Freitag, 29. November 2013

"Orphan" [US, CA, DE, FR '09 | Jaume Collet-Serra]

„Orphan“ reiht sich so vollkommen nahtlos, ganz ohne Ecken und Kanten, ohne Regung und Widerstand, völlig enthemmt und befreit von jeden weiteren, über Grenzen hinausreichenden Ambitionen in eine viel zu lange Liste von Filmen ein, die man gemeinhin auch als bewährte Genre-Kost zu bezeichnen pflegt; jene Filme also, die doch so kokett und gewissenhaft die Mechanismen und Klischees eines Genres spazieren tragen, das wie kein zweites mit dem billigen Plagiat zu kämpfen hat; ja sie sogar ganz gerne aufpoliert ausstellt und hier und da eifrig mit den Momenten des Herzkaspers zu jonglieren gedenkt.

Man könnte diese Symptome akuter Ideenarmut natürlich auch mit Traditionsbewusstsein übersetzen und „Orphan“ somit in eine liebevolle Hommage, eine herzliche, kleine aber feine Verbeugung vor den großen Brüdern und Schwestern seines Genres. Man kann die zum gefühlt tausendsten Male bemühten Handlungsverläufe und Wendungen, inklusive all seiner sensationell bekloppten Figuren aber auch einfach nur zum Kotzen finden und das schmierige Streber-Grinsen eines Genre-Beitrages ohne Ideen und Inspiration, ohne Kreativität und Eier am liebsten aus seiner hässlichen Fratze wischen wollen.

Viel zu schnell verliert „Orphan“ nämlich an ganz entscheidenden Stellen an Wirkung und die Figuren an Glaubwürdigkeit. Ganz besonders schlimm hat es Peter Sarsgaard's grottig geschriebene Idioten-Rolle getroffen, dessen Figurentod dann auch eher einer Erlösung gleichkommt, denn einem Schock, den es in dieser kopierten Kopie, diesem „soliden Genre-Beitrag“, diesem Brachland filmischen Einfallsreichtums sowieso nicht mehr zu finden gibt. Viel zu sehr gibt man sich mit der Wiederverwertung bekannter Motive (sie will doch nur mal anständig gevögelt werden) und alter Kniffe (einfallslose Eingangs-Sequenz) zufrieden. Viel zu selten macht „Orphan“ auch nur einen Anstand etwas über die Grenzen seines Genres hinaus entdecken zu wollen. Und viel zu oft torpediert die besondere Dummheit von Plot und Figuren die aufkommende Atmosphäre.

Empathie will man für diesen hirnverbrannten Haufen naiver Ehemänner und larmoyanter Ehefrauen, angenehmer Kinder und manipulativer Gothic-Gören sowieso nicht empfinden. Als sei es vermessen, ein gesundes Maß an Nachvollziehbarkeit in den Handlungen bedrohter Figuren zu erwarten, als sei es eine Sache der Unmöglichkeit Klischees abzustellen ohne der Wirkung solcher Filme abträglich zu sein und als hätten wir nicht schon genügend dieser Filme, die nicht müde werden den ewig-gleichen Genre-Ritus bis zur Besinnungslosigkeit durchzuexerzieren. 

4/10

9 Kommentare:

  1. Ich fand ihn toll, kann's auch verstehen wenn man's nicht so sieht, aber seinen einfallsreichen Schluss hättest Du "Orphan" zumindest anerkennen können.

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    1. Inwiefern war der einfallsreich? Text und Sichtung sind leider fast ein Jahr her, vielleicht trügt mich also auch nur meine Erinnerung. ^^

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    2. Es ist schwer darauf zu antworten ohne hier zu spoilern. Sagen wir einfach mal: die Person von der die Bedrohung ausging unterschied sich nach einer interessanten Wendung plötzlich gewaltig von den Personen, die in vergleichbaren Werken wie "Fall 39", "Ein Kind zu töten", "Kinder des Zorns", "Teufelskind Joshua" und Co für die Bedrohung verantwortlich waren. Mehr noch: das rationale Verhalten dieser Person ergab im Nachhinein durch die überraschende Wendung mehr Sinn und umging damit einen der Hauptkritikpunkte an Horrorfilmen der Kategorie "böses Kind". Und dies alles ist meiner Meinung schon einen (kleinen) Lob wert, eben weil es so viele Streifen dieser Art gibt.

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    3. Gut, dann habe ich das alles noch gut in Erinnerung, denn genau diese Wendung fand ich ziemlich lächerlich.


      SPOILER:


      Gerade der Anstalt-Twist ist doch wohl so alt wie das Kino selbst (gerade erst mit "Stoker" wieder geschehen z.B.)

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  2. Man merkt, dass der Text eine Rechtfertigung für einen gewissen Timo K. ist und seinem kritischen Auge standhalten muss. :D Was ich damit sagen will: Schön geschrieben! ^^

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    1. Ist eigentlich nicht der Fall, ich wüsste nicht einmal, ob dieser gewisse Timo K. (du darfst dich gerne einschalten, falls du das hier liest) den Film gesehen und für gut befunden hat. Das Kompliment nehme ich aber trotzdem gerne: Dankeschön. :)

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    2. Ich kann mich erinnern, dass dem der Fall war und er dich virtuell drauf ansprach. Deshalb behaupte ich das ja. :p

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  3. Wenn du das sagst, vetraue ich dir mal. Seltsam, dass du dich an soetwas erinnerst, aber die Beteiligten der Konservation (zumindest meine Wenigkeit) nicht ^^, du alter Stalker.

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  4. Ja, fand ihn unter vielem lauwarmem Gruselzeug, das sonst so produziert wird, als schnörkellose OMEN-Hommage ausgesprochen toll - nicht nur die Kleine hatte Stil. Das visuelle Konzept Collet-Serras, die geleckten, klinisch gesäuberten Bilder, hat mich zudem bereits in UNKNOWN IDENTITY begeistert (diese Schneebilder in Berlin!). Insofern dezent vorbelastet und letztendlich routiniert unterhalten wurden.

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