"Alien" [GB, US '79 | Ridley Scott]
Klaustrophobische Ganggeflechte, kaltes
Metall, verschwitzte Gesichter, endlose Weiten, flackernde Lichter,
eine blinkende Monstrosität von Bordcomputer. Hohe Luftfeuchtigkeit,
mechanisches Summen, grelle Schreie, Intern-/Extern-Zerfleischung.
Akribische Sezierung, fataler Irrtum, gigantomanische Raumschiffe und
Emanzipation im Weltall. Psychedelischer Fiebertraum in dreckig.
Aseptische Behandlungsräume, ätzende Säuren, ätzende Situation.
Auch über dreißig Jahre nach seinem Erscheinen ein ebenso
beklemmender, wie außergewöhnlicher Genre-Ausflug, der irgendwie
gar keiner ist. Statt fröhlich-bunter Weltraum-Unterhaltung gibt’s
organisch-klebrige Gesichtsvaginas, statt kernig-cooler Sprüche nur
sorgenvolle Mienen und statt Testosteron-geladener Männer-Action
eine Frau mit Zündel-Werkzeug. Überlebenskampf in scheinbar
endlosen Metallschläuchen, mitsamt pfeifender Ventile. Der ikonische
Killer fährt die Kauleiste aus. Zeitloses Giger-Design trifft auf
atmosphärische Goldsmith-Komposition, schwerelose Kamerafahrten auf
angenehm authentisches Schauspiel. Hier und da hätte das Ganze
eventuell ein Stück kürzer sein können und die Protagonisten ein
wenig pfiffiger, seinen Nachfolgern, samt räudigem Prequel, ist
dieser Klassiker dennoch in jedem Aspekt überlegen. Ein großer Film
und ganz wichtiges Genre-Kino.
9/10
"Aliens" [US '86 | James Cameron]
Nebelschwaden, spärlicher Lichteinfall
und wieder die unendlichen Weiten des Alls. Weaver gibt kurz das
Aschenputtel, anschließend folgen mühselige Diskussionen. Sie lüge,
die fortdauernd sabbernde (!) Kreatur habe keine biologischen Spuren
hinterlassen und so geht’s kurzerhand zurück. Diesmal mit einer
Gruppe Marines, die Nostromo ist einer scheinbar menschenleeren
Kolonie gewichen und das Alien ist nicht weiter alleine. Optisch hat
die ganze Chose hier und da deutlich gelitten, einige Effekte sind
cheesy, andere immer noch ansehnlich. Waffentechnisch wurde auf-,
IQ-technisch abgerüstet. Reiser gibt das Arschloch vom Dienst, Henn
muss als überflüssiges Balg herhalten und Weaver schlüpft
plötzlich in die Mutterrolle. Ansonsten wird viel geschossen, ein
paar gute und viele schlechte Sprüche geklopft und ganz zu Beginn
sogar mächtig Atmosphäre aufgebaut. Einige Bonbons und ein
straightes Finale – inklusive taffem Mutter-Fight - reißen
schließlich noch eine Menge raus, auch wenn Cameron seine
Franchise-Fortführung ebenfalls an einigen Stellen deutlich hätte kürzen können. Zugute halten muss man ihm dennoch, dass er einen ganz
eigenen Weg beschreitet: Der Neudefinition eines Genres setzt er
muskelbepackte Rambos entgegen, dem atmosphärischen Terrorkino eines
Scott begegnet er mit schweißtriefendem Körperkino. Der subtile
Horror weicht hochwertigem Action-Handwerk, das Unbekannte dem
Bekannten und das einstiege Kammerspiel einer Jahrmarkt-Attraktion.
Cameron's Gegenentwurf ist das, was er eben ist. Entertainment –
durch und durch.
6/10
"Alien³" [US '92 | David Fincher]
Erneute Standortverlagerung. Nun also
ein rostiger Gefängnisplanet. Aus Aliens wird wieder Alien, aus
Blei-haltigen Schießorgien dreckiger Nihilismus und aus schlichten
Kampfmaschinen notgeile Fundamentalisten mit kriminellem Hintergrund.
Franchise-Evolution in verkehrt herum: Nach hochintelligenten
Akademikern und schießwütigen Elite-Soldaten darf nun also auch der "Abfall der Gesellschaft" den kollektiven Qualentod sterben. Fincher
erreicht den Tiefpunkt - in zweierlei Hinsicht. Denn so richtig weiß
er mit dem Franchise, in dem er sich bewegt, nicht wirklich etwas
anzufangen. Das ist zwar alles solide inszeniert, annehmbar bis
passabel gespielt und die ersten dreißig Minuten lang sogar ganz
interessant, über sehr, sehr weite Strecken aber nur
sterbenslangweilig. Die problematische Entstehungsgeschichte wird
daran vermutlich ihren nicht unerheblichen Anteil gehabt haben.
„Alien³“ hat nichts, wofür es sich so richtig zu interessieren
lohnt. Von einem schludrig konzipierten Figurengefüge, sensationell
schlecht gemachtem CGI bis hin zu fortwährend inkohärenten
Plot-Versatzstücken quält sich Fincher zu einem ebenso gezwungenen,
wie akut zur Überlänge neigenden Showdown. Fincher's Karriere hat's
trotzdem nicht geschadet – glücklicherweise.
3/10
"Alien - Resurrection" [US '97 | Jean-Pierre Jeunet]
Weder Genre- noch Franchise-Revolution,
als vielmehr zügellose Vorgänger-Exploitation.
Selbstreferentieller, ironischer Edeltrash eben: Mal in ernst, mal in
weniger ernst. Und lange nicht so dumm, wie mancherorts behauptet.
