Das deutsche
Kinopublikum und der animierte(Tier-)Film schreiben ihre
Liebesgeschichte auch im Jahre 2016 fort. Vermutlich löst keine andere Sorte Film das
stets beworbene Versprechen „für die ganze Familie“ momentan am
ehesten ein – und der Familienfilm in der Tradition von Onkel
Steven ist ohnehin out. Ich vermute, das ist auch ganz okay irgendwo.
Alles hat seine Zeit, jedes Publikum seine Filme. Und „Finding
Dory“, eine von vielen Fortsetzungen des Disney-Konzerns in den
vergangenen Kinojahren, kreist zumindest um Andersartigkeit und
Behinderung - auch wenn er sie bisweilen wieder zur Lachnummer
degradiert. Am Ende fährt dort übrigens ein roter Kraken einen Lkw
– ins Meer, immerhin. Die Überhöhungen werden so absurd wie die
Welt, aus der sie entstehen. Währenddessen verkauft „Zootopia“
(aus Disney's hauseigener Animationsschmiede) fleißig
Soundtrack-CD's und sich als klugen Film, „The Secret Life of Pets“
klaut bei Pixar als sie noch richtig gut waren und macht Louis C.K.
die Taschen voll („Horace and Pete“ Staffel 2, bitte?) und „Kubo
and the Two Strings“ sieht wunderschön aus und mündet in Action
und fußlahmen Gags. „Anomalisa“ verzweifelt derweil an der Welt
und an sich selbst, und ich gleich mit.
Mir fiel es im
Laufe des Jahres immer schwerer Filme losgelöst vom
gesellschaftlichen Klima zu schauen, in dem sie entstanden sind –
oder in das sie hineinwirken. Ein Jahr, das so vielen rapiden
Veränderungen unterworfen war und in dem so viel infrage gestellt
wurde, was mir als gesichert und selbstverständlich erschien,
erwischte ich mich immer wieder dabei auch vermehrt in Filmen
Antworten dafür zu suchen, was in den Menschen um mich herum und auf
der ganzen Welt vor sich geht. Was sagen all die Blockbuster und
Trailer von Kriegsfilmen über uns aus – und was nicht? Warum sind
die Cineplexe so verstopft mit bombastischen Überwältigungsszenarien,
die irgendwann nur noch auf dich einprügeln und erst dann aufhören,
wenn du erschlafft im Kinosessel zusammengesackt bist? Ist denn noch
niemand müde geworden und der Zerstörung überdrüssig? Wurde nicht
jeder Universen-umspannende, Material-verschleißende Krieg
inzwischen ausgefochten?
Der neue,
alljährliche "Star Wars"-Ableger wühlt sich genüsslich durch fünfzig
Jahre US-amerikanischer Militärgeschichte und stellt eine
Konvoi-Attacke im Stile der Irak-Herrschaft nach – solidarisiert
sich aber dort mit den Rebellen, die die Besatzer vertreiben wollen.
Was hat das zu bedeuten? Ist das nur eine ikonographische Bilderwelt,
derer sich ein Handwerker wie Edwards bedienen darf, ganz losgelöst
von jedem Kontext? Steckt da gar ein politisches Statement dahinter?
Beginnen wir nun ernsthaft damit, längst verstorbene Schauspieler
als digitale Zombies wiederauferstehen zu lassen, um sie dann zu
Erfüllungsgehilfen gigantischer Konzerne und ihrer Universen-Politik
zu degradieren? Wann wurde das beschlossen? - „Rogue One“ besteht aus
ermüdendem Kriegsgelaber und Rebellen-Romantik wie man es dieses
Jahr zuhauf sehen konnte – und 2017 wieder sehen wird. Die
Amerikaner lieben ihre Underdogs, ist klar. Jedes Jahr ein neues
Kapitel, jedes Jahr ein neuer Krieg der Sterne und ein neuer Sieg in
letzter Sekunde – ganz sicher aber nicht fürs Kino.
Snyder hat derweil
einen weiteren Nicht-Film gedreht und schmort nur noch im eigenen
Saft. In einer Welt ohne Humor und Farben sterben die großen Ikonen
einen qualvollen Tod – in Zeitlupe. Deadproll gibt derweil den
Rebellen und ist doch Sklave seiner Zielgruppe. Zumindest geht mit
Snyder kein großes Talent verloren, wie es man es bei den
Marvel-Ergüssen immer latent befürchtet. Dieses Jahr haben sich die
aus dem Fernsehen kommenden Russo-Brüder an der Marvel-Formel
abgearbeitet und damit endgültig der Beliebigkeit ergeben; wieder
muss gekämpft, darf aber nicht gestorben werden. Ein Civil War ohne
Verluste für die richtige Seite, ein bisschen Terror-Feeling, ein
bisschen interne Gabelei, am Ende alles gut, die Fortsetzungen gehen
schon in die Vorproduktion, die Verträge sind unterschrieben. Wer
rettet uns eigentlich vor den Superhelden?
Ein paar Mal habe
ich gelesen, dass „Arrival“ der Film sei, der dieses Jahr die
richtige Botschaft sende. Eine Botschaft der Toleranz und der
Verbrüderung. Die Ironie dabei: Russland und China geben in der
Filmversion die fremdenfeindlichen Aggressoren, während die Amis
eine empathische Botschafterin des Friedens schicken. Na klar.
Friedenspolizei, Underdogs, Stress machen immer die von außen. Die auch
Studium-bedingte Auseinandersetzung mit den USA, besonders nach einem
solch aufwühlenden Wahljahr, hat mich immer wieder auch mit anderen
Augen auf ihre (großen) Filmproduktionen blicken lassen. Filme, die
von gerechten Kriegen und notwendigen Opfern, von Märtyrertum und
der großen Freiheit berichten, die es gegen außenstehende Parteien
zu verteidigen gilt. Es braucht einen Sully, zum Underdog stilisiert,
der vom erneuten 9/11-Trauma träumen muss und es dann verhindern
darf. Traumata rekonstruieren, um sie dann wieder und wieder zu
überwinden. So viel Geld und so wenig Herz. In den Cineplexen konnte
man sein Heil dieses Jahr nicht finden.