Samstag, 11. Mai 2019

Eine Ästhetik der Verschwörung - "Dark City" [US '98 | Alex Proyas]


Die Paranoia des Verschwörungstheoretikers findet in diesem Kino entkernter Realitäten ihren Platz. Hinter jeder Tür ein Abgrund, der zur Bedrohung werden könnte, hinter jeder Wand ein Hohlraum der Geheimnisse und ein Geheimbund, der sie hütet. Unter allen architektonischen Strukturen eine weitere Struktur, ein doppelter Boden, eine zweite Realität, die echte Realität, die die wahren Herrschaftsstrukturen sichtbar macht. Einen ganzen Film über die Architektur seiner Sets zu erzählen, und damit die Kunst des expressionistischen Stummfilms in die Gegenwart zu tragen, blitzt auch in "Dark City" auf, um gleichsam als faszinierende filmtheoretische Überlegung als eben solche zu verbleiben. In der Praxis muss erzählt werden – und zwar bisweilen ausschweifend. Die Set-Konstruktionen sehen nicht billig aus und das Geld muss wieder rein. Der kleinste gemeinsame Nenner verlangt Exposition, eine geleitende Hand, das Investment muss geschützt werden. Und doch durchdringt diesen eigenartigen, irgendwie außer-weltlichen Fiebertraum trotz spürbarer Studio-Interventionen auch stets eine spürbare künstlerische Vision von einer Welt, in der jede Hoffnung eine Totgeburt bleibt. Die Stadt des Filmes ist ein Niemandsland, eine Konstruktion, Pastiche, eine Verlängerung jenes Molochs, das Proyas in seiner Crow-Adaption zum ersten Mal auferstehen ließ. Die Atmosphäre ist zutiefst beunruhigend an diesem Nicht-Ort, der vom Zweifel an eine feste Realität und den damit einhergehenden Glaubensverlust langsam aufgefressen wird. Die Angst hintergangen und gesteuert zu werden, keine Kontrolle über das eigene Schicksal zu haben, das Unbehagen einer ganzen Dekade gelangt in den Häuserfassaden dieser Stadt zu einer ganz eigenen Ästhetik - einer Ästhetik der Verschwörung.

3 Kommentare:

  1. Sehe das Verschwörungsthema jetzt nicht so evident wie du, ebenso dass unter allen Strukturen eine weitere Struktur ist. Primär ist es ja nur eine Welt hinter der Welt und kein Matrjoschka-Szenario.

    Mag den Film, erinnert mich immer etwas an MOMO, die Auflösung ist nicht vollends befriedigend, das Schlussbild dann aber wieder. Außerdem: Jennifer Conelly <3

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    1. Hatte mich parallel zur Sichtung tiefergehend mit Verschwörungstheorien beschäftigt und deswegen u.a. MATRIX nochmal geschaut, das hat sicherlich abgefärbt. Ging auch eher um ein Gefühl der Paranoia, das der Film ganz eindringlich auf einer ästhetischen Ebene vermittelt. Das Szenario in diesem Film scheint tatsächlich "nur" doppelbödig zu sein.
      MOMO habe ich leider nicht gelesen, bei Conelly bin ich aber ganz bei dir.

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    2. Das mit MOMO war nur wegen der Ähnlichkeit der Grauen Herren mit den Strangers aus DARK CITY, weniger wegen der Handlung. Den Roman hatte ich auch nie gelesen, nur den Film mit Radost Bokel als Kind gesehen.

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