Ein ganz großer Spaß, eine finale Alien-Sause sozusagen. Wahnsinnig
flott erzählt, astrein inszeniert, sogar mit ein, zwei interessanten
Charakteren ausgestattet und nach dem Totalausfall „Alien³“ ein
mehr als versöhnlicher Franchise-Abschluss. Dass Ripley plötzlich
nicht mehr Ripley ist, macht die Sache umso interessanter. Den
einstiegen Interessenskonflikten (ES wollte töten, SIE einfach nicht
sterben) wurde zumindest ein ambivalenter Aspekt hinzugefügt (ES gehört plötzlich zur Verwandtschaft). Support gibt’s in Form
einer überraschend angenehm konzipierten Söldner-Truppe (Ryder
macht sich formidabel als vierte Androiden-Generation). Und so geht
es diesmal gegen größenwahnsinnige Unternehmer, schwangere
Alien-Mütter und schließlich gegen den abgrundtief hässlichen
Albino-Sprössling. Auf blöde CGI-Aliens verzichtet Jeunet
glücklicherweise fast gänzlich und während der dramaturgisch
rasanten Flucht zum rettenden Raumschiff, wartet der Franzose mit
einigen krassen Leckerbissen auf. Die Geburt eines Alien durch zwei
Körper, inklusive abgefahrener Digital-Kamerafahrt ins Körper-Innere
darf sich jedenfalls schon jetzt zu den erinnerungswürdigsten
Momenten innerhalb des „Alien“-Franchise zählen und auch die
Unterwasser-Sequenzen, mitsamt schwimmender (!) Aliens dürfen es
sich gerne im kollektiven Cineasten-Gedächtnis bequem machen. Und
zum herrlichen Over-the-Top-Finale wird’s dann nochmal richtig
schön eklig. So mit Saug-Geräuschen und – na klar – Paris.
6.5/10
Zustimmung zu #1 und #3 (dass Fincher nichts mit dem Franchisse anzufangen wisse, würde ich aber auch nicht unbedingt sagen; in der Rohfassung blitzt viel von dem auf, was sein Schaffen später bestimmen würde, und es ist wie maßgeschneidert für den Stoff - nur leider kam ihm das Studio in die Quere). #4 sehe ich demnächst. Da bin ich mir nicht mehr sicher, würde aber sagen, tendenziell auch Zustimmung. Das alternative Ende auf der Erde ist ein trefender Abschluss - und wo sieht man schon schwimmende Aliens? ;) Keine Zustimmung zu #2, dessen Drehbuch beinah noch besser ist als das von O'Bannon und Shusett und weit über die Dialektik des Körperkinos hinausreicht. Das präzisiere ich allerdings in einem Text, der wahrscheinlich morgen geschrieben wird.
AntwortenLöschenWo siehst du eigentlich "hochintelligente Akademiker" im ersten Teil?
Da bin ich aber gespannt. Wo du schon ein wenig auf die Hintergründe der Produktionen eingehst - ist das Zusatzmaterial auf der Alien-Box denn sehenswert? | Ein Großteil der Crew besteht aus Wissenschaftlern - also sind sie studiert und demnach Akademiker (sofern man so etwas im Kontext einer fiktiven Welt eben annehmen kann). An dem "hochintelligent" darfst du dich gerne stoßen, wenn du magst. :)
LöschenIch habe zusätzlich diese 9er Quadrilogy, wo jeder Film eine Bonus-DVD spendiert bekommen hat. Das Material an sich ist extrem umfangreich und detailliert; von den ersten Drehbuchentwürfen bis zur Post-Produktion wird der Zuschauer auch in die geheimeren Ecken eingeweiht - und zwar eines jeden Films: In ALIEN³, diesem Desaster, zu dem sich Fincher lange Zeit nicht äußern wollte, lästern er und einige Beteiligte beispielsweise über den harschen Umgang Fox' ab. Das Making-of wurde meines Wissens nach heftig von Fox zensiert. Ich besitze leider nicht die ungekürzte Version, die gibt's nur auf Blu-ray. Stell' es dir ungefähr so vor, wie der gewaltige Bonus zu HERR DER RINGE. Ich weiß aber nicht, welche Box du genau dein Eigen nennst. Bei den abgespeckten Varianten ohne Bonusdisc sind aber neben den alternativen Schnittfassungen (ALIENS geht nur im Director's Cut), glaube ich, zumindest die hochinteressanten Audiokommentare erhalten geblieben (auch wenn Jeunet sicherlich etwas viel reinquatscht).
LöschenJetzt musste nur noch AVP 1+2 sehen. ;)
Ah Dankeschön für den Überblick. Habe die Box bei Amazon gefunden, hat aber auch einen dementsprechenden Preis. Mal sehen, ob ich meine Vier-Disc-Box loswerde und mir diese zulege. | Habe beide schon auszugsweise und vor sehr langer Zeit auch vollständig gesehen - mir schwant Übles.. ^^
LöschenTrifft ziemlich genau meine Meinung über die vier Alien-Filme, außer dass ich Teil 2 doch ein wenig besser als den vierten finde, auch wenn Teil 4 mehr Ideen bereit hält. Längen kann ich an Teil 1 nicht entdecken, zumindest keine unerfreulichen. Und dass endlich mal wer meiner Meinung ist, dass Aliens nicht besser als sein Vorgänger ist, sondern im Vergleich deutlich schwächer, tut einfach mal gut. :)
AntwortenLöschenWeiß auch nicht, wer mal auf die Idee kam, das Sequel könnten in irgendeinem Aspekt stärker sein als das Meisterwerk von Scott.
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