Samstag, 21. September 2013

"Heavenly Creatures" [NZ, UK '94 | Peter Jackson]

Inhaltlich sicherlich nicht ohne Schwächen, dafür aber erneut ungemein virtuos in Szene gesetzt. Selbst hinter kurzen Tagtraum-Sequenzen steckt bei Jackson ein kaum vergleichbares Maß an visueller Ausdruckswut. Diese wunderbar klassische Form des Geschichtenerzählens, ganz ohne Hemmungen zum ausladenden Melodram, hat etwas zeitloses. „Heavenly Creatures“ verbindet Kino in seiner inbrünstigsten Form mit der Aufarbeitung reeller Kriminalgeschichte und einer obsessiven Mädchen-Freundschaft.

Und wieder ist es diese atemberaubend dynamische Kamera ("The Frighteners"), die hier das Tempo bestimmt, sich verheißungsvoll den Protagonisten nähert oder gemeinsam mit einer exzellent arrangierten Soundkulisse in nur wenigen Sekunden jene Form von Suspense evoziert, die sich über den Moment hinaus wie ein nihilistischer Schatten unter weitere Verläufe legt. Der phantastische Überbau stellt die unwirkliche Beziehung der beiden Teenager dabei nur heraus. Und anders als im 15 Jahre später folgenden „Lovely Bones“ verliert sich Jackson selten im Kitsch seiner heiß geliebten Traum-Sequenzen.

Die Betrachtung dieser Freundschaft bedeutet gleichzeitig auch das Betreten fremder Spähren, einer ganz eigenen und schließlich auch sehr konkret visualisierten Märchen-Welt, die ihren ganz eigenen, im Grunde nicht existenten Regeln folgt. Ganz und gar deplatziert erscheint es dann auch nicht, wenn die beiden Protagonistinnen (Melanie Lynskey und Kate Winslet) stellenweise tatsächlich ein wenig wie Satan's jüngste Töchter anmuten.

Dennoch versagt sich „Heavenly Creatures“ einer Verklärung der Tat durch den Subjektivismus der Täterinnen, und obwohl die Sicht auf diese Gesellschaft eine verrückte ist (im buchstäblichen Sinne), eine arg eingegrenzte und zudem überaus egoistische, bewahrt sich Jackson durch differenzierte Figurenkonstellationen eine gesunde, kritische Distanz. An Faszination büßt der Film ausgerechnet bei seinen beileibe nicht schlecht agierenden, aber eben auch nie ganz faszinierenden Hauptdarstellerinnen ein.

Die alles bedeutende Freundschaft, das undurchdringbare Band zweier Existenzen, die aus einer ebenso indoktrinierten, wie prüden Gesellschaftsordnung auszubrechen versuchen, wird nur ausgestellt und in groß angelegter Dramatik bebildert, aber eben nie wirklich ernsthaft artikuliert. Juliet und Pauline bleiben zu weit weg. Der Blick auf die Beiden bleibt der eines Parteilosen, eines Beobachters, der ab und an durch das Fenster schauen darf, aber nie wirklich einen Zugang zu diesen Figuren finden wird. Dennoch vermag „Heavenly Creatures“ zu fesseln und in der surrealistischen Darstellung geteilter Ängste und entdeckter Lust sogar zu verstören.

6/10

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