Der Preis für den schönsten Filmtitel
des Jahres steht schon mal fest. Zugleich ist es der irreführendste:
Zahlers dritter Langfilm ist nämlich kein Exploitation-Film
geworden. Im Gegensatz zu „Brawl in Cell Block 99“, der seine
Gewalteskapaden immer weiter komisch überhöhte, erzählt Zahler
hier eher ein Gewaltdrama, das viel Zeit für seine Figuren und ihre
Lebensumstände findet. Gewalt ist stattdessen, bis auf eine kurze
Eskalation in einer Bank, sehr realistisch gehalten. Statt
zertretender Köpfe gibt es Lungenschüsse und harte Kerle, die
langsam an ihrem eigenen Blut ersticken. Und da sind zwei
suspendierte Cops, gespielt von Vince Vaughn und Mel Gibson, die
sitzen in ihrer Karre und sinnieren über das Abgehängt- und nicht
Gewürdigt-Sein, private Krisen und Geldnöte in Zeiten von
Mikroaggression und Gender-Pronomen. Zahler geht über gegenwärtige
Befindlichkeiten gnadenlos hinweg und entlarvt über die abgebildeten
Ambivalenzen und Widersprüche zugleich die Einfachheit
identitätspolitischen Denkens. Zahler erarbeitet sich filmische
Erzählungen auch nicht über funktionale Figurenschablonen. Das
Zwiegespräch im Auto, die Essenz des Buddy-Cop-Films, dessen
Degeneration mit Bays Bösen Jungs schon um die Jahrtausendwende
zureichend vorangetrieben wurde, verleiht Zahler neue Relevanz und
macht den Innenraum des Fahrzeugs zum Verhandlungsraum für Politik
und Identität. Aber Achtung: der Film burnt slow und fackelt nichts
richtig ab. Die Konfrontationen bleiben sehr zurückgenommen und
zielgerichtet. Keine übermenschlichen Fähigkeiten oder heldenhafte
Manöver sichern das Überleben, sondern Geduld, Taktik und Glück.
Das Gesprochene ist substanziell, die Menschen stehen im Mittelpunkt. Wer daran interessiert ist, wird beglückt.
Dienstag, 26. März 2019
Donnerstag, 14. März 2019
Zurück zu Mutti - "The Sisters Brothers" [US '18 | Jacques Audiard]
Zwei Gejagte kehren heim und Mutti
wartet mit der Schrotflinte im Anschlag. Sie gibt ein paar
Warnschüsse ab. Es wir kurz diskutiert. Sie sollen den Rattenschwanz
an Ärger, der an ihren Fersen klebt, nicht zu ihr bringen. Dann
stiehlt sich doch noch ein Lächeln auf ihre Lippen und zwei Söhne,
die eigentlich tot sein sollten, stehen erschöpft an ihrer
Türschwelle, ein Arm verloren, ein paar seelische Narben
hinzugewonnen. Und Mutti macht lecker Essen, gießt heißes
Badewasser nach und macht die Betten, ganz kuschelig, ganz warm.
Desplat beklimpert das alles sentimental, dann hört der Film, der
eigentlich ein Western ist, aber in diesen Augenblicken keine
Genre-Erwartungen zu erfüllen sucht, auf.
In einer Welt des Fressens und Gefressen Werdens kommt Audiard plötzlich mit Menschlichkeit um die Ecke. Gerade dort, wo die Frontier an ihre Grenzen stößt und Bastarde mit schlechten Zähnen für Kohle töten und im Dreck nach Reichtum buddeln. Audiard lässt seine Figuren tatsächlich miteinander sprechen so wie Menschen bisweilen miteinander sprechen; und da sitzen keine versteinerten Mienen, keine Idealbilder, keine Ikonen mehr, sondern Männer mit Komplexen. Und er heftet sich an die dünne Firnis, die gerne Zivilisiertheit genannt wird, ohne das gnadenlose, in brutaler Nüchternheit verrichtete Tagesgeschäft zu ignorieren. Die Sisters Brothers sind keine Revolverhelden, sondern Überlebenskünstler: niedergeschossenen Kontrahenten wird zur Sicherheit noch einmal in den Kopf geschossen, und zwar ohne einen dummen Spruch, ohne übertriebene Rachegelüste.
Wo auch immer der Western bisher schwebte, Audiard bringt ihn herunter, auf Augenhöhe; nicht im Stile der Coens, einer ironischen Roadshow gleich, und auch nicht in der Art eines artifiziellen Dialoggewitters wie es Tarantino schon seine ganze Karriere heraufbeschwört. „The Sisters Brothers“ bringt Poesie in den Western, ohne einem das Gefühl zu geben, Unangenehmes auszublenden. Und er ist detailverliebt ohne Wes Andersons Hang zu ästhetischen Neurosen. Da wird sich über eine Klospülung gefreut und unbeholfen die erste Zahnbürste angesetzt. Die Zeichen einer Moderne die schon bald im Galopp davoneilen wird, werden nicht fatalistisch gedeutet, sondern mit Neugierde inspiziert.
