Vom Aufwachsen in der Jetztzeit zu
erzählen, heißt auch immer von den rapiden, technologischen
Entwicklungen der vergangenen Jahre zu berichten. Das bedeutet
allerdings nicht, dass sich auf den Oberflächen der Smartphone- und
Laptop-Displays nicht trotzdem die ewigen Fragen der Adoleszenz
spiegeln würden - von der Auseinandersetzung mit den diversen Ideen
vom eigenen Ich, dem Rollenspiel der Identitäten in hierarchischen
Schulstrukturen oder der eigenen Vorstellung davon, wer man einmal
sein möchte und damit einhergehend auch immer der Wunsch, jemand
anderes sein zu dürfen. Da ist die grausame Erniedrigung durch die
Natur, die Pickel, die Haare, die keimenden Brüste und die umso
grausameren Blicke derjenigen, die es weniger schlimm getroffen hat
und derjenigen, die mitlachen, um nicht selber ausgelacht zu werden.
Bo Burnham, selber als Youtuber gestartet, ist nah dran an dieser
Generation, an der Sprache, an den Apps und den neuen
Ausdruckswelten, die die sozialen Medien bereitstellen. Er zeichnet
aber auch zwangsläufig das Bild einer zutiefst paradoxen
Gesamtgesellschaft: fette Karren, fette Häuser, fette Smartphones
bebildern den ganz normalen Wahnsinn des Spätkapitalismus, eine
Amoklauf-Übung in der Schule absolvieren die Schüler bereits in stoischer Routine und zwei Mitschüler, die die Titel „Mr.
and Mrs. Best Eyes“ gewinnen, gratuliert Protagonistin Keyla eifrig
mit „good job“.
Im Lebensalltag von Keyla drücken sich
also auch kulturelle Schräglagen aus, die wiederum ganz konkret
Einfluss nehmen auf ihre Adoleszenz-Erfahrungen. Die Smartphones
lassen die Menschen bisweilen darin verschwinden und die
Internet-Profile lassen Keyla glauben, ihr eigenes Leben sei im
Vergleich weniger wert - und doch findet sie gerade auf ihrem eigenen
Youtube-Kanal irgendwann zu einem wahrhaftigen, genuinen Ausdruck.
Bei allen möglichen ideologiekritischen Ansatzpunkten bleibt „Eighth
Grade“ stets spezifisch und ganz nah dran an seiner Hauptfigur.
Keyla (Elsie Fisher) wird man nach diesen 90 Minuten liebgewonnen
haben und mit ihr gelitten. In den Komplikationen des Alltags, den
Hürden zwischenmenschlicher Kommunikation, in den schmerzhaften,
aber zugleich Glück verheißenden Annäherungen an den Anderen,
sucht Burnham nicht zuvorderst die Lacher, sondern einen gemeinsamen
Nenner in den verwirrenden, ängstigenden Erfahrungen des
Menschseins. Dies ermöglicht auch eine der schönsten
Liebeserklärungen eines Vaters an seine Tochter, zu der das Kino
überhaupt fähig ist: "You made me brave. If
you could just see yourself how I see you: which is how you are, how
you really are, like you've always have been, I swear to god you
wouldn't be scared either.“ Burnham schaut nicht zynisch auf
diese Generation, sondern hoffnungsvoll. Also voller Hoffnung.
Keyla (Elsie Fisher) wird man nach diesen 90 Minuten liebgewonnen haben
AntwortenLöschenNicht wirklich. Fand den ganzen Film arg konstruiert und bisweilen extrem aufgesetzt. Quasi alles was der Vater sagt ist ein absolut sinnfreies 0815 Gebabbel aus der Schublade. Inhaltlich in der Zeichnung dieser Generation habe ich das alles in der 3. Staffel "Black Mirror" sowie INGRID GOES WEST ebenfalls bereits genauso und im Grunde interessanter gesehen. In der Summe ein ziemlich beliebiger Film.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass "Black Mirror" sich je besonders für seine Figuren interessiert hätte, geschweige denn überhaupt imstande wäre, mir die Befindlichkeiten von Jugendlichen in der Jetztzeit näher zu bringen. Klar, die Technik spielt eine Rolle, aber all die alltagsweltlichen Dimensionen sind stets äußerst unterentwickelt. Die Serie ist eher wie eine Tech-Demo, erzählerisch aber in so vielen Konventionen festgefahren.
LöschenIm zitierten Monolog versichert ein Vater seiner Tochter, dass er sie in ihrem Wesen schon immer gesehen hat. Dieser Verweis auf einen Wesenskern mag nicht in moderne Identitätstheorien passen und auch sonst esoterisch oder zu vage, für mich ist es einigermaßen profund. Zudem sollte der Monolog im Kontext gesehen werden: der Vater versucht den ganzen Film über eine Verbindung herzustellen, ist manchmal peinlich dabei, aber stets bemüht Keyla wirklich und ganz aufrichtig zu verstehen, und dann gelingt es ihm, im richtigen Augenblick die richtigen Worte zu finden und Keyla in einer Situation maximaler Unsicher- und Verlorenheit, zu versichern, dass er sie erkennt und gleichermaßen akzeptiert als das, was er erkennt.
Der Monolog ist 0815-Gebabbel, das jeder Vater und jede Mutter dem eigenen Kind erzählt. Was bist du schön und speziell und so stark und so toll und was bin ich stolz auf dich und haste nicht gesehen.
LöschenBlack Mirror ging mir weniger um die Figuren sondern um die Abhängigkeit der Figuren im Verbund mit der Technik. Derselben Abhängigkeit verfällt ja auch hier die Hauptfigur mit planlosem Gelike von Instagram-Posts, Vlogging, etc.pp.