Freitag, 4. Januar 2013

Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt

"Alien" [GB, US '79 | Ridley Scott]

Klaustrophobische Ganggeflechte, kaltes Metall, verschwitzte Gesichter, endlose Weiten, flackernde Lichter, eine blinkende Monstrosität von Bordcomputer. Hohe Luftfeuchtigkeit, mechanisches Summen, grelle Schreie, Intern-/Extern-Zerfleischung. Akribische Sezierung, fataler Irrtum, gigantomanische Raumschiffe und Emanzipation im Weltall. Psychedelischer Fiebertraum in dreckig. Aseptische Behandlungsräume, ätzende Säuren, ätzende Situation. Auch über dreißig Jahre nach seinem Erscheinen ein ebenso beklemmender, wie außergewöhnlicher Genre-Ausflug, der irgendwie gar keiner ist. Statt fröhlich-bunter Weltraum-Unterhaltung gibt’s organisch-klebrige Gesichtsvaginas, statt kernig-cooler Sprüche nur sorgenvolle Mienen und statt Testosteron-geladener Männer-Action eine Frau mit Zündel-Werkzeug. Überlebenskampf in scheinbar endlosen Metallschläuchen, mitsamt pfeifender Ventile. Der ikonische Killer fährt die Kauleiste aus. Zeitloses Giger-Design trifft auf atmosphärische Goldsmith-Komposition, schwerelose Kamerafahrten auf angenehm authentisches Schauspiel. Hier und da hätte das Ganze eventuell ein Stück kürzer sein können und die Protagonisten ein wenig pfiffiger, seinen Nachfolgern, samt räudigem Prequel, ist dieser Klassiker dennoch in jedem Aspekt überlegen. Ein großer Film und ganz wichtiges Genre-Kino.

9/10


"Aliens" [US '86 | James Cameron]

Nebelschwaden, spärlicher Lichteinfall und wieder die unendlichen Weiten des Alls. Weaver gibt kurz das Aschenputtel, anschließend folgen mühselige Diskussionen. Sie lüge, die fortdauernd sabbernde (!) Kreatur habe keine biologischen Spuren hinterlassen und so geht’s kurzerhand zurück. Diesmal mit einer Gruppe Marines, die Nostromo ist einer scheinbar menschenleeren Kolonie gewichen und das Alien ist nicht weiter alleine. Optisch hat die ganze Chose hier und da deutlich gelitten, einige Effekte sind cheesy, andere immer noch ansehnlich. Waffentechnisch wurde auf-, IQ-technisch abgerüstet. Reiser gibt das Arschloch vom Dienst, Henn muss als überflüssiges Balg herhalten und Weaver schlüpft plötzlich in die Mutterrolle. Ansonsten wird viel geschossen, ein paar gute und viele schlechte Sprüche geklopft und ganz zu Beginn sogar mächtig Atmosphäre aufgebaut. Einige Bonbons und ein straightes Finale – inklusive taffem Mutter-Fight - reißen schließlich noch eine Menge raus, auch wenn Cameron seine Franchise-Fortführung ebenfalls an einigen Stellen deutlich hätte kürzen können. Zugute halten muss man ihm dennoch, dass er einen ganz eigenen Weg beschreitet: Der Neudefinition eines Genres setzt er muskelbepackte Rambos entgegen, dem atmosphärischen Terrorkino eines Scott begegnet er mit schweißtriefendem Körperkino. Der subtile Horror weicht hochwertigem Action-Handwerk, das Unbekannte dem Bekannten und das einstiege Kammerspiel einer Jahrmarkt-Attraktion. Cameron's Gegenentwurf ist das, was er eben ist. Entertainment – durch und durch.

6/10


"Alien³" [US '92 | David Fincher]

Erneute Standortverlagerung. Nun also ein rostiger Gefängnisplanet. Aus Aliens wird wieder Alien, aus Blei-haltigen Schießorgien dreckiger Nihilismus und aus schlichten Kampfmaschinen notgeile Fundamentalisten mit kriminellem Hintergrund. Franchise-Evolution in verkehrt herum: Nach hochintelligenten Akademikern und schießwütigen Elite-Soldaten darf nun also auch der "Abfall der Gesellschaft" den kollektiven Qualentod sterben. Fincher erreicht den Tiefpunkt - in zweierlei Hinsicht. Denn so richtig weiß er mit dem Franchise, in dem er sich bewegt, nicht wirklich etwas anzufangen. Das ist zwar alles solide inszeniert, annehmbar bis passabel gespielt und die ersten dreißig Minuten lang sogar ganz interessant, über sehr, sehr weite Strecken aber nur sterbenslangweilig. Die problematische Entstehungsgeschichte wird daran vermutlich ihren nicht unerheblichen Anteil gehabt haben. „Alien³“ hat nichts, wofür es sich so richtig zu interessieren lohnt. Von einem schludrig konzipierten Figurengefüge, sensationell schlecht gemachtem CGI bis hin zu fortwährend inkohärenten Plot-Versatzstücken quält sich Fincher zu einem ebenso gezwungenen, wie akut zur Überlänge neigenden Showdown. Fincher's Karriere hat's trotzdem nicht geschadet – glücklicherweise.

