Freitag, 31. Oktober 2014

"Eden Lake" [UK '08 | James Watkins]

Kompromisslos asozial. So erbarmungslos und unbarmherzig zupackend, so konsequent zu Ende gedacht hätte ich „Eden Lake“ überhaupt nicht eingeschätzt. Auf seinem fatalistischen (auch in der FSK-18-Fassung geschnittenen, weil hierzulande indizierten) Weg nervt Watkins zwar in aller Regelmäßigkeit mit abgehangenen Genre-Klischees (Freundin erschrecken heißt Zuschauer erschrecken; beklopptes „Versteck-hopping“ inklusive), dennoch zwingt dich „Eden Lake“ fortwährend dazu sich zu positionieren und Stellung zu beziehen, womit er bereits einer Vielzahl emotional schlichtweg an dir vorbeiziehender Genre-(Tot)Geburten einiges voraus hat.

Interessant ist auch, wie Watkins – ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt – mit den Erwartungen des Zuschauers spielt. Während der obligatorischen, zunächst fast ausschließlich von emotionalen Hochmomenten getriebenen Einführung (ein Kontrast, den fast jeder Genre-Vertreter im Vorfeld seiner Tour de Force bemüht), nimmt Watkins immer wieder die Perspektive eines unbekannten Beobachters ein, der das campende Pärchen (Michael Fassbender & Kelly Reilly) aus den Büschen heraus observiert. 

Zuvor schon lernen wir eine Gruppe Jugendlicher kennen, die sich alsbald als wahre Bedrohung erweisen. Dennoch lässt uns Watkins zunächst in dem Glauben, in den Büschen würde uns etwas anderes erwarten. Womöglich etwas, das außerhalb eines realen Bezugspunktes liegt und das damit auch eine gewisse Distanz ermöglicht, die einem „Eden Lake“ schließlich verwehrt. Er schafft im Grunde das Äquivalent zum Monster unter dem Bett oder im begehbaren Kleiderschrank, vor dem wir uns in unserer Kindheit immer gefürchtet haben. Heute erkennen wir, dass diese Angst irrational war und ohne jede Grundlage. „Eden Lake“ streut also eine Finte, um schließlich einen anderen Weg zu beschreiten.

Wir sehen die Bedrohung, als sie noch potenziell war. Wir sehen jedes einzelne Gesicht, können sogar einem Dialog beider Seiten beiwohnen, dennoch erwächst hieraus der Horror des Films. Dieser Horror ist real. Dieser Horror hat ein Gesicht und eine Stimme. Das psychologische Phänomen der Gruppendynamik, das in diesem Fall ganz entscheidend unter dem Einfluss seines sozialen Umfeldes steht, in ein Genre-Korsett zu zwingen und nur oberflächlich als dramaturgische Antriebsfeder zu nutzen, mag generell diskutabel sein, trotzdem liefert „Eden Lake“ interessante Eindrücke, die während der Sichtung tatsächlich einen spürbaren Mehrwert generieren.

Zwar begreift Watkins letztlich alle Beteiligten als Täter, die gesamte Eskalation geht aber interessanterweise nur von einer einzigen Führungspersönlichkeit aus, die die gruppendynamischen Mechanismen gezielt bedient. Obwohl nur eine Person aktiv Druck ausübt, damit droht die Rollen ins Gegenteil zu verkehren, beugt sich der Rest der Gruppe seinem Willen. Es ist jedoch nicht nur die Angst vor der angedrohten Gewalt, die die Jugendlichen zu gewaltbereiten Mitläufern werden lässt, sondern auch die davor, ausgegrenzt zu werden, nicht mehr Teil von etwas zu sein. Also ist man lieber Teil von etwas, das einem grundlegend widerstrebt, als alleine zu sein. Ein Leben verliert da ganz plötzlich seinen Wert. Zudem finden sich die selben hierarchischen und Gruppen-psychologischen Zusammenhänge auch in der vorigen Generation wieder, die die Menschenjagd schlussendlich beschließt und jede Frage von Verantwortlichkeit in einem wütenden Reflex erstickt. - Einfältig? Mag sein. Langweilig? Nicht doch.

5/10

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