Audiard ist primär an solchen Zeichen interessiert und versteht seine Figuren nicht als Motoren für Plot und anderes überbewertetes Storytelling-Gelump der Content-Generation, sondern einfach nur als Menschen. Und er lässt sie einfach sein, ein bisschen herumballern, ein bisschen nach dem großen Geld jagen, um dann pünktlich auf Muttis Türschwelle zu stehen. Eine kurze Pause vom ewigen Gereite und Geschieße, ein erleichtertes Ausatmen, eine heiße Badewanne. Eine Pause vom dem, was erwartet wird, aber nur kaputt macht. Eine Pause vom Western.
In einer Welt des Fressens und Gefressen Werdens kommt Audiard plötzlich mit Menschlichkeit um die Ecke. Gerade dort, wo die Frontier an ihre Grenzen stößt und Bastarde mit schlechten Zähnen für Kohle töten und im Dreck nach Reichtum buddeln. Audiard lässt seine Figuren tatsächlich miteinander sprechen so wie Menschen bisweilen miteinander sprechen; und da sitzen keine versteinerten Mienen, keine Idealbilder, keine Ikonen mehr, sondern Männer mit Komplexen. Und er heftet sich an die dünne Firnis, die gerne Zivilisiertheit genannt wird, ohne das gnadenlose, in brutaler Nüchternheit verrichtete Tagesgeschäft zu ignorieren. Die Sisters Brothers sind keine Revolverhelden, sondern Überlebenskünstler: niedergeschossenen Kontrahenten wird zur Sicherheit noch einmal in den Kopf geschossen, und zwar ohne einen dummen Spruch, ohne übertriebene Rachegelüste.
Wo auch immer der Western bisher schwebte, Audiard bringt ihn herunter, auf Augenhöhe; nicht im Stile der Coens, einer ironischen Roadshow gleich, und auch nicht in der Art eines artifiziellen Dialoggewitters wie es Tarantino schon seine ganze Karriere heraufbeschwört. „The Sisters Brothers“ bringt Poesie in den Western, ohne einem das Gefühl zu geben, Unangenehmes auszublenden. Und er ist detailverliebt ohne Wes Andersons Hang zu ästhetischen Neurosen. Da wird sich über eine Klospülung gefreut und unbeholfen die erste Zahnbürste angesetzt. Die Zeichen einer Moderne die schon bald im Galopp davoneilen wird, werden nicht fatalistisch gedeutet, sondern mit Neugierde inspiziert.
Audiard ist primär an solchen Zeichen interessiert und versteht seine Figuren nicht als Motoren für Plot und anderes überbewertetes Storytelling-Gelump der Content-Generation, sondern einfach nur als Menschen. Und er lässt sie einfach sein, ein bisschen herumballern, ein bisschen nach dem großen Geld jagen, um dann pünktlich auf Muttis Türschwelle zu stehen. Eine kurze Pause vom ewigen Gereite und Geschieße, ein erleichtertes Ausatmen, eine heiße Badewanne. Eine Pause vom dem, was erwartet wird, aber nur kaputt macht. Eine Pause vom Western.
Dienstag, 12. März 2019
Starke Frauen braucht das Land - "G.I. Jane" [US '97 | Ridley Scott]
Um sich in der Männerwelt des
US-Militärs durchzusetzen wird Jane einfach selber zum Mann. Ridley
Scott vermählt dazu die Gleichheits-Mythen eines grandios
instrumentalisierten, populistischen Feminismus mit dem spartanischen
Krieger-Ideal unter amerikanischer Flagge. Feminismus bedeutet hier
nicht gleiche Rechte oder gleiche Chancen, sondern absolute
Gleichheit, die gerade über die menschenverachtenden
Trainingsmethoden der Navy Seals - die Elite der Elite - erreicht
wird. Im Kampf für das Vaterland und den Selektionsprozess des
Trainings werden die Unterschiede der Geschlechter überwunden, weil
die missverstandene survival-of-the-fittest-Ideologie absolute
Chancengleichheit verspricht. Dass sich die Gleichheits-Behauptungen
des Filmes nicht auf formaler Ebene fortsetzen, Demi Moore und ihren
Körper findet Scott nämlich schon ganz geil und inszeniert ihn auch
so, überrascht da wenig und übersteigt höchstwahrscheinlich auch
Scotts intellektuelles Fassungsvermögen. Abseits solcher
Hollywood-typischen Widersprüche wird's sogar richtig fragwürdig,
wenn der Film die Folter-Methoden der Ausbilder, körperliche und
sexuelle Misshandlungen härten ja vor allem ab, im ersten
Kampf-Einsatz zu relativieren beginnt. Hier läuft die grausame
Ausbildungserfahrung auf einen höheren Zweck hinaus und wird
schlussendlich sinnhaft. Folgerichtig gilt die finale Einstellung
einem wehmütigen Blick zum Ausbilder, die Augen ganz glasig, die
Uniform gebügelt und die Pop-Musik im Hintergrund. - Moderne
Propaganda.
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