seth MacFarlane] - 2/10

"Room" [CA, IE '15 | Lenny Abrahamson] - 7/10

"Moon" [UK '09 | Duncan Jones] - 4/10

"Trainwreck" [US '15 | Judd Apatow] - 4/10

"Hard Candy" [US '05 | David Slade] - 5/10

"Cobain: Montage of Heck" [US '15 | Brett Morgen] - 6/10

"Elena" [RU '11 | Andrey Zvyagintsev]

Ein präziser, gut beobachteter, vielschichtiger und komplexer Film, der viele Themenkomplexe anbietet, von denen sich jeder greifen mag, was er will. Mein „Elena“ erzählt in erster Linie von verschiedenen Formen der Gewalt – eine, die aus der Repression und Frustration erwächst und einer, die rituell die Zugehörigkeit zu einer Gruppe beschließt. Der erste Gewaltakt ist ein Resultat der Frustration um eine fast ausschließlich routinisierte Ehe, die in einer tristen Alltagswelt verortet ist. Zudem bricht sich im Mord am Ehemann auch die Frustration um unerfüllte Träume und die Machtlosigkeit im eigenen Lebensentwurf bahn. Elena verblieben begrenzte Handlungsoptionen, um aus dem Gefängnis Ehe auszubrechen und die Aussicht auf ein besseres Leben für die unterprivilegierte Familie ihres Sohnes zu erhalten. Der zweite Gewaltakt ist physischer, seinem sozialen Milieu entsprechend und im Grunde selbsterklärend. „Elena“ eint die Gesellschaft im Akt der Gewalt. Wo Gewalt in dem einen Milieu jedoch lediglich das tumbe, in gewisser Weise ehrliche Ausleben von Trieben bedeutet (ein Schlag in die Fresse provoziert eine konkrete, physische Reaktion), bedeutet es im anderen Milieu die vollständige Verrohung gesellschaftlicher Strukturen, die der Film in einem Dialog zwischen Vater und Tochter bereits nihilistisch andeutet. Elena's Mord geschieht aus Kalkül, sie infiltriert die High Society und lässt die Trainings-Anzug-tragenden, dauerschwangeren Langzeitarbeitslosen in ihre Paläste einkehren. „Elena“ entbehrt dementsprechend schon nicht eines gewissen, rabenschwarzen Humors. Auch wenn einem das Lachen bisweilen im Halse stecken bleiben möchte. Für das Leben im Elfenbeinturm!

6.5/10