„Abre los ojos“ (dt. „Öffne die
Augen“): Wenngleich ein inhaltlich fest verankerter und immer
wieder aufgegriffener Ausspruch, auch gleichzeitig der anfängliche
Appell an den aufmerksamen Zuschauer hinter die Fassade, hinter das
scheinbar Reale zu blicken. „Abre los ojos“ ist das emotionale
Gegenstück zu Cronenberg's „eXistenZ“. Mitreißender als dessen
Beitrag zur Traum-Wirklichkeit-Thematik und auch in jedem Aspekt
seinem Blockbuster-Pendant „Inception“ überlegen. Mitreißender
vor allem, weil sich Amenábar weniger mit stilistischer Exzentrik,
als mit dem Innenleben seiner Figuren beschäftigt und er keinen
konventionellen Unterhaltungsansprüchen nachkommen muss. Zwei
Vorteile, bei dem letztlich vor allem jener Zuschauer gewinnt, der
sich nach einer ebenso verstörenden, wie emotional berührenden
Aufarbeitung dieser Thematik sehnt.
Zentraler Aspekt in dem von
unregelmäßigen Gegenwarts-Sequenzen durchsetzten Plot-Konstrukt
bleibt nämlich fortwährend die Dreiecks-Beziehung zwischen Sofia,
César und Pelayo und der ständige Wechsel zwischen Traum und
Alptraum, Wahrheit und Lüge, Glück und Unglück. César's
psychedelischer Fiebertraum ist emotional zugänglicher, als der
wenngleich nicht minder meisterhaft konzipierte, aber immer etwas
sterile „eXistenZ“. Amenábar geht inhaltlich ähnlich in die
Tiefe, wie seinerzeit Cronenberg, begegnet diesem hochkomplexen und
faszinierenden Stoff aber zusätzlich mit einer angenehm
unaufdringlichen Romanze zwischen Sofia (Penélope Cruz) und César
(Eduardo Noriega). Diese dient gleichzeitig auch als Anhaltspunkt für
die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Fiktion.
Und wo das Verwirrspiel, die ständige
Unsicherheit was Realität und Wirklichkeit denn nun tatsächlich
sei, bei „Inception“ nur bedingt für Spannung sorgte, weil die
Figuren Nolan's fortwährend seltsam distanzierte Figuren blieben,
wohnt Amenábar's Film eine emotionale Komponente inne, die dem
gesamten Geschehen eine andere Relevanz verleiht. Weil das Geschehen
berührt, weil das Schicksal unseres Helden kümmert, weil es um die
Liebe seines Lebens geht. Nicht ohne Grund konzentriert sich fast die
gesamte erste Hälfte auf die Exposition des Dreiergespanns, die
Romanze zwischen Sofia und César, sowie die langsam aufkeimenden
Interessens-Konflikte zwischen den beiden besten Freunden.
Die Verzerrung ins Alptraumhafte leitet
schließlich die zweite Hälfte ein. Atmosphärisch dicht schildert
der Spanier den Fassaden-Sturz seines Protagonisten, erzählt von
Scheinexistenzen, Träumen und der Lüge einer perfekten Realität.
Der desillusionierte César entscheidet sich am Ende für die
Realität, für das Unperfekte, aber für eine Zukunft, statt für
die geheuchelte Fassade eines Paradieses. Deswegen ist das Finale nur
in seiner schlussendlichen Form wirklich konsequent. Die finale
Zusammenführung von Rahmenhandlung und
Traum-Wirklichkeit-Verwirrspiel mündet in einem zutiefst humanen
Plädoyer für die Wahrhaftigkeit. Er hat sich für das Leben
entschieden, statt für das Paradies.
8/10
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