Selbst der harte Brite mit dem
süffisanten Grinsen im Gesicht (Karl Urban) sitzt hier irgendwann
mit dem Protagonisten auf der Parkbank und erzählt von seinen
persönlichen Verlusten, den Schmerzen, die sie verursachen und dass
er diesen deswegen total verstünde. Vermutlich ist das diese
Charakterisierung von der immer alle erzählen und die ist immer ganz
leicht daran zu erkennen, dass die Stimmen der Schauspieler ganz tief
werden und der Blick glasig in der Erinnerung erweicht und filmisch
ist das im Grunde immer Schuss/Gegenschuss und ich könnte jedes Mal
vorspulen, wenn ich mir diese so säuberlich getrennten Dramaparts in
amerikanischen Serien antun muss, um die guten Sachen sehen zu
dürfen, bzw. die Dinge, die es nur dort zu sehen gibt. Zum Beispiel
eine Gruppe zusammengewürfelter Jungs, die einen unzerstörbaren,
unsichtbaren Superheld gefangen halten und darüber rätseln, wie sie
ihn töten könnten, während eine Art Superman über die Stadt
hinwegfegt und nach seinem Helden-Kollegen Ausschau hält; den Jungs
geht der Kackstift, das ist nur verständlich und der
Perspektivwechsel macht Spaß, wo man im Kino doch bislang stets auf
der Seite der Helden stand und selten gegen ihn agieren musste. Ganz
plötzlich werden so die Nachteile absolut konzentrierter Macht
deutlich.
Die Spaßigkeiten dieser
unkonventionellen Prämisse gestaltet "The Boys" aber
leider allzu konventionell aus. Das ewige Gelaber habe ich bereits
erwähnt, jedes Trauma wird sich erzählt, jede Motivation, gerade
dies oder jenes zu tun, ausführlich dargelegt und besprochen, damit
auch ja nichts ungesagt bleibt. Das ist dann auch immer ganz klar von
den schwarzhumorigen Teilen der Serie getrennt, wenngleich man sich
auch hier eher auf dem pubertären Gewalt-ist-geil-Niveau anderer
Superhelden-Stoffe bewegt, die R-Rating mit Erwachsenenunterhaltung
verwechseln. Die Serie hat zudem ungleich höhere Ambitionen und
möchte sich offenbar darüber hinaus, oder zuvorderst, als kritische
Satire auf, ja, eigentlich alles verstanden wissen, das in den USA
irgendwie eine geeignete Zielscheibe abgibt. Die Superhelden-Branche
ist gänzlich privatisiert, die Medien und sozialen Netzwerke dienen
als nützliche Mittel zu ihrer Vermarktung, die Politik wird im
Verborgenen manipuliert und die Kirche stülpt den Brands der
Superhelden auch noch irgendwelche Erlöser- und Erretter-Mythen
über. Überhaupt sind die Mächtigen hier alle korrumpiert und alle
tragen Masken und dahinter gilt es dann das wirkliche, das -
natürlich - tief böse Gesicht der vermeintlich altruistisch
agierenden Superhelden zu erkennen.
Dazu gibt es dann Bilder, die man eben
erwarten kann, wenn im Fernsehen über Macht erzählt wird: falsche
Reden, falsches Grinsen, falsches Winken vor jubelnden Massen,
während man hinter vorgehaltener Hand die Wahrheit spricht. "The
Boys" ist die Serie für den Verschwörungstheoretiker, der
glaubt, über eine 2 stündige Internetrecherche die Verästelungen
der Macht durchschaut zu haben und sich in jedem Vorurteil über
Macht und Personen der Macht bestätigt sehen darf. Gerade ästhetisch
bleibt bei alledem jedoch wenig hängen, vielleicht der Schuss von
Homelander (Superman), wie man ihn durch das Fenster eines Flugzeugs
am dunklen Nachthimmel erblickt und dieser einem kleinem Jungen im
Flugzeug zuwinkt, ehe sich seine Augen rot färben und er das
Flugzeug gewaltsam vom Himmel holt. Diese Szene ist auch
stellvertretend für das, was die Serie einem am besten vermittelt:
die Angst der Menschen vor den Helden und ihren gottgleichen
Fähigkeiten, sogar die Angst und Skepsis der Superhelden
untereinander. Die Herangehensweise Snyders bei seinem großen
Superhelden-Clash, nämlich die Helden ganz ernsthaft in die
gegenwärtigen Machtstrukturen zu situieren, nimmt „The Boys“
wirklich ernst, findet bei Zeitlupen-Gore und cooler Musik aber zu
keinen erhellenden Einsichten.