Nach wie vor eine ebenso kraftvolle,
wie mutige Meditation über Existenz und Sinnfragen, sowie
voraussichtlich Fincher's Opus Magnum für alle Ewigkeit. Die große
Stärke von „Fight Club“ liegt dabei primär in seiner
Deutungs-Vielfalt. Man es also nicht für bare Münze nehme, wenn
Tyler Durden zum gewaltsamen Aufstand gegen den Turbo-Kapitalismus
aufruft und es auch ganz und gar nicht in der Intention des Filmes
liegt, nach Feierabend den wütenden Revoluzzer heraushängen zu
lassen. Hinter der herausragend inszenierten Fassade von „Fight
Club“ verbirgt sich vielmehr der Aufruf zur kritischen Betrachtung
von Medien, seiner Strahlkraft auf gesellschaftliche Gruppierungen
und die Instrumentalisierung eben jener zur Erhaltung von profitablen
Machtstrukturen. Oder in wenigen Worten: Fincher übt
Gesellschaftskritik. Und das mit der nötigen Radikalität.
In einer nie wirklich ernst gemeinten
Alternative, in der Männer zwischen schwitzenden Körpern,
angeknacksten Rippen und von Blut verschmierten Fratzen das Gefühl
des Schmerzes als Befreiung verstehen, verhandelt Fincher
gesellschaftliche Missstände, die in der Definition von
Anzugtragenden Ökonomen eigentlich gar nicht existieren dürften.
In einem Leben im Überfluss, der finanziellen und materiellen
Sicherheit, in Zeiten ohne Kriege und ohne große Krisen, sehnt sich
eine Generation ohne Aufgaben nach einem Sinn in einem von Repetition
und scheinbarer Sorglosigkeit geprägten Dasein.
„No purpose or
place. We have no Great War. No Great Depression. Our Great War's a
spiritual war... our Great Depression is our lives.“
Der Dekadenz der westlichen
Wohlstandgesellschaft – scheinbar versunken unter Burger-Portionen
und chronischer Dauermasturbation - setzt Fincher die Rückkehr zu
den Ursprüngen entgegen. Der inszenierte Überlebenskampf ist nur
Teil einer Besinnung auf das animalische, auf das primitive. Schmerz
ist ein unmittelbares Gefühl. Ursache und Wirkung sind
offensichtlich. Zum Nullpunkt gelangen bedeutet letztlich also nicht
mehr, als sich von all jenem loszusagen, was uns medial seit unserer
Geburt mit einer perversen Penetranz suggeriert wird. Zu sich finden
bedeutet, sich zunächst von allem anderen zu lösen. Befreit von der
gesellschaftlichen Zwangsjacke und damit befreit von allen damit
einhergehenden Tabuisierungen, Reglementierungen und Bestimmungen,
Gesetzen und Auflagen, als auch von materiellem Besitz. Die
ironische Lösung bedeutet das Auflösen der bestehenden Ordnung in
Chaos und Anarchie.
Fincher's Roman-Adaption verweigert sich
aber schon deshalb einer dogmatischen Lesart, weil er letztlich nicht
einmal seinem eigenen Werk eine vorsätzliche Manipulation des
Publikums versagt. Man sieht für kurze Zeit den Penis, den Durdem an
anderer Stelle im Film thematisiert. Er manipuliert ebenso, wie es
Industrien und Regierungen tun. Es ist der finale Aufruf zur
kritischen Betrachtung von allem, was uns präsentiert wird. Die
Ermutigung hinter die Kulissen, hinter das Offensichtliche zu blicken. Ein großes Meisterwerk also und nichts anderes.
9/10
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