Statt eines Rückblicks auf die
diesjährigen Filmveröffentlichungen, an dieser Stelle ein paar
allgemeinere Gedanken zur Welt des Kinos selbst. Zu momentanen
Kino-Blockbustern gibt es von meiner Seite nicht mehr zu sagen als
ich bereits vergangenes Jahr an gleicher Stelle gesagt habe
und wurde sowieso schon von anderen, viel kompetenteren Leuten
ausführlich besprochen.
Ich möchte das Jahr lieber mit einigen Gedankenfragmenten
beschließen, die ich mir das Jahr über gemacht, aber nie ernsthaft
vertieft habe. Wenn dieser Text also sprunghaft erscheinen mag, dann
liegt das in der Natur seiner Konstruktion. Am Ende folgt dann
jeweils ein Halbsatz zu meinen liebsten Filmen dieses Jahres.
Über Trailer-Reactions im Internet
Es ließe sich sicherlich ein
interessantes Essay zu diesem recht neuartigen Phänomen verfassen.
Dieses Jahr fiel mir zum ersten Mal richtig auf, was für eine
schräge Sache abgefilmte Reaktionen zu Trailern eigentlich sind: da
filmen sich Menschen, oftmals Youtuber, meistens US-Amerikaner,
dabei, wie sie auf den neusten Trailer eines sehnsüchtig erwarteten
(Franchise-)Films ejakulieren reagieren. Das
beschränkt sich nicht nur auf die Film-Nerds einschlägiger Youtube-Kanäle,
sondern wird inzwischen auch von ganzen Familien-Clans, Bar-Gemeinschaften oder, besonders schön,
weil in Arbeitskleidung, sogar Pfarrern
zelebriert.
Besonderer Beliebtheit erfreuten sich dieses Jahr selbstverständlich die Reaktionen zu den Trailern zum neusten Krieg der Sterne. Selten blieb bei den Reaktionen ein Auge trocken oder der Mund geschlossen. Oft sind die Augen weit aufgerissen und der Oberkörper bebt vor Aufregung und Ergriffenheit. Meistens fallen Ausrufe wie „Oh my God“ oder „Awesome“. Routiniertere Nerds analysieren bereits einzelne Plot-Details und spekulieren über die total geheime Story des neuen „Star Wars“, weil diese Filme ja für ihre besonders komplexen, narrativen Strukturen bekannt sind.
Besonderer Beliebtheit erfreuten sich dieses Jahr selbstverständlich die Reaktionen zu den Trailern zum neusten Krieg der Sterne. Selten blieb bei den Reaktionen ein Auge trocken oder der Mund geschlossen. Oft sind die Augen weit aufgerissen und der Oberkörper bebt vor Aufregung und Ergriffenheit. Meistens fallen Ausrufe wie „Oh my God“ oder „Awesome“. Routiniertere Nerds analysieren bereits einzelne Plot-Details und spekulieren über die total geheime Story des neuen „Star Wars“, weil diese Filme ja für ihre besonders komplexen, narrativen Strukturen bekannt sind.
Die Reaktionen anderer helfen offenbar
dabei, die eigenen zu sortieren und einzuordnen, und sie steigern das
Filmerlebnis bereits im Vorfeld in seiner Bedeutung. Außerdem
scheint das ausführliche Zelebrieren eines bevorstehenden
Kinobesuchs über Trailer-Reaktionen und Analysen aus dem Bedürfnis
gespeist zu werden, ungefilterte, authentische Emotionen nacherleben
zu können und sich von ihnen anstecken zu lassen. Plattformen wie
Youtube geben die Möglichkeit neben des gemeinschaftlichen
Kinoerlebnisses auch die steigende Vorfreude mit Gleichgesinnten zu
zelebrieren. Als Zuschauer von Trailer-Reaktionen befindet man sich
dabei in einer seltsamen Rolle wieder, schließlich rezipiert man die
Rezeption anderer.
Das Schauen von Trailer-Reaktionen scheint mir sehr verschiedene Bedürfnisse zu befriedigen: sie kann eine Bestätigungsfunktion einnehmen und die eigenen Bedeutungszuschreibungen legitimieren, damit einhergehend dem Wunsch nach einer globalen, in ihren Sehnsüchten geeinten Gemeinschaft befriedigen. Sie kommt aber auch dem Bedürfnis nach emotionalen Hochmomenten nach oder kann Leute wie mich in ihrem Bild vom unkultivierten Ami bestätigen, der die Trailer-Reaktionen selbstverständlich NUR aus rein soziologischem Interesse verfolgt. Dass die Trailer-Reactions gleichzeitig eine außerordentlich effektive, kostenlose Werbekampagne für Milliarden-schwere Konzerne wie Disney fahren, muss dabei eigentlich gar nicht mehr erwähnt werden. Dennoch: irgendetwas liegt in den Gesichtern zu Tränen gerührter, zutiefst ergriffener Menschen begraben, das den Bedürfnissen von Millionen von Zuschauern entgegenkommt und das auch mich nachhaltig beschäftigt.
Das Schauen von Trailer-Reaktionen scheint mir sehr verschiedene Bedürfnisse zu befriedigen: sie kann eine Bestätigungsfunktion einnehmen und die eigenen Bedeutungszuschreibungen legitimieren, damit einhergehend dem Wunsch nach einer globalen, in ihren Sehnsüchten geeinten Gemeinschaft befriedigen. Sie kommt aber auch dem Bedürfnis nach emotionalen Hochmomenten nach oder kann Leute wie mich in ihrem Bild vom unkultivierten Ami bestätigen, der die Trailer-Reaktionen selbstverständlich NUR aus rein soziologischem Interesse verfolgt. Dass die Trailer-Reactions gleichzeitig eine außerordentlich effektive, kostenlose Werbekampagne für Milliarden-schwere Konzerne wie Disney fahren, muss dabei eigentlich gar nicht mehr erwähnt werden. Dennoch: irgendetwas liegt in den Gesichtern zu Tränen gerührter, zutiefst ergriffener Menschen begraben, das den Bedürfnissen von Millionen von Zuschauern entgegenkommt und das auch mich nachhaltig beschäftigt.
