Mittwoch, 15. Februar 2012

"Philadelphia" [US '93 | Jonathan Demme]

Zwei Jahre nach seinem überbewerteten Kannibalen-Reißer und dem damit einhergehenden Oscar-Gewinn – der den Höhepunkt seiner bisherigen Schaffensphase markieren sollte - wand sich Jonathan Demme '93 einer gänzlich anderen Thematik zu. Im Titel-gebenden Philadelphia erzählt er die Geschichte des an Aids erkrankten Homosexuellen Andrew Beckett (Tom Hanks), welcher nach seiner Entlassung aus einer Anwaltskanzlei gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber zu klagen beginnt...

„Philadelphia“ ist zweifelsohne großes Darsteller-Kino und lebt von den imponieren Darbietungen seiner Schauspieler. Die drei zentralen Figuren stellen dabei ohne Frage Banderas, Washington und Hanks dar. Banderas als treuer Lebensgefährte von Hanks, der die Wortkargheit seine Figur immer wieder durch besorgte Blicke und intime Gesten zu kompensieren versteht, jedoch ohne sich unnötig in den Vordergrund zu spielen. Er bleibt eine Nebenfigur, die im Hintergrund agiert, uns aber jederzeit zu vermitteln versteht, dass sie inhaltlich über eine außerordentliche Relevanz verfügt. Er suggeriert uns das ungreifbare Gefühle der Liebe durch Gesten, durch Artikulation, durch Taten. Es gebührt Banderas hinsichtlich der Tatsache, dass seine Figur nicht sonderlich gut ausformuliert wurde, schon einiges an Respekt, denn selten hat man ihn glaubwürdiger, intimer und einfach besser erleben dürfen, als in seiner Rolle des homosexuellen Freundes. 
 
Konträr zu diesem – zumindest inhaltlich – steht Washington in seiner Rolle des Anwaltes. Aufgewachsen inmitten einer vermeintlich natürlichen Homophobie, trägt dieser seine Aversionen gegenüber Schwulen offen zu Tage. Ironischerweise gerade als Afro-Amerikaner, der sich zumindest vom elterlichen Hause und durch die Historie der Farbigen in Amerika geprägt, eine gesunde Toleranz oder zumindest eine gewisse Empathie angeeignet haben müsste, stellt er sich als großer Schwulen-Hasser heraus. Seine Wandlung zum enthusiastischen Menschenrechtsvertreter mag vorhersehbar anmuten (und höchstwahrscheinlich ist sie das für die meisten auch), so ist sie jedoch vor allem eines: logisch. Regelmäßig in seinen Vorurteilen bestätigt (das Gespräch mit dem Homosexuellen im Supermarkt belegt das sehr schön), lernt er Beckett (Hanks) als einen Menschen kennen, der über all jene vermeintlich verachtenswerte Attribute nicht verfügt, als ein Mensch der ihm nicht – wie es Washington im Gespräch mit seiner Frau ausführt „in die Hose greifen will“. Seine Entwicklung ist ohne Zweifel mustergültig und in all seiner Konsequenz unrealistisch, doch so suggeriert doch gerade dieser Umstand den Appell zu mehr Toleranz am deutlichsten, gerade deshalb weil er in all seinem grenzenlosen Optimismus nicht der Realität entspricht. 

Hanks kommt nach Eintreten der ersten gesundheitlichen Einschränkungen in der Folge nur noch eine gesonderte Rolle zu, die zwar inhaltlich fortwährend den zentralen Bezugspunkt bildet, jedoch ohne die Figur Washingtons vollkommen an Bedeutung verlieren würde. Ohne sich in Theatralik zu verlieren stellt er die verschiedenen Etappen seiner Krankheit zur Schau, lässt in seinem Blick mehr als den bloßen physischen Schmerz erahnen. Vielmehr ist es die Dankbarkeit, die seinen Blick bestimmt, wenn er umgeben von medizinischen Gerätschaften, in die Augen seines Anwaltes oder seines Freundes schaut. Hanks spielt mehr als bloß einen kranken Mann. Mit dem immer ungesünder anmutenden Make-Up geht eine schauspielerische Entwicklung einher, die wiederum die Entwicklung des Charakters wiedergibt, ohne dabei unglaubwürdig zu erscheinen.
 
