Montag, 14. Januar 2019

Die letzte Einstellung aus "Private Life" [US '18 | Tamara Jenkins]


Rachel (Kathryn Hahn) und Richard (Paul Giamatti) sitzen gemeinsam auf einer Bank in einem Diner. Sie warten. Sie warten solange bis der Lauftext des Abspanns über ihre Gesichter hinweg zu laufen beginnt. Sie halten einander die Hände, der Blick gespannt zur Eingangstür gerichtet. Das Warten betrifft dabei nur auf der ersten Ebene das auf eine Person. Auch die Angst in ihren Blicken geht weit über die Befürchtungen hinaus, diese Person könnte nicht kommen. Die Szene ist viel radikaler als das. Die Radikalität liegt in den Widersprüchen, die das Arrangement der Szene und die Gesten ihrer Figuren offenbaren. Sie hinterlassen eine Leerstelle. Richard setzt sich zu ihr, nimmt ihre Hand, sie lächelt. Durch die Funktion der Szene als Rückgriff auf eine ganz ähnliche früher im Film (dort warteten sie vergeblich auf eine im Internet gefundene Leihmutter) entsteht ein Kontrast, der zugleich eine charakterliche Fortentwicklung anzeigen soll. Richard handelt im Kontrast zum ersten Mal im Diner, signalisiert zärtlich Zuneigung und Zusammengehörigkeit, indem er sich zu ihr setzt, ihre Hand ergreift. Ihr Lächeln belohnt sein Handeln. Gemeinsam gehen sie um mit Zurückweisung und Enttäuschung, verhalten sich zu ihr – allen Rückschlägen, jeder Scheiße, die das Leben zu werfen bereithält, zum Trotz. Und doch liegt da noch etwas anderes in ihrem Blick; etwas, das weit darüber hinaus weist. Denn von diesem wartenden Pärchen geht allen demonstrativen Zeichen zum Trotz keine Geschlossenheit aus, kein Zusammenhalt. Am Ende des Filmes steht keine unzertrennliche Einheit, ebenso wenig wie ein pragmatischer Lebensbund. Sichtbar werden stattdessen zwei Menschen, die für sich genommen einsam sind. Und da ist nicht die Angst, dass dieser jemand nicht kommen könnte, sondern dass einfach nichts mehr kommt, oder nie etwas, irgendetwas, da war. Ihr Begehren ist beständig wirksam, es trennt sie, eint sie, lässt sich aber nie endgültig befriedigen. Es gebraucht keiner großen Fantasie, um für sich selber eine Heimat in diesen verlorenen Blicken zu finden und in all den kaum auszuhaltenden Widersprüchen, die sie ausdrücken sollen. Sie sitzen dort als Getriebene, nämlich als Menschen. Ich sitze dort, und kann ihrem Blick nicht entgehen.