Inhaltlich sicherlich nicht ohne Schwächen, dafür aber erneut
ungemein virtuos in Szene gesetzt. Selbst hinter kurzen
Tagtraum-Sequenzen steckt bei Jackson ein kaum vergleichbares Maß an
visueller Ausdruckswut. Diese wunderbar klassische Form des
Geschichtenerzählens, ganz ohne Hemmungen zum ausladenden Melodram,
hat etwas zeitloses. „Heavenly Creatures“ verbindet Kino in
seiner inbrünstigsten Form mit der Aufarbeitung reeller
Kriminalgeschichte und einer obsessiven Mädchen-Freundschaft.
Und wieder ist es diese atemberaubend dynamische Kamera ("The
Frighteners"), die hier das Tempo bestimmt, sich verheißungsvoll
den Protagonisten nähert oder gemeinsam mit einer exzellent
arrangierten Soundkulisse in nur wenigen Sekunden jene Form von
Suspense evoziert, die sich über den Moment hinaus wie ein
nihilistischer Schatten unter weitere Verläufe legt. Der
phantastische Überbau stellt die unwirkliche Beziehung der beiden
Teenager dabei nur heraus. Und anders als im 15 Jahre später
folgenden „Lovely Bones“ verliert sich Jackson selten im Kitsch
seiner heiß geliebten Traum-Sequenzen.
Die Betrachtung dieser Freundschaft bedeutet gleichzeitig auch das
Betreten fremder Spähren, einer ganz eigenen und schließlich auch
sehr konkret visualisierten Märchen-Welt, die ihren ganz eigenen, im
Grunde nicht existenten Regeln folgt. Ganz und gar deplatziert
erscheint es dann auch nicht, wenn die beiden Protagonistinnen
(Melanie Lynskey und Kate Winslet) stellenweise tatsächlich ein
wenig wie Satan's jüngste Töchter anmuten.
Dennoch versagt sich „Heavenly Creatures“ einer Verklärung
der Tat durch den Subjektivismus der Täterinnen, und obwohl die
Sicht auf diese Gesellschaft eine verrückte ist (im buchstäblichen
Sinne), eine arg eingegrenzte und zudem überaus egoistische, bewahrt
sich Jackson durch differenzierte Figurenkonstellationen eine
gesunde, kritische Distanz. An Faszination büßt der Film
ausgerechnet bei seinen beileibe nicht schlecht agierenden, aber eben
auch nie ganz faszinierenden Hauptdarstellerinnen ein.
Die alles bedeutende Freundschaft, das undurchdringbare Band
zweier Existenzen, die aus einer ebenso indoktrinierten, wie prüden
Gesellschaftsordnung auszubrechen versuchen, wird nur ausgestellt und
in groß angelegter Dramatik bebildert, aber eben nie wirklich
ernsthaft artikuliert. Juliet und Pauline bleiben zu weit weg. Der
Blick auf die Beiden bleibt der eines Parteilosen, eines Beobachters,
der ab und an durch das Fenster schauen darf, aber nie wirklich einen
Zugang zu diesen Figuren finden wird. Dennoch vermag „Heavenly
Creatures“ zu fesseln und in der surrealistischen Darstellung
geteilter Ängste und entdeckter Lust sogar zu verstören.
6/10
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