3/10


"Alien - Resurrection" [US '97 | Jean-Pierre Jeunet]

Weder Genre- noch Franchise-Revolution, als vielmehr zügellose Vorgänger-Exploitation. Selbstreferentieller, ironischer Edeltrash eben: Mal in ernst, mal in weniger ernst. Und lange nicht so dumm, wie mancherorts behauptet. Ein ganz großer Spaß, eine finale Alien-Sause sozusagen. Wahnsinnig flott erzählt, astrein inszeniert, sogar mit ein, zwei interessanten Charakteren ausgestattet und nach dem Totalausfall „Alien³“ ein mehr als versöhnlicher Franchise-Abschluss. Dass Ripley plötzlich nicht mehr Ripley ist, macht die Sache umso interessanter. Den einstiegen Interessenskonflikten (ES wollte töten, SIE einfach nicht sterben) wurde zumindest ein ambivalenter Aspekt hinzugefügt (ES gehört plötzlich zur Verwandtschaft). Support gibt’s in Form einer überraschend angenehm konzipierten Söldner-Truppe (Ryder macht sich formidabel als vierte Androiden-Generation). Und so geht es diesmal gegen größenwahnsinnige Unternehmer, schwangere Alien-Mütter und schließlich gegen den abgrundtief hässlichen Albino-Sprössling. Auf blöde CGI-Aliens verzichtet Jeunet glücklicherweise fast gänzlich und während der dramaturgisch rasanten Flucht zum rettenden Raumschiff, wartet der Franzose mit einigen krassen Leckerbissen auf. Die Geburt eines Alien durch zwei Körper, inklusive abgefahrener Digital-Kamerafahrt ins Körper-Innere darf sich jedenfalls schon jetzt zu den erinnerungswürdigsten Momenten innerhalb des „Alien“-Franchise zählen und auch die Unterwasser-Sequenzen, mitsamt schwimmender (!) Aliens dürfen es sich gerne im kollektiven Cineasten-Gedächtnis bequem machen. Und zum herrlichen Over-the-Top-Finale wird’s dann nochmal richtig schön eklig. So mit Saug-Geräuschen und – na klar – Paris.

6.5/10

6 Kommentare:

  1. Zustimmung zu #1 und #3 (dass Fincher nichts mit dem Franchisse anzufangen wisse, würde ich aber auch nicht unbedingt sagen; in der Rohfassung blitzt viel von dem auf, was sein Schaffen später bestimmen würde, und es ist wie maßgeschneidert für den Stoff - nur leider kam ihm das Studio in die Quere). #4 sehe ich demnächst. Da bin ich mir nicht mehr sicher, würde aber sagen, tendenziell auch Zustimmung. Das alternative Ende auf der Erde ist ein trefender Abschluss - und wo sieht man schon schwimmende Aliens? ;) Keine Zustimmung zu #2, dessen Drehbuch beinah noch besser ist als das von O'Bannon und Shusett und weit über die Dialektik des Körperkinos hinausreicht. Das präzisiere ich allerdings in einem Text, der wahrscheinlich morgen geschrieben wird.

    Wo siehst du eigentlich "hochintelligente Akademiker" im ersten Teil?

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    1. Da bin ich aber gespannt. Wo du schon ein wenig auf die Hintergründe der Produktionen eingehst - ist das Zusatzmaterial auf der Alien-Box denn sehenswert? | Ein Großteil der Crew besteht aus Wissenschaftlern - also sind sie studiert und demnach Akademiker (sofern man so etwas im Kontext einer fiktiven Welt eben annehmen kann). An dem "hochintelligent" darfst du dich gerne stoßen, wenn du magst. :)

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    2. Ich habe zusätzlich diese 9er Quadrilogy, wo jeder Film eine Bonus-DVD spendiert bekommen hat. Das Material an sich ist extrem umfangreich und detailliert; von den ersten Drehbuchentwürfen bis zur Post-Produktion wird der Zuschauer auch in die geheimeren Ecken eingeweiht - und zwar eines jeden Films: In ALIEN³, diesem Desaster, zu dem sich Fincher lange Zeit nicht äußern wollte, lästern er und einige Beteiligte beispielsweise über den harschen Umgang Fox' ab. Das Making-of wurde meines Wissens nach heftig von Fox zensiert. Ich besitze leider nicht die ungekürzte Version, die gibt's nur auf Blu-ray. Stell' es dir ungefähr so vor, wie der gewaltige Bonus zu HERR DER RINGE. Ich weiß aber nicht, welche Box du genau dein Eigen nennst. Bei den abgespeckten Varianten ohne Bonusdisc sind aber neben den alternativen Schnittfassungen (ALIENS geht nur im Director's Cut), glaube ich, zumindest die hochinteressanten Audiokommentare erhalten geblieben (auch wenn Jeunet sicherlich etwas viel reinquatscht).

      Jetzt musste nur noch AVP 1+2 sehen. ;)

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    3. Ah Dankeschön für den Überblick. Habe die Box bei Amazon gefunden, hat aber auch einen dementsprechenden Preis. Mal sehen, ob ich meine Vier-Disc-Box loswerde und mir diese zulege. | Habe beide schon auszugsweise und vor sehr langer Zeit auch vollständig gesehen - mir schwant Übles.. ^^

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  2. Trifft ziemlich genau meine Meinung über die vier Alien-Filme, außer dass ich Teil 2 doch ein wenig besser als den vierten finde, auch wenn Teil 4 mehr Ideen bereit hält. Längen kann ich an Teil 1 nicht entdecken, zumindest keine unerfreulichen. Und dass endlich mal wer meiner Meinung ist, dass Aliens nicht besser als sein Vorgänger ist, sondern im Vergleich deutlich schwächer, tut einfach mal gut. :)

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    1. Weiß auch nicht, wer mal auf die Idee kam, das Sequel könnten in irgendeinem Aspekt stärker sein als das Meisterwerk von Scott.

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