Samstag, 29. August 2015

"Godzilla" [US '14 | Gareth Edwards]

Wow, überraschend toll. "Godzilla" ist ganz und gar nicht fehlerfrei, kommt am Anfang nicht ganz aus dem Schuh und hat am Figurenarsenal offenbar zugunsten der Effekte eingespart. Trotzdem ist das unterm Strich eine viel zu beeindruckend bebilderte Sause, um sie ernsthaft als gescheitert zu verbuchen. Edwards inszeniert das bis zum Ende äußerst sorgfältig, übersichtlich, mit ruhiger Hand und immer auf den besten Effekt bedacht. Und der liegt nunmal zumeist in der Zerstreuung der Sehenswürdigkeiten. Godzilla bleibt fortwährend eine Sensation, von der man nicht genug bekommen kann, einfach weil Edwards sie immer wieder als Sensation zu verkaufen weiß. Die feine Kameraarbeit und die kluge Integration von Displays und Fernsehbildschirmen, Nachrichtenschnipseln und POVs entrücken immer wieder die Perspektive und verstellen den Blick - das sorgt für ein Gefühl der Unmittelbarkeit und spielt auf sinnige Weise den Computereffekten zu, die auf sich alleine gestellt nur halb so eindrucksvoll gewesen wären. Die apokalyptischen Szenen in einem San Francisco vor dem Untergang gemahnen überdies an die Bilderwelten eines Lovecraft und machen die Ausmaßen des Monster-Clashs deutlich, während der atmosphärische Halo-Sprung wieder Mitten ins Geschehen versetzt. Aaron Taylor-Johnson einen ganzen Blockbuster im Alleingang schultern zu lassen, mag eine weniger kluge Entscheidung gewesen sein, tritt der unterstützende Cast doch entweder ab (Cranston), zurück (Watanabe) oder ganz einfach kaum auf (Olsen). Doch das macht in der letzten halben Stunde kaum noch einen Unterschied. Dann tritt Publikumsliebling Godzilla Ärsche, umhüllt von Nebel und verzerrt von lodernden Flammen. Edwards beschwört die Hölle herauf. Mir gefällt's.

6/10

Sonntag, 23. August 2015

All Eyes On: Jim Carrey

Jim Carrey ist eine Naturgewalt. Geboren und aufgewachsen in Newmarket, Ontario, Kanada. Zunächst in geordneten, gewöhnlichen Verhältnissen, dann in Armut. Bestärkt von einem Vater, der seinen Sohn das zu tun antrieb, was er sich selber nicht erfüllen durfte. Als Klassenclown mal mehr oder weniger erfolgreich, dann nach der Schule 8-Stunden-Schichten. Imitationstalent, Rampensau, Atheist, Spiritualist. Schwere Zeiten auf Prozac, dann wieder Grimassen-ziehender Comedy-Gott und nach sensationell erfolgreichen Karrieredekaden als zweifacher Globe-Gewinner Ende der 90er Jahre zum neuen Millennium mit abflauendem Erfolg und gefühlter Leinwand-Abstinenz. Kaufman-Verehrer und eher unernst Emma Stone-Stalker, zumindest ist das das, was er sagt. Womöglich der meistunterschätzte Schauspieler aller Zeiten und womöglich trotzdem der beste. In einer gerechten Welt stünde Carrey irgendwann in einer Reihe mit Brando und Chaplin. Als eigentlich unspielbare Maske im gleichnamigen "The Mask" die einzig denkbare Besetzung für das Comedy-Wunder der 90er, als Dummbacke und Paradiesvogel auch weitläufig als Brachial-Komiker bekannt. Das stimmt natürlich nicht. Nichts ist härter als Comedy. Dann als Truman in der Medien-Reflektion "The Truman Show" auch im Feuilleton am Start, weil der ja bekanntlich für alles Abseitige blind ist, ein Jahr später als Kaufman auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wieder war Carrey die einzig denkbare Besetzung. Er begreift das Kino als "the last place to tell the truth" und hat damit hoffentlich nicht recht, auszuschließen ist es aber nicht. Er war mit Gott auf der Leinwand zu sehen und durfte Cameron Diaz küssen. Er ist Redenschwinger, Verfechter der transzendentalen Meditation, empathischer Gefühlsmensch und Aufmerksamkeitssüchtig – aber wer ist das nicht? Ihm gehört die Bühne, wenn er sie betritt und er ist „the man of 150 faces“, weil die Eintausend dann doch zu viele waren. Er ist Interview-Gold und sollte unbedingt aufmerksamer geschaut werden. Zumindest der Meinung dieses Autoren nach.