Dass aus „Philadelphia“ mehr geworden ist als großes Darsteller-Kino ist dem herausragenden Drehbuch zuzuschreiben. Nyswaner behandelt die überaus heikle Thematik (man muss den Film auch im Kontext seiner Zeit betrachten) mit der nötigen Konsequenz, ohne dabei plump oder anbiedernd anzumuten. So ist sein Drehbuch vor allem gestützt auf moralischen Werten, die keineswegs diskussionswürdig sind, er erweitert und hinterfragt diese jedoch im richtigen Maße. Der Stellenwert der Familie und die Wichtigkeit eines solchen Rückhaltes werden uns als notwendige Basis präsentiert. Dass diesem Rückhalt jedoch Toleranz zugrunde liegen muss, wird als wichtiger Aspekt leider außen vor gelassen. Es wird zwar viel über Ethik, Moral und (christliche) Werte geredet, jedoch wird auf einen eingehenden Diskurs über solche Themen verzichtet. Vielmehr konzentriert sich Demme auf den Gerichtsprozess als solchen und die juristischen Gegebenheiten, die damit zusammenhängen. In diesem Konstrukt aus Paragraphen und Vorschriften findet schließlich auch die perverse Notwendigkeit der Endwürdigung statt und ist einmal mehr ein Sinnbild für die Entmenschlichung durch (juristische) Institutionen. Demme macht uns klar wie schwer es ist, in einem Chaos aus medialem Wirbel und gesellschaftlichem Gegenwind für das zu kämpfen, was einem wichtig ist.

Was bleibt ist der absolut lohnenswerte Appell zu mehr Toleranz und die nicht weiter ausformulierte Kritik an gesellschaftlichen Strukturen, die jedoch etwas weniger reißerisch inszeniert auch über die selbe Brisanz verfügt hätte. Die schauspielerischen Darstellungen sind ohne Frage brillant, ebenso der großartige Soundtrack, sodass „Philadelphia“ nicht nur das bis dato beste Werke von Demme darstellt, sondern auch einen der besten Filme zur immer brisanten Aids-Thematik.

7/10

Montag, 13. Februar 2012

"In Bruges" [GB, BE '08 | Martin McDonagh]

„In Bruges“ ist ein Film, der wohl am ehesten unter seiner irreführenden Vermarktung zu leiden hat, denn erwartet man von McDonagh's zweiter Regie-Arbeit eine waschechte Komödie, wird man vermutlich enttäuscht werden. Vielmehr ist „In Bruges“ ein überraschend leiser Film, der sich nach seiner vergnüglichen Einführung schnell jener einnehmenden Melancholie hingibt, die die beiden Protagonisten von der aller ersten Sekunde an umgibt. Der herrlich bissige, britische Humor kommt McDonagh dabei jedoch glücklicherweise nie abhanden und so überrascht es auch nicht weiter, wenn das finale Duell kurzzeitig in eine bizarre Grundsatz-Diskussion ausartet, oder das unvorhersehbare Geschehen andauernd von skurrilen Gesprächen (das Telefonat zwischen Gleeson und Fiennes) unterbrochen wird. Getragen wird die obskure Sinn-Suche jedoch von den Performances seiner beiden gut gelaunten Darsteller. Colin Farrell beweist ein weiteres Mal sein Talent für tragische Figuren und Brendan Gleeson spielt in gewohnt souveräner Manier. In vielerlei Hinsicht stellt „In Bruges“ ironischerweise sogar den kompletten Gegenentwurf zu seinem Trailer dar, so fällt McDonagh's „In Bruges“ doch erstaunlich tiefsinnig und um einiges gemächlicher aus, als der erschreckend beliebig anmutende Trailer vermuten lässt.

8/10

Freitag, 3. Februar 2012

"Memento" [US '00 | Christopher Nolan]

Nach dem Mord an seiner Ehefrau verfügt Leonard (Guy Pearce) nur noch über ein fragmentarisches Kurzzeitgedächnis und macht sich mithilfe etlicher Notizen, die ihn immer wieder an den aktuellen Stand seiner Ermittlungen erinnern, auf die Suche nach den Mördern seiner Frau...

