Aus der Perspektive einer Edel-Eskorte
auf die Finanzelite und die Börsianer New Yorks zu blicken, ist
genial: Grey's Figur besetzt mit ihrem Angebot, neben ihrem Körper
auch die Erfahrung einer festen Beziehung an ihre Kunden zu
verkaufen, nicht nur eine neu entstandene Marktlücke, sie bekommt
auch einen exklusiven Einblick in eine Vielzahl von Privatleben
gewährt, wie es in dieser Intensität tatsächlich nur ihr
vorenthalten ist. Der Unsicherheit eines zusammenbrechenden Systems
und der eigenen Karrieren kommen ihre Klienten mit der Illusion bei,
zumindest für ein paar Stunden in einer geordneten, liebevollen
Beziehung leben zu dürfen. Ihre nachfragende, aber vor allem
zuhörende Art bringt Stabilität dort, wo sich gerade alle
Strukturen zu zersetzen beginnen, ihre Schulter spendet Trost in
einer Zeit, in der nichts mehr sicher scheint. In einer Zeit, in der
ein Angebot wie ihres einen solch durchschlagenden Erfolg haben kann,
liegt das höchste und wertvollste Gut nicht mehr im Bestreben
begraben, die eigene Gewinnmarge zu maximieren und im hierarchischen
Kampf möglichst viele hinter sich zu lassen, sondern die
transzendente, unmittelbare und vor allem vergängliche Erfahrung
eines zwischenmenschlichen Kontaktes.
6/10
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