Über Louis C.K.
Louis C.K. ist dieses Jahr vor allem
eine riesige Enttäuschung. Viele Leute haben bereits ihre Meinung zu
seinem Fall im speziellen und zur #MeToo-Debatte im allgemeinen
ausführlich dargelegt; viele vorschnell und hysterisch, insbesondere
in den USA, wo Diskurse nicht selten in blindem Aktionismus gipfeln;
andere waren da überlegter oder aufrichtig subjektiv. Am Beispiel Louis C.K.
manifestiert sich eine hochinteressante, schwierige Debatte über die
moralische Integrität des Filmemachers – oder überhaupt die Rolle
einer Biografie in einem künstlerischen Werk. Ich denke, der Wert
des Kinos speist sich gerade aus der Vielzahl von Repräsentationen
der Wirklichkeit. Soll heißen: der Künstler ist nicht moralisch
perfekt und es darf nicht die Voraussetzung künstlerischer Arbeit
sein, es sein zu müssen.
Die moralische Beurteilung sollte vom Werk ausgehen, nicht vom Werk-Schaffenden. Im besten Falle bringt der Filmemacher sein Fehlverhalten in das Werk ein, denn vielleicht ergeben sich aus seinem künstlerischen Umgang mit seinen Taten neue Lösungsansätze; zu einer Idee davon, was danach kommt und wie es weitergeht. Ebenso wie die Stimmen der Opfer, sollten auch stets die Stimmen der Täter hörbar sein, alles andere würde der Komplexität dieses spezifischen Falls, aber auch den umfassenden, gesellschaftlichen Machtstrukturen, in dem er verortet ist, in keinster Weise gerecht.
Die moralische Beurteilung sollte vom Werk ausgehen, nicht vom Werk-Schaffenden. Im besten Falle bringt der Filmemacher sein Fehlverhalten in das Werk ein, denn vielleicht ergeben sich aus seinem künstlerischen Umgang mit seinen Taten neue Lösungsansätze; zu einer Idee davon, was danach kommt und wie es weitergeht. Ebenso wie die Stimmen der Opfer, sollten auch stets die Stimmen der Täter hörbar sein, alles andere würde der Komplexität dieses spezifischen Falls, aber auch den umfassenden, gesellschaftlichen Machtstrukturen, in dem er verortet ist, in keinster Weise gerecht.
Über das Schreiben
Was wirklich frustrierend ist: wenn
relativ zügig zu schreibende Geschmacksurteile mehr Beachtung finden
als der Versuch einer differenzierten Auseinandersetzung. "So
ist es!" kommt einem auch leichter über die Lippen als "dort
warst du in den Begrifflichkeiten etwas unscharf, aber du sprichst
einen wichtigen Aspekt an, der mir neue Möglichkeiten der Lesart
erschlossen hat". Der Like-Button erlaubt keine differenzierte
Auseinandersetzung, er ist lediglich ein geschmacklicher
Markierungspunkt in der Landschaft, aus dem sich dann ein mehr oder
weniger (eher weniger) aussagekräftiges, geschmackliches Profil
gewinnen lässt. Wertung steht in der Affekt-getriebenen Irrenanstalt
Internet stets vor differenzierter Diskursfreude.
Über das Kino als Ort
Um ehrlich zu sein, habe ich die
Loblieder auf den Wert des Kinos als Ort nie so wirklich verstanden.
Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht zu sehr misanthropisch
veranlagt, aber andere Menschen sind mir beim Filmeschauen schon
immer mehr Einschränkung als Bereicherung gewesen. Nur in den
seltensten Fällen bereichert eine andere Person das Filmvergnügen
und in den allermeisten Fällen, beim gemeinsamen Schauen im Kinosaal
nämlich, verleiden sie es mir. Ja, ich glaube, ich wünschte, der
Kinosaal wäre leer. Menschen mit ihren Kommentaren, ihrem schlechten
Nacho-Atem, ihren nervösen Zuckungen oder dämlichen Nachfragen sind
nichts als Ablenkung; bieten nichts, das den Film auf der Leinwand um
eine wie auch immer geartete, rezeptorische Ebene bereichern würde.
Noch nie war die kollektive Reaktion eines Publikums für mich
lehrreich. Alles was der Kinosaal in der Regel zu leisten imstande
ist, ist aus Film-Enthusiasten Kulturpessimisten zu gebären.
Über meine Filme des Jahres
Über meine Filme des Jahres
„Personal
Shopper“ von Olivier Assayas
Der
Film über das Smartphone und das Leben mit dem digitalen Echo.
„Certain
Women“ von Kelly Reichardt
Der
Film über die Tristesse im Nirgendwo und den stummen Schrei nach
einer zärtlichen Berührung.
„A
Ghost Story“ von David Lowery
Die
zärtliche Berührung.
„The
Beguiled“ von Sofia Coppola
Der
Film über die Macht- und Begehrens-Strukturen zwischen Mann und
Frau.
„Moonlight“
von Barry Jenkins
Der
Film über Milieu-bedingte Identitätskonstruktionen.
„Cameraperson“
von Kirsten Johnson
Der
Film über den ethnografischen Film.
„Mein
Leben als Zucchini“ von Claude Barras
Die
Ode an den Sozialberuf.