Er ist der Künstler. Sie ist die Welt.
Sie ist der Bezugspunkt der Kunst, der Ursprung der Inspiration. Die
herausfordernde Melange besteht darin, zwischen den eruptiven
Rauschzuständen, der wunderbaren Leichtigkeit der Improvisation mit
der Welt und den kontrollierten Rahmenbedingungen des Kunstschaffens
einen annehmbaren Kompromiss auszuhandeln. Und die Welt dabei nicht
zu verlieren in ihrer an sich seienden Form, oder zumindest in einer
Form, die nicht gänzlich im Sinne des Künstler-Blickes umgestaltet
und verformt worden ist, indem sie vermessen, bürokratisiert,
kategorisiert wurde. Es gilt die Wahrhaftigkeit nicht zu verlieren,
sondern sie ins Artifizielle zu überführen. Das heißt sie nicht zu
zerstören im Prozess, sondern sie zu veredeln. Dann wohnen der Kunst
sogar transformatorische Kräfte inne: "In his work I become
perfect." „Phantom Thread“ ist perfekt. Und Anderson muss
sich schon lange nicht mehr ehrfürchtig verbeugen vor den Größen
der Vergangenheit. Er erzählt eine universelle Geschichte, die doch
ganz spezifisch ist in der Ausgestaltung seiner Figuren und ihren
Eigenheiten. Zugleich ist dies eine wunderbare Liebesgeschichte über
eine Liebe, die wirklich die gesamte Laufzeit braucht, um beidseitig
entstehen und beidseitig akzeptiert werden zu können.
Er ist umrandet von Opportunisten,
Mäzenen, Verehrern, Anhängseln, ökonomischen Notwendigkeiten; bis
sie sein Leben streift und die ungebrochene Lebensfreude auch dann
nicht verliert, wenn er sie einzuhegen, zu domestizieren versucht.
Schon am ersten gemeinsamen Abend macht er sie zum Gegenstand seiner
Kunst, er vergegenständlicht das Subjekt, weil es sich seiner
Kontrolle und den prüfenden Blicken seiner Bürokraten (Lesley
Manville) hier nicht entziehen kann. Aber sie ist nicht das Opfer.
Sie ist gleichermaßen fasziniert von dem, was er in ihr sieht. Sein
Blick ist sinnstiftend. Und der Film bricht die etablierte Asymmetrie
der Beziehung sukzessive auf. Liebe entsteht hier an den Punkten des
Widerstandes, der Reibung, nicht in der Dominanz, im Sieg des einen
über den anderen. Stattdessen gilt es die Macken, die seltsamen
Angewohnheiten, den Fetisch und die Idiosynkrasien des anderen in all
seinem Menschsein anzunehmen und aus dem Kampf gegeneinander, für
die gemeinsame Sache, einen Lustgewinn zu generieren. Der Film endet
in einem Happy Ending, denn Zynismus war eigentlich nie Andersons
Sache. Er lernt die Kontrolle abzugeben, sie zähmt ihn, kanalisiert
sein Genie. Und sie darf in seiner Kunst so etwas wie Sinn erfahren.
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