Dienstag, 18. September 2012

"Die zwölf Geschworenen" [US '57 | Sidney Lumet]

Fiebriges Kammerspiel, welches sowohl die Schattenseiten, als auch die Chancen eines juristischen Systems, vor allem aber der darin agierenden Figuren und deren auferlegte Verantwortung thematisiert. Trotz der fortwährenden, räumlichen Statik, bleibt der Weg zur Wahrheitsfindung immer ein interessanter, nicht zuletzt aufgrund des glaubwürdigen Schauspieler-Ensembles und deren Figuren, die sich alle – ausgenommen einer Ausnahme – auf einer Ebene bewegen. Lumet's Film liest sich dabei vor allem als Mahnung zu mehr Verantwortung, sensibilisiert aber gleichzeitig auch die Wahrnehmung der eigenen Rolle innerhalb einer exekutiven Institution. Die Leichtigkeit mit der eine Gruppe gewöhnlicher Bürger, die allesamt den Gesetzen der Gruppendynamik und der damit einhergehenden Psychologie unterliegen, eine Hinrichtung verabschieden können, kann aber auch als kritisches Statement gelesen werden. Die große Stärke von „Die zwölf Geschworenen“ liegt jedoch in erster Linie darin, dass Lumet auf eine einschlägige Wertung des Geschehens verzichtet. Damit endet der Film nicht etwa mit der Sichtung, sondern erst mit der Beantwortung der Fragen, die sich für jeden Einzelnen nach der Urteilsverkündung ergeben. Denn mehr als ein Tatsachenbericht will und darf der Film nicht sein, er dient vielmehr der Eröffnung eines Dialogs, einer Diskussion über ein System, das bis heute Bestand hat und damit auch einer gewissen Brisanz und Aktualität nicht entbehrt. Dem eskapistischen Charakter des Kinos seiner Generation verweigert sich der Film dabei völlig und lässt die Leinwand zur wertfreien Diskussionsplattform mutieren. Ein außergewöhnliches, wichtiges und gänzlich zeitloses Stück Filmgeschichte.  

9/10

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