"Game of Thrones"
nervt das erste Mal ein bisschen. Und das über die gesamte Staffel
hinweg - an kleinen, aber entscheidenden Stellen. Wie jemand, der dich alle zehn Minuten mit einem Zahnstocher pikst, über zehn
Wochen verteilt. Dabei vermag die Serie nach wie vor mitzureißen und zu bannen. Nur scheinen die Macher auf sich alleine gestellt verloren: Dorne ist staubtrockenes, pseudo-dramatisches
Figurengeschiebe, dessen Sinn einzig und allein darin besteht,
zentralen Figuren etwas zu tun zu geben, solange andere
Handlungsstränge (King's Landing) aus ihrer Abstinenz (Jaime)
zerfasertes Seemannsgarn spinnen können.
Die Sand Snakes nerven
besonders. Sie markieren die "starken" Frauen (weil ja jede
Frau, die nicht stark ist, automatisch weniger feministisch), die
jene Form von Feminismus repräsentieren, wie ihn sich vermutlich
(oder hoffentlich) nur männliche Serienmacher ausdenken können.
Wären die Sand Snakes Männer, würden sie Machos genannt - und das
zu Recht. Dass man Machos in die Lebenswirklichkeit der Serienwelt
einschließt ist dabei vollkommen konsequent, und wird mit Bronn seit
Jahren von einer der beliebtesten GoT-Figuren genüsslich
ausgespielt. Möchte man diesem Macho nun also ein weibliches Pedant
gegenüberstellen, im Zuge einer seltsam gearteten Form von
Gleichberechtigung, sollte man den Hardlinern unter den
feministischen Filmtheorien jedoch nicht so dilettantisch in die Hände
schreiben. Der Blick auf die Sand Snakes ist immer männlich kodiert.
Er ist nur der Titten-Quote verpflichtet, und keinem Stück seinen
Buchfiguren.
Zudem kehrt nun auch der
religiöse Fanatismus in Westeros ein und mit ihm weitere Figuren.
Die sind so wenig feministisch wie die Sand Snakes, und im Grunde
ziemlich blöd, haben aber immerhin den Vorteil von Märchenonkel
Jonathan Pryce angeführt zu werden. Neben dem Lord of Light, der im
Norden unter dem Banner Stannis Baratheon's für Angst und Schrecken
sorgt, wirft dieser nun also die einstige Ordnung in King's Landing
um, straft das System gnadenlos Lügen und wirft ein seltsames Licht
auf die herrschende Schicht. Denn wirklich Sinn macht die Integration
der Bruderschaft in King's Landing nicht. Woher nehmen sie die Macht,
vor allem das militärische Durchsetzungsvermögen einfach mal die
Königsfamilie abzusetzen? Warum nehmen sie nicht Littlefinger fest?
Warum gibt niemand Jaime Bescheid?
Natürlich ist solche
Kritik pedantisch, nach Logiklücken zu suchen und in ihnen zu
bohren. Andererseits begleitet „Game of Thrones“ nun schon
fünfzig Episoden über fünf Jahre hinweg, spielt Schach auf einem
riesigen, fantastischen Fantasy-Kontinent, ordnet Parteien an und
beendet jäh das Leben jener, die sich entschieden haben im Kampf um
den Thron alle anderen hinter sich zu lassen. Das soll heißen, dass
diese Serie nur solange dramaturgisch funktionieren kann, wie sie
inhaltlich konsistent und nach logischen Gesetzmäßigkeiten
konstruiert ist. Dumme Drehbücher konterkarieren das, was die Welt
hermetisch gemacht hat und das Mitfiebern lohnenswert. Ist darauf
kein Verlass mehr, wird mitdenkenden Fans die Grundlage dafür
entzogen sich über die einzelnen Episoden hinaus in die Welt und die
Handlungen ihrer Figuren zu begeben. „Game of Thrones“ sollte an
sich selbst den Anspruch stellen einem erneuten Blick standhalten zu
können - gerade in den Details und den Randnotizen. Das macht eine
solche Serie meiner Meinung nach aus.
Apropos dumme Figuren:
Ramsay Bolton ist immer noch sadistisch und grinst auch so. Darauf
beschränkt sich seine Figur nämlich weiterhin. Und die Serienmacher
(und vermutlich auch Martin) genießen es, sein Ende möglichst weit
hinauszuschieben, wenngleich mit dem Nicht-Verbrennen der Leichen
nach der Schlacht gegen Stannis, dessen Handlungsstrang in
erschütternder Nüchternheit abgehakt wurde, ein erster Schritt zum
Ende der Boltons getan ist und Sansa den Irrwegen der Serien-Autoren
mit der finalen Episode endlich zu entfliehen wusste. Auch wenn man
von fünfzehn Meter hohen Mauern nicht springen sollte.
Die letzten drei Episoden
und die Geschehnisse an der Wall machen in Season 5 jedoch soviel
Spaß wie nie. Mit Jon Snow einer idealistischen Heldenfigur zu
folgen ist ungeheuer befreiend und feiert in seinen Abenteuern
jenseits der Mauer jenes High Fantasy-Element, das seit den ersten
Episoden wieder langsam Einzug erhielt und sich nun ganz sichtbar in
Westeros manifestiert. Sowohl im hohen Norden als auch bei Targaryen
in Essos, deren Geschichte durch gezielte Highlights (Sons of the
Harpy) zumindest bei der Stange hielt. Auch das Abweichen von der
Buchvorlage ist theoretisch eine willkommene Option, um neben den
Büchern quasi eine alternative Zeitlinie zu eröffnen, sollte aber
gründlicher ausgearbeitet werden. Nächstes Jahr also gerne wieder
soviel Mut zum Bestreiten neuer Wege, nur dann vielleicht auch mit
Autoren, die schreiben können.
6/10