Verschenkt. Scorsese scheitert nicht,
aber er lässt (zu) viel Potenzial ungenutzt. Ermöglicht der Beginn
nämlich noch eine gewisse Identifikation mit De Niro's Charakter, der
Selbstjustiz als Mittel dafür versteht, wahre Gerechtigkeit gegen
einen „schuldigen“ Anwalt walten zu lassen, verwehrt er diese
Chance mit dessen ersten, übertrieben blutrünstigen Taten fast
gänzlich. Aus einem Diskurs über Moral und Verantwortung erwächst
zunehmend ein – wenigstens – spannend erzählter Rache-Thriller.
De Niro wird leider (nur) zum unberechenbaren Psychopathen degradiert;
Ansätze die Sympathien ins Gegenteil zu verkehren oder zumindest das
Gerechtigkeits-Bewusstsein des Zuschauers an undefinierte Grenzen zu
führen, bleiben eben nur Ansätze. Das Unvermögen Vieler seine
Fehler einzugestehen oder sie unter dem Deckmantel von Paragraphen
scheinheilig zu rechtfertigen, thematisiert der Film auch nur
stellenweise - dafür aber in einem großartigen Dialog zwischen
einem genüsslichen De Niro und einer devoten, nuanciert spielenden
Lewis festgehalten. Am Ende geht alles irgendwie seinen richtigen
Gang; das Böse ist ausradiert, die schmutzigen Hände reingewaschen,
wenngleich es Scorsese versteht, einen gewissen, leisen Zweifel
bestehen zu lassen.
6/10