Montag, 14. Januar 2013

"Abre los ojos" [SP '97 | Alejandro Amenábar]

„Abre los ojos“ (dt. „Öffne die Augen“): Wenngleich ein inhaltlich fest verankerter und immer wieder aufgegriffener Ausspruch, auch gleichzeitig der anfängliche Appell an den aufmerksamen Zuschauer hinter die Fassade, hinter das scheinbar Reale zu blicken. „Abre los ojos“ ist das emotionale Gegenstück zu Cronenberg's „eXistenZ“. Mitreißender als dessen Beitrag zur Traum-Wirklichkeit-Thematik und auch in jedem Aspekt seinem Blockbuster-Pendant „Inception“ überlegen. Mitreißender vor allem, weil sich Amenábar weniger mit stilistischer Exzentrik, als mit dem Innenleben seiner Figuren beschäftigt und er keinen konventionellen Unterhaltungsansprüchen nachkommen muss. Zwei Vorteile, bei dem letztlich vor allem jener Zuschauer gewinnt, der sich nach einer ebenso verstörenden, wie emotional berührenden Aufarbeitung dieser Thematik sehnt.

Zentraler Aspekt in dem von unregelmäßigen Gegenwarts-Sequenzen durchsetzten Plot-Konstrukt bleibt nämlich fortwährend die Dreiecks-Beziehung zwischen Sofia, César und Pelayo und der ständige Wechsel zwischen Traum und Alptraum, Wahrheit und Lüge, Glück und Unglück. César's psychedelischer Fiebertraum ist emotional zugänglicher, als der wenngleich nicht minder meisterhaft konzipierte, aber immer etwas sterile „eXistenZ“. Amenábar geht inhaltlich ähnlich in die Tiefe, wie seinerzeit Cronenberg, begegnet diesem hochkomplexen und faszinierenden Stoff aber zusätzlich mit einer angenehm unaufdringlichen Romanze zwischen Sofia (Penélope Cruz) und César (Eduardo Noriega). Diese dient gleichzeitig auch als Anhaltspunkt für die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Fiktion.

Und wo das Verwirrspiel, die ständige Unsicherheit was Realität und Wirklichkeit denn nun tatsächlich sei, bei „Inception“ nur bedingt für Spannung sorgte, weil die Figuren Nolan's fortwährend seltsam distanzierte Figuren blieben, wohnt Amenábar's Film eine emotionale Komponente inne, die dem gesamten Geschehen eine andere Relevanz verleiht. Weil das Geschehen berührt, weil das Schicksal unseres Helden kümmert, weil es um die Liebe seines Lebens geht. Nicht ohne Grund konzentriert sich fast die gesamte erste Hälfte auf die Exposition des Dreiergespanns, die Romanze zwischen Sofia und César, sowie die langsam aufkeimenden Interessens-Konflikte zwischen den beiden besten Freunden.

Die Verzerrung ins Alptraumhafte leitet schließlich die zweite Hälfte ein. Atmosphärisch dicht schildert der Spanier den Fassaden-Sturz seines Protagonisten, erzählt von Scheinexistenzen, Träumen und der Lüge einer perfekten Realität. Der desillusionierte César entscheidet sich am Ende für die Realität, für das Unperfekte, aber für eine Zukunft, statt für die geheuchelte Fassade eines Paradieses. Deswegen ist das Finale nur in seiner schlussendlichen Form wirklich konsequent. Die finale Zusammenführung von Rahmenhandlung und Traum-Wirklichkeit-Verwirrspiel mündet in einem zutiefst humanen Plädoyer für die Wahrhaftigkeit. Er hat sich für das Leben entschieden, statt für das Paradies.  

8/10

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