Andauernder Regen. Die Stadt
vergraben unter einer dunklen, immerwährenden Wolkendecke.
Chronische Überbevölkerung gesellt sich zu moralischen
Grundsatzdebatten. Die Welt ist verloren, die Technik längst auf
ihrem Zenit angelangt. Die Bauten verkümmert, die Reklameschilder
hell erleuchtet. Eine dunkle Stadt, ebenso heruntergekommen wie das
soziale Gefüge, welches es beherbergt und ständiger Regen
begleiten den Blade Runner (Harrison Ford) bei
seinen Ermittlungen. Ein klassischer (Anti)-Held im Noir-typischen
Trenchcoat. Wortkarg, manchmal verschmitzt lächelnd, meistens
konzentriert...
Fernab aller Genregrenzen und doch so
sehr Genrefilm. „Blade Runner“ bedeutet ein sich allen
dramaturgischen Mustern und herkömmlichen Konventionen versagendes
Erlebnis. Stilistisch irgendwo zwischen schillernd-schmuddeliger
Noir-Referenz und unablässig pulsierender Zukunftsversion angelegt, die
trotz ihrer Reduktion auf wenige Charaktere den Anspruch von epischer
Größe in sich trägt. Der Cyberpunk ist geboren. So essenziell,
wie unfassbar. Konträr zu allem, was seinerzeit die Kinokassen und
damit die Massen beherrschte und so anders in seiner Konzeption, dass
das letztliche Scheitern vor einer Vielzahl von Zuschauern gerade zu
logisch erscheint.
Avantgardistische Set-Konstruktionen
treffen auf das reduzierte Schauspiel eines jungen Wilden,
traumartig-betörender Score auf makellos schöne Unschuld (Sean Young)
und die nie wieder so zurückhaltende Regie eines Ridley
Scott auf einen wie entfesselt agierenden Rutger Hauer. „Blade
Runner“ wird geboren aus der Zusammenkunft großer Talente und dem
Zusammenspiel glücklicher Umstände. Narrativ ist er nie wirklich greifbar und immer bis zum äußersten entschleunigt, eine Absage an den Mainstream.
Hoffnung existiert in diesem
Großstadtmoloch nicht. Schöpfer und Konstruktion sind begriffen vom
menschlichen und substanziellen Zerfall. Die Städte sind
überbevölkert, Einzelschicksale sind bedeutungslos. Es existieren
ungeahnte technische Möglichkeiten und doch geht die Erde und damit
gleichbedeutend das Individuum dem Ende hinzu. Metropolen sind
ethnisch-religiöse Slums, zerfressen von Egoismus und abhanden
gekommener Empathie. Die Umwelt ist ausgebeutet, Hoffnung spendet
einzig allein die Aussicht auf ein neues Leben, auf einem anderen
Planeten. Grenzen verschwimmen innerhalb einer Wissenschaft, die
keine Grenzen mehr kennt und Moral tritt ins Abseits in einer von
individueller Geltungssucht dominierten Gruppierung schattenhafter
Seelen.
Eine amoralische Gesellschaft spielt
Gott. Aus dem Zusammenspiel von wissenschaftlichem Größenwahn und
kollektiver Sehnsucht nach Menschlichkeit gehen schließlich die
Replikanten hervor. Ebenso synthetisch, wie die Welt, die sie
hervorgebracht hat; eine abermalige Reproduktion göttlichen
Ebenbildes. Schöpfer und Kreation begegnen sich auf ein und
derselben Ebene. Verantwortung übernimmt letztlich gerade jene
vermeintlich nicht achtenswerte Kreatur, die im Grunde nur für das
kämpft, was ein jeder Mensch begehrt: Leben. Ein Replikant sorgt für
das prägende Moment in "Blade Runner"; ein Satz, der die
Intention eines Meilensteins des Science Fiction-Genres perfekt
zusammenfasst:
"It's too bad she won't live! But
then again, who does?"
10/10 ♥