Samstag, 22. August 2015

"New World" [KR '13 | Hoon-jung Park]

Die zweite Hälfte ist besser. Dann werden auch die dem Genre seit jeher inhärenten melancholischen Zwischentöne zugelassen, nicht zuletzt getragen vom tollen Score von Jo Yeong-wook. Zudem machen dann die desillusionierten, zerstörten Figuren Sinn und der entschleunigten Erzählweise wird durch knackige Wendungen der nötige Drive verliehen. Darüber hinaus weiß „New World“ seinen schönen Schlussgag vom Wolf im Schafspelz inszenatorisch auszuspielen, so wie es südkoreanisches Kino sowieso versteht, visuell alle Register zu ziehen. Trotzdem hinterlässt die erste Hälfte einen faden Beigeschmack: als Zuschauer bleibt nichts zu entdecken, keine Einzelheit selber zusammenzusetzen. Jede Figur handelt aus klaren Motiven heraus, Raum für Ambivalenzen, Mysterien und Andeutungen gibt es nicht. Die sparsam eingestreuten Eskalationen können die Koreaner aber einfach, auch wenn man sich dafür vorher durch eine lauwarme „Infernal Affairs“-Soße löffeln muss.

5/10

Sonntag, 16. August 2015

"Irréversible" [FR '02 | Gaspar Noé]

Die Kamera suchend, rotierend. Cameo eines schweinsköpfigen Menschenfeindes, der gerne seine Tochter bumst. Rektal-Untersuchung, durch endlose Schläuche, pulsierend, ins Rektum. Ein schwarzes Loch, die Wände schwitzen, der Boden bebt unter unaufhörlich treibenden Elektrobeats. Wer hat Le Tenia gesehen? Kennst du Le Tenia? Ist Le Tenia hier? Blas' mir einen! Fiste mich! Fiste mich! Die Schwuchtel bumsen im Verborgenen, weil sie anderswo nicht geduldet werden. Das Rektum ist ihre Parallelgesellschaft. „Irreversibel“ findet hier seinen Anfang, und sein Ende. Der Akt der Rache erreicht hier seine Endgültigkeit, die fatalistische Wendung folgt später. Auf eine Interview-Frage hin, die mögliche Homophobie seines Filmes betreffend, machte Noé nur darauf aufmerksam, dass er sich ja selber masturbierend im Rektum platziert hätte. Quasi präventiv, um den zu erwartenden Vorwürfen etwas handfestes entgegensetzen zu können. Zumindest spricht diese Maßnahme für einen nicht vollkommen unreflektierten Filmemacher mit einem Bewusstsein um Außenwirkungen. Dementsprechend dürften die albernen Reaktionen unprofessioneller Erfüllungsgehilfen in Cannes für Noé nicht sonderlich überraschend gewesen sein - medienwirksam waren sie sowieso. Jede Diskussion um Homophobie ist „Irreversibel“ am Ende des Tages zuträglich. Und doch ist sie nichts wert. „Irreversibel“ ist gegen alles und jeden und damit schlussendlich gegen nichts. Homosexualität, Travestie, Immigration – sie alle sind hier negativ konnotiert. Selbst der sonst so besonnene Lehrer – gebildet, weiß, gut situiert – zermatscht die falsche Visage, sein Kumpel ist ein homophober Hitzkopf, der sich - wenn es drauf ankommt - den Arm brechen lässt und der Vergewaltiger ist einem Cartoon entsprungen. Alles in „Irreversibel“ geschieht aus egoistischen Motiven heraus. Die Nacht ist so finster, dass man glaubt, es gäbe keinen Morgen mehr. Und die einzige Möglichkeit der Nacht zu entfliehen, besteht darin, die Zeit zurückzudrehen.

