Da ist es wieder. Du siehst es schon
kommen, bevor die Worte endgültig ausgesprochen worden sind. Denn
sobald man dazu ansetzt über einen sogenannten Unterhaltungsfilm,
einen Blockbuster also, abseits von schnellen Geschmacksurteilen
ernsthaft diskutieren zu wollen, so wie man auch über jedes andere
gesellschaftspolitische Thema ernsthaft diskutieren können sollte, wird
abgewunken und das tödlichste aller Totschlagargumente bemüht: Der
Film wolle doch „nur unterhalten", solche Ansprüche seien
also Fehl am Platz, völlig unangebracht, mindestens unfair dem Film
und den Machern gegenüber, die doch nur Unterhaltung versprechen -
und sonst nichts. Eskapismus eben, der keine Hirnleistung erfordert;
zwei Stunden einmal den Kopf auf Durchzug schalten und alles von sich
abfallen lassen. Nur elitäre Kritiker und Miesepeter, verkopfte
Kunsttheoretiker und arrogante Weinglas-Schwenker stellen an den
gemeinen Blockbuster heutzutage noch Ansprüche, die über gute
Unterhaltung hinausgingen.
Das ist natürlich alles ganz grober
Unfug, den Leute reden, die ihren Kopf sonst so selten einstellen und
im Kinosaal mal damit beginnen könnten. Diskursfeindlich ist dieses
Denken sowieso. Der Denkfehler beginnt schon bei der Annahme, der
Unterhaltungsbegriff einer breiten Zuschauerschaft sei auf einen
gemeinsamen Nenner zu bringen und das einfache Bedürfnis eines
Filmes nur unterhalten zu wollen, bedürfe keiner weiteren Erklärung.
Aber gerade dieser Unterhaltungsbegriff bedarf einiges an Klärung.
Die Vorstellungen von (guter) Unterhaltung sind nämlich sehr wohl
verschieden, sogar ganz fundamental und deswegen auch die Ansprüche,
die daran gebunden werden. Gerne wird die Floskel vom Film, der nur
unterhalten möchte, bei hoch budgetierten Blockbustern bemüht - bei
Superheldenfilmen, Actionstreifen oder Komödien zum Beispiel, die
man in der Annahme, diese seien abseits der Pointe und des Gags an
nichts weiterem interessiert (oder müssten an nichts weiterem
interessiert sein), gerne von weiteren, zu weit führenden Ansprüchen
zu verteidigen sucht. Man nimmt also gerade diejenigen in Schutz, die
über die größten Möglichkeiten verfügen und sich selbst die
größten Limitierungen auferlegen.
„Ein Blockbuster hat natürlich nicht
die Figuren eines P.T.A. oder die Dialoge eines Tarantino.“ - das
seien somit unangebrachte Erwartungen. Derjenige, der an den neuen
Marvel-Film also die falschen Erwartungen stelle, ist selber Schuld,
wenn er letztlich an sich und seinen mitgebrachten Erwartungen
scheitert. Das ist ein weiterer Punkt: irgendeine graue Masse scheint
festlegen zu wollen (und zu können) welche Erwartungshaltung man an
eine bestimmte Sorte von Film stellen könne und welche nicht. Der
Actionfilm könne nur gute Action bieten und alle Makel abseits
dieser Kernkompetenz seien vernachlässigungswert, verzeihbar
mindestens. Das Kino wird durch solch ein Denken in Genre-Kategorien
in seinen Möglichkeiten und Chancen massiv unterschätzt. Und von
was sich wer wie unterhalten lässt, ist – wie bereits erwähnt -
tatsächlich hochgradig verschieden und ganz und gar persönlich. Die
Einordnung in eine Genre-Tradition und seine Regeln sollte den
Zuschauer nicht dazu veranlassen, vermeintlich falsche Ansprüche
fallenzulassen. „Lazy writing“ sollte nicht über eine
Genre-Zugehörigkeit entschuldbar sein und durch bloße Repetition
plötzlich legitimiert (schaut man z.B. auf eine der unzähligen
Slasher-Reihen und die Verhaltensweisen der Teenager dort, scheint
aber gerade das zu passieren).
Aber auf die Kritik an
Genre-Zuordnungen möchte ich in diesem Beitrag nicht weiter
eingehen, mein Punkt ist ein anderer. Mein Punkt ist nämlich, dass
die Mär vom Film, der nur unterhalten möchte, zumeist von solchen
Leuten bemüht wird, die sich und den jeweiligen Film mit einfachsten
Mitteln zu verteidigen suchen. Denn Unterhaltung muss begrifflich
nicht etwas vom Intellektuellen, Langwierigen und Komplexen
entkoppeltes sein; es ist nicht davon isoliert, schließt es nicht aus,
ebenso wenig wie es etwas davon einschließen muss. Unterhaltung kann
synonym sein mit guten Actionszenen oder teuren, großen CGI-Bildern
- muss es aber nicht. Ich schätze das ist mein Anliegen mit diesem
Text: Unser Verständnis vom Film, der nur unterhalten möchte, unser
Verständnis vom „Unterhaltungsfilm“ per se, sollte so unbegrenzt
sein wie die Welt des Kinos selbst.
Ich mag nur Filme, die mich
unterhalten. Ich mag keine Filme, die mich nicht unterhalten. Mich
unterhalten Jackie Chan-Flicks und Explosionen ebenso, wie mich
Krankheitschroniken und Trennungsfilme unterhalten können. Mich
unterhält alles, was mich als Menschen ernst nimmt und sich nicht
scheut von der gesamten Palette menschlicher Emotionen Gebrauch zu
machen. Jeder Film, der mich beschäftigt - intellektuell oder
emotional, oder beides - der mir Eindrücke vermittelt, mich
verstört, grundsätzliche Fragen stellt oder einfach nur in einer
Fluchtbewegung zerstreut, unterhält mich auf eine Weise.
Unterhaltung sollte nicht synonym sein mit unangebrachten Erwartungen
und erwartbaren Makeln, er sollte nicht reserviert bleiben für
Blockbuster, Actionfilme und seichte Komödien über Männer und
Frauen - so einfach sollte man es weder der Filmindustrie, noch sich
selber machen. Dem Kino zuliebe.
„Ein Blockbuster hat natürlich nicht die Figuren eines P.T.A. oder die Dialoge eines Tarantino.“
AntwortenLöschenZum Glück :D
Das ist immer die Gefahr, wenn man Beispiele nennt. Setze für dich einfach deine Lieblingsfilmschaffenden ein und der Absatz sollte auch für dich funktionieren. :)
Löschen;)
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