Sonntag, 15. Januar 2017

"Barbara" [DE '12 | Christian Petzold]

Welch Ironie, dass gerade Petzolds DDR-Film in solch kräftigen Farben strahlt; nicht aus Verklärung einer trüben Erinnerung heraus, sondern ganz im Gegenteil im Bewusstsein einer Lebenswirklichkeit, die für viele eben nicht nur in Grautönen gemalt wurde, weil der Mensch in jedem System für sich eine Heimat finden kann - muss. Die Kontrollsucht dieses Systems, das die Sehnsüchte seiner Bevölkerung nicht nur ungehört verklingen ließ, sondern ganz gezielt unterdrückte, bleibt nichtsdestotrotz ein stetig präsentes, allumfassendes Bedrohungsszenario, das Barbara an den Bildrand drängt und ihr die Luft zum Atmen raubt, aber ihre Idee von Freiheit nie gänzlich ersticken kann. Bemerkenswert ist, dass trotz dieses durchdachten Inszenierungskonzepts die Bilder immer noch vor Leben sprühen und die Geschichte tatsächlich lebendig werden lassen, sodass der Film nicht nur Empathie für jene zulässt, denen man den Opferstatus zuweist, sondern auch all denjenigen, die sich mit der DDR-Diktatur arrangiert haben. „Barbara“ erzählt aber auch gleichzeitig von der Idee eines Glücks, das in der Sehnsuchtsphantasie verfangen wertvoller erscheint und deswegen auf ewig unverwirklicht bleibt. Sodass Barbara schlussendlich nicht aus Opferbereitschaft an der Küste verbleibt, sondern aus Angst vor der Enttäuschung an eine sehnsüchtig erwartete West-Utopie - möglicherweise aber auch in der Realisation in einem anderen Menschen eine Heimat gefunden zu haben. Kein klassischer DDR-Film; reduziert, leise und ohnehin viel zu bunt, aber es lohnt sich - auch wenn man dafür auf die Schulklasse des Geschichtskurses 10a im Kinosaal verzichten muss und Jauch im Anschluss keine Talkrunde versammeln kann. 

8/10 

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