Die vitale Entdecker-Phase eines
gemobbten Nerds, und damit die sensationelle erste Hälfte, versteht
Raimi in erster Linie als Variation bekannter Coming-of-Age-Motive.
Am schmierigen Highschool-Rowdy lässt sich die gestählte Physis
dann auch wunderbar demonstrieren, während selbst Parker das
Wände-Krabbeln und Spinnennetz-Verschießen erst einmal erlernen
muss, ehe er beflügelt vom unfassbaren Elfman-Score durch New York's
Hochhaus-Schluchten schwebt.
Von den ersten Schlafanzug-Versionen
seines späteren Helden-Outfits bis hin zum obergeilen
Wrestling-Cage-Match (Weggefährte Campbell wird ein herrliches erstes Cameo
spendiert und anschließend zum Namensgeber ernannt) – den
Findungsprozess einer Pop-kulturellen Ikone macht Raimi ganz konkret
zum Thema dieses ersten Films. Schön, dass er Maguire dabei auch
mal zum kleinen Arschloch mutieren lässt, ehe die unglückliche
Verkettung von affektivem Fehlverhalten und Schicksals-haften Zufall
sein großes, Weg-weisendes Opfer einfordert - „with great power,
comes great responsibility“.
Der Comic-gemäßen Überhöhung setzt
Raimi immer echte Figuren entgegen: Tante und Onkel versuchen sich
finanziell über Wasser zu halten, verzweifeln am IT-regierten
Arbeitsmarkt, Norman Osborn sitzen skrupellose Militärs und
Kaffee-schlürfende Wirtschafts-Bonzen im Nacken und Parker wird
zunächst nur zum Held der stillen Hinterhofgespräche.
Später dann,
wenn Parker zu Spider-Man und „Spider-Man“ zu „Spider-Man“ wird,
erweist sich der erste Ausflug des Spinnenmanns einmal mehr als
Blockbuster-Kino von außergewöhnlicher Qualität; Kino voll von
raffinierten Übergängen und abwechslungsreichen
Action-Choreographien; kreatives, frisches Kino voll wunderbarer
Figuren und dem schönsten Kuss der Filmgeschichte. „Spider-Man“
sucht in seinem knackigen Auge-um-Auge-Duell schließlich vor allem
die ganz direkte physische Auseinandersetzung, statt die
vorangegangenen Action-Set-Pieces nochmal potenzieren zu wollen. Und
wenn Dafoe verrückt spielen darf, ist eh alles vorbei.
7.5/10
Der erste (und noch einen Ticken mehr der zweite) SPIDER-MAN von Raimi gehören zu meinen Lieblingen der mittlerweile von mir verhassten Superhelden-Verfilmungen. Ich kann mit dem Genre einfach nichts mehr anfangen - aber die Rückkehr zu Raimis Interpretation wage ich dann doch immer wieder gerne - und werde mit toller Unterhaltung belohnt.
AntwortenLöschenGeht mir da ganz ähnlich, gerade von den primär auf Franchise ausgerichteten Marvel-Filmen, mitsamt all der Ankündigungen für weitere Spin-offs, Prequels, Remakes und Sequels, fühle ich mich seit geraumer Zeit zusehends übersättigt.
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