Sonntag, 18. Februar 2018

"The Shape of Water" [US '17 | Guillermo del Toro]

Vielleicht sollte Michael Shannon seinen Agenten wechseln. Schon wieder mimt er den harten Kerl, das durchtriebene Arschloch, das alle Makel auf sich vereinen muss, aber zumindest, und das ist neu, freihändig pissen kann. Seine Figur ist keine Figur im herkömmlichen Sinne, sondern so holzschnittartig gearbeitet und symbolisch angelegt, dass sie höchstens der groben Idee eines Menschen gleicht. Er ist die Karikatur eines Konservativen, das hässliche Gesicht des amerikanischen Kapitalismus und stets zeitgemäß rassistisch, wie sexistisch. In der Vorstadthölle wartet ein seelenloses Hausfrauen-Püppchen und noch gruseligere Maschinen, die sich als seine Kinder ausgeben; beruflich sitzt ihm ein unnachgiebiger Vorgesetzter im Nacken, der in der Leistungsgesellschaft kein Scheitern erlaubt. Bei so viel Gruselkabinett liegt die Flucht im Materialismus nahe; sein Cadillac steht symbolträchtig für den wirtschaftlichen Aufstieg der Mittelklasse während der ausgehenden 50er und beginnenden 60er Jahre, denen del Toro hier in jeder Hinsicht ausgiebig huldigt. In der stummen Hawkins, im Film latain-amerikanischer Herkunft, sieht Shannons Charakter vor allem ein Objekt der Begierde, das sich beherrschen lässt; im Amphibienmenschen ein wildes Tier, das obduziert werden muss. 

Dem gegenüber steht eine liberale Schicksalsgemeinschaft um zwei Putzfrauen (die eine schwarz, die andere stumm), die in ihrem Zusammenschluss die Stärke suchen, bestehende Herrschaftsverhältnisse zumindest kurzzeitig zu überwinden. Gemeinsam wollen sie das Andere vor seiner Zerstörung bewahren – und sind doch nur Spielsteine in einem ideologischen Grabenkampf. Denn so sehr es einem der Film auch glauben machen mag: das Andere in dieser Geschichte ist nicht der Amphibienmensch, irgendwo zwischen Abe Sapien und der Kreatur aus der schwarzen Lagune angelegt; es ist vielmehr Shannon als resoluter Sicherheitschef. Mit der Geschichte im Rücken lässt sich auf diesen alles projizieren, das der eigenen Identitätspolitik zuträglich ist und spricht gleichzeitig vor allem Bände über diejenigen, die an den Grenzen seiner Kontur versuchen Profil zu gewinnen. In seiner ewigen, künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Anderen, seiner Empathie und Faszination für das, das sich im Schatten verbirgt (oder sich von der dunklen Wasseroberfläche aus offenbart) findet del Toro nur eine fatale Antwort: um das Andere retten zu können, muss ein anderes erschaffen werden, auf das sich alles konzentriert, das man von sich abstoßen möchte.

4 Kommentare:

  1. Ich war ja etwas überrascht ob seines vermeintlichen Familienidylls daheim. Die Kinder scheinen ihn zugeneigt, selbst wenn er ihnen in der einen Szene kalt begegnet. Auch die Frau wirkt jetzt weniger wie eine Art "Besitztum" – bzw. sieht sich als solches –, obschon natürlich die Sex-Szene mit seiner Faszination für die Putzkraft verwoben wird. Ich dachte ja, im Verlauf kommt da noch etwas. Zumal weitere Ansätze vorhanden waren, z.B. sein Buch, das er liest und seine fast schon flehende Erinnerung gegenüber seinem Vorgesetzten, das er seit zig Jahren Leistung bringt, die durch einen Fehler nicht getilgt werden sollte. Letzten Endes war die Figur dann aber doch nur der Klischee-Bösewicht, wie der ganze Film an sich wenig Originäres aufbot. Schade eigentlich.

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  2. Geht mir ähnlich, seine Figur hat mir den Film aber seltsamerweise kaum verleidet - ich finde sogar Shannons Leistung gut. Wenn schon ein Klischee-Bösewicht, dann bitte wenigstens von Shannon verkörpert. Abseits der ideologischen Einwände (auf die ich meine Kritik der Form halber hier reduziere) war auch die Einfacheit des Plots für mich kaum ein Problem, zumal Desplats wunderschöne Musik einem fast durchgehend einlullt. Ich weiß nicht, wie es dir erging, aber die Liebesbeziehung wirkte etwas behauptet, bzw. hat aus meiner Sicht zu wenig Zeit und Feingefühl in die ersten Begegnungen inverstiert - das ging mir zu schnell. Der offene Umgang mit der Sexualität der Protagonistin und auch die viel konkretere sexuelle Beziehung zum Amphibienmenschen hat mich sogar richtig überrascht. Irgendwie finde ich del Toro und seine Leidenschaft fürs Kino auch viel zu inbrünstig, um ihm böse sein zu können.

    Das wollte ich mal loswerden, um die Kritik etwas in den Kontext meines allgemeinen Eindrucks zu setzen.

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    1. Klar, es gibt schlimmere Darsteller-Optionen für den Bösewicht als Shannon. Nur wunderte mich die ansatzweise "sympathische" Zeichnung, die dann aber eben nur keine Konturen erhielt.

      Bei der Liebesgeschichte verhält es sich für mich so wie in jedem Liebesfilm. Das mag wohl auch an mir liegen, aber ich sehe eigentlich nie, was nun wirklich die Figuren aneinander reizt. Ich empfand auch den Fischmensch weniger "human", Stuhlbargs Intelligenzzuschreibung basierend auf seine musikalische Reaktion ist etwas weit hergeholt. Hunde reagieren auch auf Musik, einem Gorilla kann ich Zeichensprache beibringen. Eine sexuelle Beziehung ergibt sich deswegen nicht zwingend daraus (hoffe ich zumindest mal). Was die Hauptfigur in der Kreatur sexuelles sieht, bleibt daher offen. Man hätte die Geschichte auch nicht unbedingt romantisch/sexuell aufladen müssen. Ein Störfaktor war das Ganze aber auch nicht.

      Ich fand den Film letzten Endes ziemlich egal - womit er sich ganz gut einfügt in del Toros jüngere Filmografie. Crimson Peak habe ich mir zwar gespart, aber schon Pacific Rim fand ich mehr schlecht als recht. Umso verwunderlicher sind dann doch die Vielzahl an Oscarnominierungen, die ich mir nicht so recht erklären mag.

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    2. Die Oscars finde ich nur folgerichtig: die Nostalgie (auch der Verweis auf Hollywoods eigene Vergangenheit) in Kombination mit dem liberalen Märchen von der diversen Schicksalsgemeinschaft, die sich von der Unterdrückung durch den weißen Mann befreit ist doch wie gemacht für diese Verleihung.

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