Wanda dominiert, die anderen lassen
sich dominieren. Sie ist die Herrin, der die anderen zu gehorchen
haben. Das Schicksal ihrer Sklaven ist dabei selbst gewählt: sie
wollen geschlagen, bespuckt und erniedrigt werden, sie wollen kein
Mensch mehr, sondern Kreatur, niederes Getier, bisweilen sogar Objekt
sein. Manche wollen verschwinden, unsichtbar werden, bis zur
Selbstaufgabe und im radikalsten Falle bis zur Selbstvernichtung.
Sadomasochismus operiert mit invertierten Luststrukturen und sucht
gerade die Asymmetrie in der zwischenmenschlichen Beziehung. Mehr
noch als eine Krise der Männlichkeit lässt sich im lustvollen Spiel
mit dem Schmerz, der Verachtung und Unterwerfung eine Krise des
modernen Menschen per se diagnostizieren. Dieser leidet unter dem
Erbe einer Freiheit, die er nie selber erringen musste. Jede offene
Option birgt die Aussicht einer falschen Entscheidung, jedes Unglück
die Aussicht, selber dafür verantwortlich zu sein. Die Albträume
des modernen Menschen führen auf kürzestem Wege in die
Selbstverantwortlichkeit und damit geradewegs in die
Selbstverschuldung. Wanda fungiert als stabilisierende Kraft in einer
Welt, die sich stetig verändert. Ihre Erniedrigungen sind ein Ausweg
aus der überwältigenden Verantwortung, die der Freiheit stets
anhaftet. Sie wird zu einer göttlichen Instanz in einer religiös
erkalteten Gesellschaft. Sich Wanda zu überantworten bedeutet auch
gleichzeitig den Rückzug in eine voraufklärerische Zeit und die
Wiederherstellung einer selbst verschuldeten Unmündigkeit. Und
hinter der Sehnsucht nach Strafe scheint vor allem die Gewissheit zu
stehen, sich schuldig gemacht zu haben. Der (post-)moderne Mensch
steckt tatsächlich in der Krise. Und er vereinzelt sich zusehends.
Er hat Zugang zum gesammelten Wissen der Welt und agiert doch nur
gelähmt angesichts ihrer überwältigenden Komplexität; und der
Schuld, die am Grund der überwältigenden Leiden liegt, die er
mitzuverantworten hat. Wie schön wär's also, Sadomasochist zu sein.
Wie himmlisch die Aussicht, wie himmlisch die Unfreiheit.
*gesichtet auf dem Randfilmfest in Kassel
*gesichtet auf dem Randfilmfest in Kassel
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