Samstag, 8. August 2015

"Coherence" [UK, US '13 | James Ward Byrkit]

Man sollte sich nicht den Kopf über „Coherence“ zerbrechen. Was nicht bedeutet, man könne sich hier nicht auch ein zweites oder gar drittes Mal auf die Suche nach Antworten machen. Dennoch gilt es ihn, ohne es sich zu einfach machen zu wollen, doch in erster Linie zu erleben, statt jedes liebevoll arrangierte Detail, jede beiläufige Andeutung und jedes vielsagende Wort entschlüsseln zu müssen, um so möglicherweise einem Gesamtkonzept intellektuell beizukommen, das bei „Coherence“ nicht am Anfang aller Überlegungen stand. Die Entstehungsnotizen schaffen dahingehend Klarheit: Ganz am Anfang stand ein Wohnzimmer, eine Kamera und eine Gruppe fähiger Schauspieler. Geld: gerade nicht flüssig. Crew: nicht ganz beisammen. Also musste eine Idee her, die fähig war diese Elemente zu bündeln und damit schlussendlich auch den ökonomischen Limitationen Hehr zu werden, die sich Debütant James Ward Byrkit mit seinem ersten Langfilm-Projekt boten. Am Anfang also stand keine Idee, sondern statische Rahmenbedingungen. Die Idee entstand schließlich im Zuge einer Lösungssuche. Sie ist zweckgebunden und notwendig und nicht Ausdruck irgendeines konkreten, künstlerischen Bedürfnisses. „Coherence“ steht zudem in der Tradition von Effektfilmen - und ein Magier verrät niemals seine Tricks. Insofern ist „Coherence“ zweckdienlich inszeniert, im ersten Drittel gar atemberaubend spannend und vergisst trotz allem seine Figuren nicht. Und selbst wenn gen Ende Auflösungserscheinungen an ihm zehren, der doppelte Boden sichtbar wird, allein für dieses wunderbar freie Gefühl sich ausbreitender Möglichkeiten und der unendlichen Kraft eines Gedankenspiels sollte „Coherence“ ganz dringend geschaut, genossen und meinetwegen auch entworren werden.

6.5/10 

Sonntag, 2. August 2015

"Parasyte" [JP '14 | Staffel 1]

Ich bin es leid. Geben Anime-Serien in ihrer Synopsis zumindest noch Freunden phantastischen Quatsches Grund zur Vorfreude, hat sich das doch spätestens mit der Installation von Nicht-Figuren und deren Konstellationen endgültig erledigt. Im auf der Stelle treten macht den Japanern solange niemand etwas vor und angesichts der lediglich auf der Texturen-Ebene variierten Figuren-Schablonen und behaupteten Konflikte neigt man schon beinahe dazu handelsüblichen Hollywood-Filmen avantgardistischen Wagemut zu unterstellen. Auch "Parasyte", produziert im Jahre 2014, erdacht in den späten 80er Jahren, macht nichts neues. Nach wie vor muss Anime-Tussies an die Glocken gefasst werden, um auch die Jüngeren abzuholen, nach wie vor dürfen Frauenfiguren, ihrer angestammten Rolle entsprechend, den Männern das Essen kochen, schmachtend, sich im Kreis drehend einem Vollidioten ergeben oder einfach nur, so weit, so doof, vollkommen unerträglich sein. "Parasyte" greift auf bewährte Strukturen zurück, ist stockkonservativ und repräsentiert ein anti-progressives, frauenfeindliches Bild japanischen Zeichentricks, das man nach wie vor viel zu oft ertragen muss und das diesem "Genre" - leider nach wie vor von Quatsch wie diesem dominiert - in keinem Aspekt gerecht wird.

2/10

Samstag, 1. August 2015

Zuletzt gesehen: Juli 2015

"Concussion" [US '12 | Stacie Passon] - 5/10

"The Babadook" [AU '14 | Jennifer Kent] - 5/10

"Groundhog Day" [US '93 | Harold Ramis] - 7/10

"Last Life in the Universe" [JP, TH '03 | Pen-Ek Ratanaruang] - 8/10

"Shortbus" [US '06 | John Cameron Mitchell] - 6/10

"Phoenix" [DE '14 | Christian Petzold] - 7/10

"Pain & Gain" [US '13 | Michael Benjamin Bay] - 4/10

"Das finstere Tal" [AT, DE '14 | Andreas Prochaska] - 5/10

"World War Z" [US, MT '13 | Marc Forster] - 4/10

"Shi" [KR '10 | Chang-dong Lee] - 7/10

"Lincoln" [IN, US '12 | Steven Spielberg] - 5.5/10

"The Thin Red Line" [US '98 | Terrence Malick] - 6/10

"Romance & Cigarettes" [US '05 | John Turturro] - 5/10

"Charade" [US '63 | Stanley Donen] - 5/10

"All the Boys Love Mandy Lane" [US '06 | Jonathan Levine] - 2/10

"Endstation Sehnsucht" [US '51 | Elia Kazan] - 5/10

"Eyes Wide Shut" [UK, US '99 | Stanley Kubrick] - 7/10