Mittwoch, 7. Mai 2014

"Ekel" [UK '65 | Roman Polanski]

Die Geräusche in der Dunkelheit, das Knarren der Dielen, die tropfenden, nie still schweigenden Wasserhähne verfolgen sie bis in die Nacht. Vor allem in die Nacht. Polanski meidet die Eindeutigkeit, er codiert, verschleiert und verlautbart den fatalen Wandel seiner makellosen Schönheit viel weniger, als dass er ihn sukzessiv, manchmal kaum wahrnehmbar vollzieht und ihn karge Schwarz-Weiß-Gemälde taucht. Jedes Frame ist herausragend montiert, der Spannungsmoment anhaltend, selten nach vorne preschend, aber immer präsent. Er nistet sich ein, in der Magengegend. Vornehmlich in der Magengegend.

Und die Nacht, das Wachliegen in der (Gott)verlassenen Apartment-Wohnung, erscheint wie das Abgleiten in einen anderen, Zeit-entbundenen Kosmos; eine andere Welt. Diese Welt mit ihrem hörbaren Lustspiel, den leisen Schritten, der Schatten-geteilten Visage dieser jungen Unschuld, der die Vorahnung buchstäblich ins blasse Gesicht geschrieben steht. Denn die Augen sind geweitet und starr und irgendetwas wird passieren. Und dann verkehrt Polanski die Erwartungen ins Gegenteil, stülpt die Innereien nach außen und lässt den Zuschauer los. Denn an was er sich zunächst zu krallen können glaubte, windet sich plötzlich, rotiert und bricht aus dem Rollenklischee der hilflosen Blondine aus. Plötzlich ist sie beides und der Zuschauer allein. Eine Gefahr für sich und für Andere.

Ein sich langsam zersetzendes, immer brüchiger werdendes Appartement wird mehr und mehr zur Bedrängung – und zum Schlachtfeld. Polanski appelliert an das Kind in mir und dir. Die Angst vor dem Allein-Sein, dem leeren Haus, der leeren Wohnung. Die Eltern sind als immerwährende, Halt-bietende Konstante ausgezogen. Und dann Schritte, Schatten, greifende Hände. Das so unerfahrene Gemüt erblickt Spiegelbilder wo keine sind und verliert damit auch den Blick auf sich selbst. Sexualität bedeutet immer auch Zwang und Qual, der Blick durch das Schlüsselloch verheißt nichts Gutes.

Selbst die seelische Vergewaltigung war nur Vorbote, gerät plötzlich zur ganz körperlichen Konfrontation. Platz für Machos gibt es hier nicht, selbst der galante Schönling – der Anzug sitzt wie angegossen, das Auto frisch gebohnert, die Zähne weiß – muss kurzerhand dran glauben. Ausbruch aber ist nie eine Option, die Wohnung bleibt selbst gewähltes Exil, (inneres) Gefängnis und die Wände kommen näher, die Nachbars-Meute gafft und gafft und gafft. „Repulsion“ ist kaum greifbarer, fast kryptischer Alptraum, der sich verzerrt und verbiegt, bis er sich bis zur Unkenntlichkeit in seine Bestandteile aufgelöst hat. 

7.5/10

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