Musik- und Werbevideos scheinen ein
vielversprechender Einstieg in das Filmbusiness zu sein.
Krawallmacher Michael Bay und Autodidakt David Fincher zum Beispiel
saßen vor ihren Durchbrüchen – in gänzlich verschiedene
Richtungen wohlgemerkt – beide bei Musikvideo-Drehs auf dem
Regiestuhl. Auch der südafrikanische Regie-Neuling Neill Blomkamp,
welcher mit „District 9“ 2009 einen Überraschungserfolg
hinlegte, verdiente sein Geld zuvor mit Werbefilmen. Und vor wenigen
Monaten erst schaffte auch Rupert Sanders mit seiner eher mäßig
erfolgreichen Schneewitchen-Adaption den Sprung in die erste Liga.
Die Musik- und Werbebranche scheint ein guter Ort zu sein, um das
Handwerk und den Umgang mit Schauspielern zu erlernen, andererseits
hat man klare Vorgaben und nur ein beschränktes Zeitfenster,
weswegen es verständlich ist, dass so viele Regisseure die Flucht
zur großen Leinwand antreten. Im Falle von Marc Webb können wir
darüber nur froh sein. Sein erster Leinwand-Ausflug ist nämlich der
Wahnsinn.
Entfesselt von zeitlichen Vorgaben und
den Zwängen einer Auftragsarbeit, schafft Webb mehr als nur einen
Genre-Beitrag. Sein Debüt reflektiert das Genre, in dem es sich
bewegt, entzieht sich gleichzeitig aber auch dessen Konventionen.
Gerade aus der zer- und versetzen Chronologie schöpft Webb die
Dynamik für eine unwiderstehlich flotte Narration, aus der frei von
jedweder Hektik, eine ganz eigene Dramaturgie resultiert. Das
Geschehen bleibt trotz der chronologischen Neuanordnung kohärent und
fortwährend nachvollziehbar. Einfach alles passt, keine Sekunde ist
zu lang oder zu kurz. Alles ist auf den Punkt getimt, nichts ist
überflüssig und jede Szene notwendig.
Webb bedient sich einer breiten Palette
stilistischer Mittel, gewichtet sie perfekt und integriert sie immer
so, dass mit ihrer Verwendung auch ein spürbarer, filmischer
Mehrwert einhergeht. Allein die Übergänge zwischen den Sequenzen
sind geprägt von überbordender Kreativität. Split-Screen-Montagen,
Farbfilter, Animationen und Schnittabfolgen verknüpfen sich auf ganz
natürliche Weise mit den narrativen Aspekten. Verweise auf Musik-
und Filmkultur weiß Webb währenddessen ebenso stilsicher
einzustreuen. Vor allem Mike Nichols' Klassiker „The Graduate“
erfährt eine liebevolle Hommage, die neben der Verwendung von Simon
& Garfunkel als Soundtrack, in der Übernahme ganzer Sequenzen
gipfelt, gleichzeitig aber – und das macht dieses Debüt unter
anderem so besonders – auch eine inhaltliche Relevanz inne hat.
Und tatsächlich hat der Erzähler zu
Anfang recht: Denn „(500) Days of Summer“ ist keine
Liebesgeschichte - sie ist vielmehr eine Geschichte über die Liebe.
Webb interessiert sich für alle Stadien dieses unergründlichen und
so wenig fassbaren Begriffes der Liebe. Von der Zeit, in der du
denkst, es sei alles möglich, bis zum bitteren Ende einer Beziehung,
wo du dir abermals sicher bist, nie wieder in deinem Leben glücklich
zu werden. Er ergründet jedoch weniger den abstrakten Begriff, als
die Figuren, die davon beeinflusst zu seien scheinen. Er porträtiert
Charaktere und deren Geschichten, sowie deren irrationales Verhalten,
wenn sie erfüllt sind von diesem Gefühl, das niemand wirklich zu
erklären vermag, vor allem aber deren völlig verschiedene Erwartungshaltungen (großartig auf den Punkt gebracht: die Sequenz auf der Dach-Terrasse).
Dieses Debüt ist so voller Charme,
Originalität, frischen, unverfälschten Einfällen und einem
fortwährenden Optimismus, der in seiner Naivität schon wieder
charmant ist. Zwischen Grußkarten und Arthouse-Referenz, geschwisterlichen Weisheiten und echten Freundschaften, sowie Karaoke-Eskalation und der „wahren“ Liebe. Es fällt äußerst
schwer „(500) Days of Summer“ nicht zu mögen. Nicht zuletzt
aufgrund von Figuren, denen man sich einfach nicht entziehen kann.
Gerade durch die unglaubliche Harmonie zwischen Joseph-Gordon Levitt
und Zooey Deschanel bewahrt sich Webb's Debüt seine emotionale
Sogwirkung und lässt dich bis zum Ende lachen, hoffen, trauern und
schließlich einsehen.
7.5/10