Freitag, 19. April 2019

Opfer des Kommerz - "Psycho II" [US '83 | Richard Franklin]

 

Zunächst ein entgegen jeder Franchise- und Sequel-Logik dekonstruierender Nachfolger zum unsterblichen Hitchcock-Klassiker, der sich mit etlichen Einfällen an dessen Ikonografie und dessen ikonischer Hauptfigur abarbeitet. Der Film kann zudem, und vielmehr noch, problemlos als metafilmische Abhandlung über die Slasher-Serien seiner Zeit gelesen werden. Während Bates nach seiner vermeintlich erfolgreichen Rehabilitierung mit den Gespenstern der Vergangenheit zu ringen hat, kämpfen die antagonistischen Kräfte um Lila Loomis, Schwester der legendär ums Leben gebrachten Marion Crane, mit ihrer Tochter Mary dafür, dass dieser rückfällig wird. Um dieses Ziel zu erreichen ist ihnen jedes Mittel recht; sie beschwören die Vergangenheit herauf, indem sie Bates Mutter durch Verkleidungen und Telefonanrufe wieder auferstehen lassen. Bates soll dadurch wieder in ihren Bann geraten – und schlussendlich zum Mordversuch verleitet.

Lila und Mary übernehmen gewissermaßen die zweite Regie in diesem eigenartigen, höchst originellen Film. Sie kämpfen für einen zweiten Teil, der den Gesetzmäßigkeiten des Genres Folge leistet und Bates Reputation als Killer - nun auch in Serie! - endgültig zementieren soll. Der Film befindet sich als Konsequenz dieser Film-inhärenten Überlegungen im steten Konflikt mit sich selbst, steht zwischen der Hommage und der Kopie, zwischen Bates als Psychopath und unverhoffter Sympathieträger und letztlich sogar zwischen den Genres. Diesen Konflikt, der sonst in den Hinterzimmern der Filmstudios ausgetragen wird, zum Gravitationszentrum einer Fortsetzung zu machen, ist nicht nur hochgradig spannend, sondern auch seiner Zeit weit voraus. So viel klugen Meta-Kommentar hätte selbst Kevin Williamson nicht in ein Drehbuch verpacken können. Und so sollte dieser unglaubliche seltsame, gut gedrehte, bisweilen fast parodistisch wirkende Film auch gesehen werden – als geistiger Vorgänger zur „Scream“-Reihe und seinen nachfolgenden, postmodernen Dekonstruktionsversuchen.

Mit Norman Bates, der im Kampf um seine Vergangenheit und seine Autonomie schlussendlich den äußeren Umständen erliegt, verliert auch der Film seinen offen ausgetragenen Konflikt mit sich selbst. Er wird zum Franchise und bildet in einer atemberaubenden Schluss-Einstellung den Startschuss für zwei weitere Fortsetzungen. Das ist die eigentliche Tragik dieser Geschichte: Norman Bates darf unter keinen Umständen genesen, indem er der Einflusssphäre seiner geisterhaft präsenten Mutter entrinnt. Er muss in der Gegenwart auf ewig zerrissen sein im Konflikt mit der Vergangenheit um die Zukunft. Der Film macht klar, dass es keinen anderen Weg gibt als die vernichtende Niederlage gegen die Konvention, gegen die Kommerzialisierung und gegen die Logik des Marktes. Kurzum: Norman Bates ist dazu verdammt, auf ewig zu töten. Und mehr noch als ein Opfer seiner Mutter, muss er als Opfer des Filmgeschäfts, also des Geschäfts mit dem Film, verstanden werden.

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