"Evangelion: 1.11 - You Are (Not) Alone." (2007)
Mehr schickes
Texturen-Upgrade, denn vollwertige Neuinterpretation der Ereignisse
aus der Originalserie. Zumeist verwendet „Evangelion 1.11“ gar
die selben Einstellungen in der selben Länge und Reihenfolge. Die
Figuren sind aber nach wie vor erstaunlich einprägsam und von
beeindruckender Ausdrucksstärke. Die wunderbar albernen WG-Anekdoten
(samt badendem Pinguin), die in der Serie den sicheren Hafen
entspannter Feierabend-Unterhaltung markierten, sind in kompensierter
Form auch hier vorhanden. Die inneren Monologe Shinji's, die die
depressive Phase seines Schöpfers widerspiegeln, durchbrechen auch
hier immer wieder gewohnte Strukturen und lassen die nach wie vor nie
so richtig schmerzhaften Kämpfe wie Füllmaterial erscheinen, die
vom wahren Anliegen der Macher, den Fokus auf die hochsensible,
traurige Hauptfigur zu zentrieren, lediglich ablenken sollen. Die Art
und Weise wie sich die Rebuild-Filme, wie schon die Serie,
gegenüber ihren Figuren positionieren und deren Gedankenwelt
thematisieren, sowie die Gewichtung von Mecha-Genre-typischen
Stilelementen und traumwandlerischer Seelenbebilderung sind jedoch
immer noch höchst ungewöhnlich, spannend und berührend anzusehen.
"Evangelion 2.22: - You Can (Not) Advance." (2009)
Dieser zweite Film
entwirft abstrakte Bilder einer sich langsam vollziehenden
Apokalypse, deren Beteiligte - sobald die Fesseln der Menschlichkeit
erst einmal abgelegt sind - sogar die weltliche Endlichkeit aus ihren
Angeln heben, um in neue, ungeahnte Spähren vorzustoßen. Der Kampf
ist auch immer verbunden mit der Selbstaufgabe, Entmenschlichung,
Zersetzung, Aufopferung und der Wille erhebt sie alsbald in einen
gottgleichen Kosmos, wo Tod nicht mehr Tod bedeutet und Freundschaft
weltliche Barrieren durchbricht. Der Krieg ist martialisch und
grausam und führt sogar so weit, animalische Kräfte zu entfesseln,
deren Ursprung niemand zu begreifen und erst recht nicht zu
kontrollieren imstande ist. Getaucht in hoffnungslos pathetische
Bilder der Zerstörung und durchbrochen von einem schrillen Schrei
der Hoffnung. Diese Dinge – wohlgemerkt – koexistieren neben
japanischem Blödel-Humor, andauernden Anzüglichkeiten,
nervenstrapazierenden Nebenfiguren, sowie inflationär verbautem
3-D-Animations-Schnickschnack.
"Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo." (2012)
Nachdem schon der zweite
Film immer mehr von der Vorlage abwich, dichtet Teil Drei nun ganze
Handlungsverläufe zugunsten der vielfältig vorhandenen Schauwerte
hinzu, die es aber auch gleichzeitig erlauben, das Universum aus
einer neuen Perspektive zu erleben. Der kluge Kniff, den
Protagonisten nach dem furiosen Finale aus dem Vorgänger zunächst
in die Beobachter-Rolle zu zwingen (und damit zur
Handlungsunfähigkeit), eröffnet zudem die Möglichkeit, abseits von
NERV involvierte Parteien, neue Figuren und Schauplätze im Zuge
einer flotten Exposition kennenzulernen. Zugleich feiert „Evangelion
3.33“ in diesen Momenten seine wertig bis geleckt animierten
Mecha-Spielereien zu sehr ab, statt diese Zeit in die facettenreichen
Figuren zu investieren.
Die Entscheidung derart
konsequent eine neue Geschichte in der Geschichte zu erzählen, macht
diesen dritten Teil auch für Serien-Kenner spannend. Vor allem weil
die Welt aus den Vorgängern plötzlich einer entrückten, rot
gefärbten Ödnis gewichen ist, in der die verbliebenen Figuren nur
noch in Schweigen gehüllte Marionetten sind, die angesichts eines
übergeordneten Kosmos lediglich ihre angestammte Rolle spielen. Anno
schert sich nicht weiter darum, dem Zuschauer in irgendeiner Form
entgegenzukommen; alles bleibt vage und skizzenhaft, nichts wird
ausformuliert oder erklärt. Stattdessen erreicht die Rebuild-Reihe
ein neues Level der Abstraktion und erteilt humorigen Zwischentönen,
sensibler Selbstkonfrontation oder Ansatzpunkten dazu, das Gesehene
zu entschlüsseln, eine eindeutige Absage. Anno beraubt die Figuren
ihrer Seele und ignoriert vieles, was die Fans in ihr Herz
geschlossen haben – aber er geht auch neue, spannende Wege und vor
Szenen von Untergang und Wiedergeburt zeichnet Anno wahrhaftige
Momente tiefer gegenseitiger Verbundenheit.
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