Samstag, 15. November 2014

"Birth" [US '04 | Jonathan Glazer]

Verblüffend. Kein handwerkliches Ausstellungsspiel, keine leeren Hochglanzbilder, kein Posing. Glazer lässt seine Werbefilm- und Musikvideo-Vergangenheit weit hinter sich, weil er versteht, dass das eine nur bedingt mit dem anderen zu tun hat. Er inszeniert mit sicherer Hand, absolut erstklassig, streckenweise atemberaubend, aber seine Inszenierung dient einem Zweck. Schauspieler-Kino aller erster Güte ist das, in dem Kidman als eigensinnige, zarte Schönheit auf den Spuren von Mia Farrow wieder einmal beweisen darf, welch begnadete Schauspielerin sie doch ist, während Danny Huston als Verlobter versucht im Angesicht sich anbahnender Unordnung Contenance zu wahren, ständig angetrieben oder entschleunigt vom wahnsinnig facettenreichen Score eines Alexandre Desplat, der die innere Unruhe und Unordnung der Figuren musikalisch wiederspiegelt. Und Glazer führt alles zusammen, ordnet an, dirigiert. Alles für das Gedankenspiel, alles für den Film. Leider fällt es schwer sich wirklich empathisch den Figuren zu nähern, dazu sind sie zu weit weg, zu unfassbar, fast parabolisch. Trotzdem sind die Figurenkonstellationen interessant und die Dynamik, die mit dem Auftauchen Sean's in Gang gesetzt wird. Er eröffnet sowohl einen ungeschönten Blick auf den Verlobten (in einer wilden, großartigen Szene festgehalten), als auch die psychische Labilität von Kidman's Figur, die nach wie vor den tiefen Schmerz eines Verlustes in sich trägt; ein Schmerz, der so tief ist, dass sie für die Aussicht auf eine Rückkehr zum Status quo alle aufgebauten sozialen Strukturen, ja ihr ganzes, perfekt arrangiertes Leben dafür fallenlassen würde. "Birth" lebt von seiner tieftraurigen Protagonistin und der Illusion eines Glücks, das nie gelebt werden kann. Die Optionen sind eingeschränkt: Tod oder Unterwerfung? Hoffnung war gestern. 

8/10

6 Kommentare:

  1. Mochte den Film überhaupt nicht, fand die Handlung bzw. die Figuren so unwahrscheinlich dämlich *schüttel*

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    1. Mhm, ich empfand die psychische Ausnahmesituation, die geschildert wurde und die Handlungen, die sich daraus ergaben eigentlich sehr nachvollziehbar. Hast du ein konkretes Beispiel?

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  2. Eine Frau, die glaubt, dass ihr vor Jahren gestorbener Mann plötzlich als kleiner Junge wieder auf der Matte steht. Reicht das als Beispiel?
    Ich weiß, dass man nicht von sich auf andere schließen soll/darf, aber alles hat Grenzen.

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    1. Finde ich als Idee faszinierend und eigentlich überhaupt nicht blöd. Spannend zu sehen an was sich Menschen nach einem Verlust zu klammern versuchen und wie schnell man sich selber wünscht, das sei doch alles wahr.

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  3. Ich dachte wirklich, das auf dem Bild wäre Mia Farrow. o_O Verblüffend. Die Glazer-Filme muss ich noch unbedingt nachholen.

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    1. Geht ja schnell. "Under the Skin" ist bislang mein Film des Jahres. Künstlerische Integrität at its best. Und mit viel Aufwand Glazer seine Projekte betreibt ist immer wieder ein Wahnsinn. Bei seinem letzten Film haben sie nach 7-monatiger Schneidezeit alles verworfen, und 10 Jahre hat er insgesamt (angeblich) dran gearbeitet - hat sich meiner Meinung nach gelohnt.

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