Anlässlich der Internationalen
Filmfestspiele in Berlin und dem diesjährigen Jury-Präsidenten Wong
Kar-Wai zeigten die Öffentlich-Rechtlichen die vergangenen Tage und
Wochen einige ausgewählte Werke des renommierten "Arthaus-Regisseurs"
aus Hongkong. Grund genug für mich ebenfalls mal einen etwas genaueren Blick auf
dessen Filmographie zu werfen, zumal das Asia-Kino in der
Vergangenheit bereits einige kostbare Perlen für mich bereithielt
und ich den Eigenarten solcher Produktionen bislang sehr positiv
gegenüberstand. Es folgen also erste Eindrücke, die ich nach
inzwischen fünf Werken Wai's gewonnen habe...
Um eines gleich voranzustellen: Kar-Wai-Filme sind
anstrengend, sperrig, leise, sinnlich und schlicht anders. Einen
Zugang zu seinen Filmen zu finden, erweist sich als schwierig, kann
aber erleichtert werden, wenn man seine grundsätzliche
Herangehensweise an das Filmschaffen als solches erst einmal verstanden
hat. Laut eigenen Aussagen liegen seinen Werken nämlich keine konkreten
Drehbücher zugrunde. Stattdessen ist der Ansatz Wai's ein sehr
intuitiver, sodass viele Szenen nicht selten aus Situation, Stimmung
und Improvisation entstehen und sich von dort aus weiterentwickeln. Ein Ansatz, der den Darstellern eine
gesonderte Rolle zugesteht, gleichzeitig aber auch neben den
schauspielerischen Fertigkeiten ein entsprechendes Verständnis von
Narration und Bildsprache, Form und Inhalt voraussetzt.
Besonders deutlich wird dieser sehr
unkonventionelle Ansatz in „Ashes of Time“ (1994; 2008 Neauflage
in der Redux-Version, welche im folgenden besprochen wird). Selten
folgt der Film einer klaren Dramaturgie, versagt sich beinahe gänzlich
konventionellen erzählerischen Konzepten und scheint fast meditativ
in seiner Wirkung. Wai steht ganz in der Tradition des phantastischen
Wuxia-Films (Wikipedia), lässt auf hörbare Stille plötzlich
jeden physikalischen Gesetzen spottende Schnetzel-Orgien folgen und
stellt damit gerade westliche Sehgewohnheiten (und damit nicht
zuletzt die meinen) erheblich auf die Probe. Immer ist ein Wai-Film
auch mit dem regelmäßigen Blick auf die Uhr verbunden und dem
gleichzeitigen Ehrgeiz einen Zugang zu diesen schwierigen,
theatralischen Figuren und den unwirklichen Welten zu finden.
Thematisch, wie zeitlich verorten sich
schließlich gleich drei Filme Wai's im Hongkong (bzw. Shanghai) der
60er Jahre. Sowohl das großartige Frühwerk „Days of Being Wild“
(1990), als auch „In the Mood for Love“ (2000) und schließlich
„2046“ (2004; welcher auch ganz konkrete Zusammenhänge zum
vorigem herstellt) liegen die selben Themenkomplexe zugrunde. Wai's
Figuren sind immer Betrüger und Betrogene zugleich; Getriebene, die
entweder aus eingefahrenen Zuständen und schnöden
Beziehungsverhältnissen auszubrechen versuchen oder sich diese nicht
eingestehen möchten. Und immer ist es die Sehnsucht nach Ausbruch,
die Wai inmitten klaustrophobischer Wohnhaus-Architekturen zu
thematisieren versteht.
Seine Figuren scheinen ziellos,
Geschichten verharren in Repetition und Zeitraffer-Montagen, ebenso
wie die auditive Untermalung, welche sich oft auf nur wenige, sich
wiederholende Stücke beschränkt. „Days of Being Wild“ ist aus
dieser Reihe besonders hervorzuheben; dieses rohe, hemmungslos
theatralische Frühwerk Wai's mit seinen feinen Beziehungsstrukturen,
den Irrungen und Wirrungen, dem ganzen Gefühlschaos und endlich
einmal einem formalen Konzept, welches seinen Darstellern nicht im
Wege steht, sondern diesen eine unaufgeregte Bühne bereitet.
Der 2007
folgende „Blueberry Nights“ bedeutet schließlich das Betreten
fremden Terrains: Kar-Wai dreht seinen ersten Film in den USA, mit
amerikanischen Darstellern und einer vergleichsweise konkreten, fast
schon konventionellen Narration. Neben Jude Law und Natalie Portman, setzt Wai auf die schauspielerisch bis dahin gänzlich unerfahrene
Soul und Jazz-Musikerin Norah Jones.
Und
genau hier liegt bereits ein ganz arges Problem: So sehr es Wai
nämlich auch versteht Jones mit einer angenehm zurückgenommen
geschriebenen Figur entgegenzukommen, so schwer fällt es dieser wiederum den
Film alleine zu tragen. Bis auf abgedroschene Phrasen (Sie hat den
langen, statt des kurzen Weges gewählt), einer niedlichen, aber nie
mitreißenden Protagonistin und einem tollen Ensemble (David
Strathairn, Rachel Weisz, Law/Portman) bleibt „Blueberry Nights“ zumeist nichtssagender
Kaffeetratsch, der zudem auf halber Strecke versandet.
Vielleicht also steckt hinter diesem
Stil, diesem penetranten Bestehen auf Wiederholungen und
melancholischer Elegie ein Genius, das ich bislang nicht zu verstehen
vermochte. Vielleicht finde ich ja irgendwann einen vollkommenen Zugang zu diesen
Welten, diesen fast surrealen Erlebnissen, vielleicht bleibt mir ein
solcher aber auch auf ewig verwehrt. Vielleicht steckt hinter seinen
Filmen auch einfach nicht mehr als das Offensichtliche. Vielleicht
ist es tatsächlich nur wahrhaftige Schönheit, die Wai zu bebildern
versucht; das Zelebrieren des Moments, welches im Mittelpunkt steht.
Vielleicht geht dessen Interpretation von Kunst aber auch einfach nicht mit der meinigen konform. Und vielleicht
wäre das auch vollkommen in Ordnung, weil es einem Diskurs über
diese Kunstform als solches nur zuträglich ist, wenn verschiedene
Standpunkte und Sehgewohnheiten beidseitig in einen Dialog eintreten
und zu einer gewissen kritischen Distanz anhalten. Vielleicht bin ich
auch nur zu dumm, und Wai zu schlau. Vielleicht ist es auch andersrum...