Der eisige Windhauch, der
aus den angestaubten Schnitträumen der Berliner Schule zu dringen
scheint, ist gar nicht so eisig. Aus den formalen
Selbstbeschränkungen dieser lose miteinander assoziierten
Filmemacher, die vielleicht eher eine Philosophie des Kinos eint,
auch gleichermaßen emotionale Kälte abzuleiten, wäre grob
fahrlässig, Und es entginge einem eine Vision vom Kino, die gerade
in der deutschen Kinolandschaft ein Gegengewicht zu verfilmtem
Geschichtsunterricht oder Komödien über Männer und Frauen bilden
könnte, indem es Platz für die Zwischenräume und Transitzonen
menschlicher Biografien lässt. Jene Orte also, an denen das Gespenst
sein Dasein fristet. Durch die Kino-Landschaften Petzolds geistert es
seit jeher. Seine Figuren streifen durch diese Landschaften immer
schwer nahbar, verloren, nicht wirklich da, nicht wirklich weg. Es wird schnell klar: das
Kino Petzolds ist nicht nüchtern, sondern schüchtern.
Intrinsische Charaktere,
keine Extrovertierten oder Paradiesvögel, sondern in sich brodelnde,
schüchterne Wesen, Einzelgänger, Grenzgänger bilden das
Gravitationszentrum seiner Filme, laden sie auf. Seine Figuren
wandeln auf Grenzen, bilden also eine Grenzerfahrung ab, schweben
irgendwo im Dazwischen, harren in Zonen des Übergangs aus. Es geht
immer um Gespenster, also die Vergangenheit und ihre Erfahrungen und
wie sie in die Gegenwart hineinwirkt, um die Zukunft zu gestalten.
Und es geht darum, wie sehr wir uns von unserer Vergangenheit
gefangen nehmen, lähmen lassen; wie deterministisch unsere Leben
vorgezeichnet sind, ob wir es auf Schienen durchfahren oder ob wir
vor einer leeren Leinwand stehen. Mit der Vergangenheit sind die
Schulden, mit denen wir beladen sind. Und da ist die Idee der
Absolution und die Frage, ob wir sie erwarten sollen, sie erwarten
dürfen.
Mit den Hauptfiguren
seiner Filme bin ich stets auf der Suche, oder auf der Flucht,
manchmal ist das eine nicht vom anderen zu unterscheiden. Seine Filme
zeichnet dabei eine eigentümliche impressionistische Qualität aus,
wenngleich er sich bisweilen in expressionistischen Formspielen
erprobt. Seine Figuren sind impressionistisch in dem Sinne, dass sie
verschlossen bleiben, nach innen gerichtet. Jedes Zeichen, das nach
außen dringt und anzeigen könnte, wie es um die Innenwelt der
Figuren bestellt ist, gilt es deswegen umso begieriger, umso
aufmerksamer zu deuten. Die Sichtung eines solchen Kinos – eines
des aufmerksamen, proaktiven Auf-die-Suche-Machens – erfordert
dementsprechend höchste Aufmerksamkeit. Petzold macht Angebote, gibt
versteckt Hinweise, aber er hält die Tür immer nur einen Spalt
offen.
Seine Figuren sind in der
Maskerade verfangen, spielen den anderen etwas vor, täuschen diese
und sich selbst, manchmal verliert sich ihre Identität und sie
stülpen sich eine neue über. Menschen sind dann nicht die, wofür
wir sie gehalten haben. Das ist das allzumenschliche, dem Petzold
stets mit schier unstillbarer anthropologischer Neugierde begegnet.
Manchmal gehen die Menschen auch von uns, aber weigern sich die
Szenerie zu verlassen. Sie werden zu Gespenstern. Wenn Petzold
romantisch wird, dann können sich seine Figuren plötzlich ohne
Spiel und ohne Falsch gegenüberstehen und miteinander sprechen,
aneinander anblicken und nichts sagen; können sich aber dennoch
erzählen, wie viel sie einander bedeuten ohne schüchtern zur Seite
zu blicken. Hier liegt sein Versprechen an die Gespenster des Kinos:
In der zwischenmenschlichen Begegnung überkommt man das
Gespenster-Dasein, versichert sich seines Wertes, stiftet Sinn; oder
man wird gemeinsam zum Gespenst.
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