Ohne Zweifel: Die erzählerische Struktur von „Memento“ ist etwas Besonderes. Sie funktioniert im Kontext ihrer Geschichte, erfüllt durchaus einen dramaturgischen Zweck und vermag die ersten zwanzig Minuten in jedem Fall zu beeindrucken. Was dann folgt ist warten. Warten auf den erhellenden Twist, das großartige „Aha“-Erlebnis. Stattdessen geht Nolan's eigenwillige Struktur bereits schnell mit jener einschläfernder Monotonie einher, die das Geschehen nach den ersten zwanzig Minuten an sich zu reißen droht und letztendlich jegliche strukturelle Besonderheiten, jegliche Charakterentwicklung gnadenlos absorbiert. 

Die Sichtung von „Memento“ ist geprägt von regelmäßigen Déjà-vu's und andauernder Langeweile. Das Gefühl das alles schon einmal gesehen zu haben und das Warten auf inhaltliche Höhepunkte durchzieht den Film dabei ebenso, wie seine besondere Struktur. Nun kann man genau das als eine große Stärke des Filmes anführen und auf die inszenatorischen und charakterlichen bzw. inhaltlichen Parallelen hinweisen. Darauf, dass man als Rezipient in etwa das selbe durchzumachen hat wie der Protagonist und das durch die Monotonie des Geschehens, die ständigen Wiederholungen genau dies angemessen suggeriert werden kann. Dennoch, es verbleibt der Verdacht, dass die Struktur nur als Kompensator für eine mäßig interessante Krimi-Geschichte dient. Ein Ablenkungsmanöver, das zu verschleiern versucht, dass hinter der innovativen Fassade nicht mehr steckt als eine langweilige Geschichte um einen uninteressanten Charakter. 

Guy Pearce spielt im Grunde glaubwürdig, doch stellt sich zwangsläufig die Frage, was davon darstellerische Brillianz und was schauspielerische Unzulänglichkeit darstellt, denn eine gewisse Ausdruckslosigkeit in seinem Blick, welche in diesem Fall perfekt zum Geschehen passt, kann man ihm in diesem Fall nicht absprechen. Gerade an ihm kann man den größten Schwachpunkt des Filmes festmachen: Es sind die fehlenden Emotionen, die „Memento“ so kalkuliert, so mathematisch erscheinen lassen. Pearce' Blick bleibt ausdruckslos und versteht es nicht mich als Zuschauer in das Geschehen zu involvieren und die Emotionen nachvollziehen zu lassen. Was bleibt ist das überaus akademisch anmutende Konzept des Filmes, die durch-kalkulierte Struktur, die jedoch jedweder Kreativität entbehrt und schlussendlich nur unglaublich langweilt.

5/10

Mittwoch, 1. Februar 2012

Zuletzt gesehen: Januar 2012

"Kung Fu Panda" [US '08 / Mark Osborne, John Stevenson] - 6.5/10

"My Bloody Valentine" [US '09 / Patrick Lussier] - 1/10

"Philadelphia" [US '93 / Jonathan Demme] - 7.5/10

"Nick of Time" [US '95 / John Badham] - 7/10

"Ein Freund von mir" [DE '06 / Sebastian Schipper] - 7/10

"Ronin" [US, UK '98 / John Frankenheimer] - 6.5/10

"Ay Carmela" [ESP '90 / Carlos Saura] - 5/10

"2012" [US '09 / Roland Emmerich] - 4/10

"The English Patient" [USA, UK '96 / Anthony Minghella] - 4/10

"Intouchables" [FR '12 / Eric Toledano, Olivier Nakache] - 7.5/10

"Mary and Max" [AUS '09 / Adam Elliot] - 9/10

"Biutiful" [ESP, MEX '10 / Alejandro Iñárritu] - 7/10

"The Muppets" [US '12 / James Bobin] - 8/10

"Tatort: Verschleppt" [DE '12 / Hannu Salonen] - 5/10

"Being John Malkovich" [US '99 / Spike Jonze] - 8/10

"Verblendung" [US, SWE, UK, DE '11 / David Fincher] - 8.5/10

"A History of Violence" [US '05 / David Cronenberg] - 7.5/10

"Stand by Me" [US '86 / Rob Reiner] - 7.5/10

"Salt" [US '10 / Phillip Noyce] - 4/10

"Bad Lieutenant" [US '09 / Werner Herzog] - 5/10

"The Last Exorcism" [US '10 / Daniel Stamm] - 4/10

"Shoot 'Em Up" [US '07 / Michael Davis] - 3/10

"Brügge sehen... und sterben?" [UK '08 / Martin McDonagh] - 8/10