Sonntag, 14. August 2016

"Anomalisa" [US '15 | Duke Johnson & Charlie Kaufman]

Es liegt eine unendliche Größe darin, wie "Anomalisa" im Kleinen Großes erschafft. Sei es die bloße Feststellung, dass zwischenmenschliche Kommunikation schon immer missverständlich war und immer sein wird, weil sie vieldeutig und beweglich ist in ihrer Natur. Und dass Kaufman an diesem Umstand nicht verzweifelt, auch wenn es angesichts seiner lethargischen, sinnkriselnden Hauptfigur den Anschein machen mag. Kaufman zieht aus der Interaktion seiner Figuren keine selbstzweckhaften Pointen oder zielt auf platten Akward-Humor ab. Die Figuren in „Anomalisa“ verzweifeln an der Unsicherheit alltäglicher Kommunikation ebenso wie sie die größten Wunder zwischenmenschlicher Berührungen durch sie erleben. Deswegen ist der „Girls Just Want to Have Fun“-Dialog auch ein zentraler Wendepunkt in der Geschichte. Es ist eben nicht nur der Klang (Anoma-)Lisa's Stimme, die die Hauptfigur aus der tristen Alltagswelt entlässt, sondern auch das, was sie zu sagen hat. Kaufman legt der namensgebenden Figur keine leeren Worte in den Mund, sondern verlautbart über sie eine hoffnungsvolle, Glück-suchende (und findende) Weltsicht. Die Hauptfigur verguckt sich in die Art, wie Lisa die Welt sieht. Er verguckt sich in die Anomalie in einem gleichgeschalteten System. Und er verguckt sich in die Aussicht in ihrer Art die Welt zu sehen Halt zu finden. Die Komplikationen begleiten auch die Kommunikation zwischen diesen beiden Personen. Kaufman integriert zu diesem Zweck ein vermeintlich unscheinbares Detail: Wenn Lisa Cyndi Lauper's Chartstürmer rezitiert, wird sie von der Hauptfigur kurz unterbrochen, weil diese dem Missverständnis aufsitzt, ihre Darbietung wäre beendet. Die Komplikation, das Missverständnis unterbricht für einen kurzen Moment den Kommunikationsprozess, durchschneidet ihn aber nicht – und das ist der Punkt. Alle Ängste, die an den alltäglichen Austausch gekoppelt sind, sind am Ende des Tages unbegründet. Hinter allen Zerwürfnissen liegt auch die Möglichkeit zur Aussprache und zur Klarstellung. Hinter jeder Komplikation eine Berührung, die einem sagt, dass man wertvoll ist. 

„I want to be the one to walk in the sun.“ 

7/10 

1 Kommentar:

  1. Hatte ja erwartet/befürchtet, der wird wie so viele großartige Filme von dir verrissen. Aber dann doch nah an der "Höchstwertung" (für deine Bewertungsverhältnisse zumindest). Schön :)

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