Fiebriges Kammerspiel, welches sowohl
die Schattenseiten, als auch die Chancen eines juristischen Systems,
vor allem aber der darin agierenden Figuren und deren auferlegte
Verantwortung thematisiert. Trotz der fortwährenden, räumlichen
Statik, bleibt der Weg zur Wahrheitsfindung immer ein interessanter,
nicht zuletzt aufgrund des glaubwürdigen Schauspieler-Ensembles und
deren Figuren, die sich alle – ausgenommen einer Ausnahme – auf
einer Ebene bewegen. Lumet's Film liest sich dabei vor allem als
Mahnung zu mehr Verantwortung, sensibilisiert aber gleichzeitig auch
die Wahrnehmung der eigenen Rolle innerhalb einer exekutiven
Institution. Die Leichtigkeit mit der eine Gruppe gewöhnlicher
Bürger, die allesamt den Gesetzen der Gruppendynamik und der damit
einhergehenden Psychologie unterliegen, eine Hinrichtung
verabschieden können, kann aber auch als kritisches Statement
gelesen werden. Die große Stärke von „Die zwölf Geschworenen“
liegt jedoch in erster Linie darin, dass Lumet auf eine einschlägige
Wertung des Geschehens verzichtet. Damit endet der Film nicht etwa
mit der Sichtung, sondern erst mit der Beantwortung der Fragen, die
sich für jeden Einzelnen nach der Urteilsverkündung ergeben. Denn
mehr als ein Tatsachenbericht will und darf der Film nicht sein, er
dient vielmehr der Eröffnung eines Dialogs, einer Diskussion über
ein System, das bis heute Bestand hat und damit auch einer gewissen
Brisanz und Aktualität nicht entbehrt. Dem eskapistischen Charakter
des Kinos seiner Generation verweigert sich der Film dabei völlig und
lässt die Leinwand zur wertfreien Diskussionsplattform mutieren. Ein
außergewöhnliches, wichtiges und gänzlich zeitloses Stück
Filmgeschichte.
9/10
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