Keine locker-leichte
Impro-Show, vielmehr eine zutiefst traurige Beziehungs-Studie. Der
Elektrizität der Stadt weicht hier alsbald die lähmende Stille
einer verzweifelten Landflucht. Am Seeufer tritt zutage, was in der
Stadt noch vergraben war, aber von jeher angelegt. War es in Lass
Vorgängerwerk noch seine eigene Figur, die in der stetigen
Auseinandersetzung mit einem ausgeprägten Mutterkomplex durch sein
Liebesleben stolperte, ist es nun die Figur seiner Freundin, die in
den Armen älterer Männer auf Vatersuche geht. Wie in all seinen
Filmen sind es pathologische Strukturen, die schlussendlich auch
jeden Beziehungsverlauf determinieren. Formal ist das so ungezwungen
wie das Spiel seiner Darsteller, aber auch „all over the place“,
fragmentarisch, Impuls-getrieben, bisweilen kaum nachvollziehbar.
Darin liegt die Großartigkeit der Filme des Berlin Flow, denen man
in ihrer Verweigerung gegenüber herkömmlichen
Storytelling-Anleitungen manchmal euphorisch zujubeln möchte. Auch
weil diese Verweigerungshaltung sich nicht in anderen Dogmen
manifestiert, sondern man das Gefühl bekommt, dass hier nach wie vor
Filmemacher am Werk sind, die ihre intimsten Erinnerungen einem
filmischen Übersetzungsprozess zugänglich machen. Kein Bullshit
also, sondern Gefühlswelten und Ängste, unangenehme, schmerzhafte
Beobachtungen, die in ihrer Beiläufigkeit erst ihre Wirkkraft
entfalten; wenn die eigenen Fantasien scheitern und nichts übrig
bleibt als das Gefühl, dass du dich schämen müsstest dafür zu
denken; notfalls zu viel und in die falsche Richtung. Spricht man
über den modernen deutschen Film, muss man auch dringend hierüber
sprechen.
Montag, 21. Mai 2018
Donnerstag, 10. Mai 2018
"Ende eines Sommers" [FR '08 | Olivier Assayas]
Ich benötigte eine geschlagene Stunde,
um mir einen Reim darauf zu machen, wovon dieser Film eigentlich
erzählte. Das sind immerhin Zweidrittel der gesamten Laufzeit, die
ich so im Dunkeln verbrachte - nachdenklich, hadernd, suchend. Und
bitte versprechen Sie mir, nicht zu gehen, wenn ich Ihnen verraten
habe, was ich entdeckt habe. „Ende eines Sommers“ handelt nämlich
von alledem, das zunächst kalt, dinglich und seelenlos erscheint. Er
handelt von Objekten, die zu Artefakten werden, von Orten, die mit
den Hinterlassenschaften eines Toten beladen sind und denen jedes
Leben entwichen ist. Er handelt vom Schreibtisch - dem alten, der
Kommode - der hässlichen, der Vase - der seltenen. In gewisser Weise
handelt also auch „Ende eines Sommers“ von Gespenstern, oder doch
zumindest von den Dingen, die ihre Anwesenheit indizieren. Und er
erzählt von der seltsamen Praktik der Menschen, ein Leben lang die
Dinge anzusammeln, als Ausdruck eines Selbstverständnis, aber auch
als Teil eines Selbst, diese Dingwelten mit Bedeutungen aufzuladen
und die intimsten Erinnerungen an sie zu ketten; er erzählt davon,
sich in der Materialität der Dinge etwas gewiss zu werden, das sonst
so unfassbar durch die Gedanken schwebt. Mit dem Ende eines Lebens
stehen diese Dinge nur noch da, als Ankerpunkte und
Erinnerungsfragmente an einen Menschen.
Auf die Brutalität des Todes folgt
gleichsam die Brutalität der Bürokratie, die die Dinge nach ihrem
Verkaufswert evaluiert, Bestände aufteilt und sie aus der Sphäre
des Privaten herauslöst, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu
machen – institutionalisiert, mit Sachverstand kommentiert und in
weiten, kalten Räumen ausgestellt. Der Film erzählt deswegen auch
von musealen Praktiken und dem verzweifelten Versuch der
Vergangenheit materiell fassbar zu werden. Welchen Sinn hat die Vase
in der Glasvitrine, mit Samthandschuhen präpariert, wenn sie keine
Blumen trägt? Assayas ist parteiisch, nähert sich der Institution
aus den intimen Erinnerungen einer weit verstreuten Familie heraus –
und doch gelangt er zu einer ganz profunden Erkenntnis: Die
Vergangenheit lässt sich nicht konservieren und sie haftet den
Dingen nicht für ewig an – sie verblasst. Assayas verlässt das
Museum und wischt den Staub von den Tischplatten. Das Gottverlassene
Haus lässt er von Jugendlichen bevölkern, die die Räume der
Vergangenheit mit neuen Bedeutungszuschreibungen überschreiben –
indem sie dort eigene Erinnerungen erschaffen. Hinter den letzten
Bildern des Films steht nichts als Zuversicht und Vertrauen. Auf den
Tod folgt das Leben, aber auf das Ende des Sommers folgt... der Sommer!
Samstag, 5. Mai 2018
Zuletzt gesehen: April 2018
"Heat" [US '95 | Michael Mann] - 10/10
"Gladiator" [US '00 | Ridley Scott] - 4/10
"A River Runs Through It" [US '95 | Robert Redford] - 7/10
"DC: Die azurblaue Piratenflagge" [JP '07 | Taiichiro Yamamoto] - 4/10
"DC: Die Partitur des Grauens" [JP '08 | Taiichiro Yamamoto] - 6/10
"DC: Der nachtschwarze Jäger" [JP '09 | Taiichiro Yamamoto] - 5/10
"The Terror" [US '18 | Season 1] - 5/10
"Zero Dark Thirty" [US '12 | Kathryn Bigelow] - 4/10
"Kiss Me Deadly" [US '55 | Robert Aldrich] - 6/10
"Dawson's Creek" [US '98 | Season 1] - 5/10
"The Life and Death of 9413" [US '28 | Slavko Vorkapich] - 8/10
"Das Cabinet des Dr. Caligari" [DE '20 | Robert Wiene] - 7/10
"Jason Bourne" [US '16 | Paul Greengrass] - 5/10
"Our Hospitality" [US '23 | Buster Keaton & John G. Blystone] - 8/10
"Sherlock Jr." [US '24 | Buster Keaton] - 9/10
"Three Ages" [US '23 | Buster Keaton] - 5/10
"The Navigator" [US '24 | Buster Keaton & Donald Crisp] - 6/10
"Seven Chances" [US '25 | Buster Keaton] - 6/10
"Go West" [US '25 | Buster Keaton] - 5/10
"Bad Timing" [US '80 | Nicolas Roeg] - 6/10
"Virgin Mountain" [IS '15 | Dagur Kári] - 6/10
"You Were Never Really Here" [US '17 | Lynne Ramsay] - 8/10
"Phantom Thread" [US '17 | Paul Thomas Anderson] - 6/10
"Star Wars: The Last Jedi" [US '17 | Rian Johnson] - 4/10
"Kein K.O." [FR '16 | Xavier Sirven] - 7/10
"Thor: Ragnarok" [US '17 | Taika Waititi] - 3/10
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