„Der leere Sarg“
Dreht sich fast ausschließlich im
Kreis. Die Köpfe hinter "Sherlock" verlieren sich im Twist
des Twists, weil letztlich sowieso nichts so ist, wie es zu sein
scheint, weil hinter allem ein doppelter Boden steckt und das
Kaninchen dahinter, weil man statt einer kreativen Vision zu folgen,
zum Dienstleister einer selbst geschaffenen, kaum zu befriedigenden
Fan-Gemeinde geraten ist. Also wird vornehmlich um sich selbst und
den Paukenschlag der zweiten Staffel gekreist: Wie hat Sherlock
überlebt? Am Ende dieser als verschachteltes Twist-Konstrukt
getarnten Pose ist das eigentlich völlig egal, weil sich das
künstlich hochgejazzte Mysterium um den Ausgang des Reichenbachfalls
durch unzählige, potenzielle Ausgänge selbst entzaubert. Abseits
davon pumpt "Der leere Sarg" einen Vierzig-Minuten-Plot
durch hippe Überinszenierung und ewige Zeitlupen-Exzesse sogar auf
Spielfilm-Länge auf. Langweilige Angeber-Figuren wie Mynecraft
verschenken inzwischen jede Sympathie, während Cumberbatch jedem
Poser-Gehabe entgegen, sogar Momente rührender Menschlichkeit
verleben darf bis das Finale ihn wieder zum kolossalen Arschloch
mutieren lässt. Es gibt Augenblicke, die machen Lust "Sherlock"
weiterzuverfolgen, der Rest wird unter dem unbedingten Streben,
besonders clevere Abend-Unterhaltung abliefern zu wollen, begraben.
"Sherlock" ist ein riesiges Missverständnis.
4/10
„Im Zeichen der Drei“
Zunächst, so scheint es, setzt sich
der Negativtrend fort. „Im Zeichen der Drei“ startet über
überflüssigen technischen Firlefanz und den absoluten stilistischen
Overkill nämlich zunächst ein Ablenkungsmanöver nach dem nächsten;
jeder Szenenwechsel wird nochmal akustisch unterstützt, keine
Einstellung darf länger als fünf Sekunden verweilen. Die sinnvolle
Verwendung filmästhetischer Mittel, die Sherlock's Beobachtungs- und
Denkprozesse als integraler Bestandteil der Serie in schnittige
Bilder übersetzt, ist längst zur eitlen Pose verkommen, die die
Inszenierung nur noch selten als Diener versteht und seine Figuren
viel zu oft zu einfachen Comic-Reliefs degradiert. Zumindest die
Figur der Mary Morstan (Amanda Abbington) bringt frischen Wind in die
Figuren-Konstellationen der Serie, weiß sie doch offenkundig mit
Sherlock's unzähligen Eigenheiten umzugehen und immer wieder
liebevollen Widerstand zu leisten. Völlig beschwipst vom andauernden
Fan-Service und Angeber-Parolen scheinen die Autoren nämlich noch nicht,
so markiert Sherlock's Hochzeitsansprache einen ersten, mittelgroßen
Höhepunkt im dritten Serien-Jahr. So selbstreflexiv, so emotional
intelligent und empathisch durfte sich Sherlock bisher nur selten
geben und „Im Zeichen der Drei“ führt die Entwicklung des
„hochfunktional soziopathischen“ Ermittler-Genies konsequent
weiter. Man darf ihn nicht mehr nur bewundern oder ätzend arrogant
finden, man darf ihn inzwischen sogar richtig lieb haben - trotz
seiner Fehler, weil er manchmal wie ein kleines Kind ist und manchmal
wieder ganz der Alte. Die Struktur von „Im Zeichen der Drei“ -
die unzuverlässige Nacherzählung eines Falles, der von hinten
aufgerollt wird und kleine Anekdoten als Teil der wundervollen
Hochzeitsrede (schlimm: Sherlock und Watson auf
Junggesellen-Abschied) – lädt zu einem gemütlichen Rätselraten
mit spannendem Finale ein. Tatsächlich: „Sherlock“
funktioniert. Noch.
5/10
„Sein letzter Schwur“
Und weiter geht’s. Auch Episode 3
führt die Entwicklung hin zu einem „neuen“ Sherlock mit einigen
Überraschungen fort. Nun werden also auch die Drogen thematisiert
und nach der für Sherlock äußerst verwirrenden Begegnung mit Irene
Adler in Staffel 2 wird das weibliche Geschlecht sogar in seinem
Schlafzimmer gesichtet, was in einer wunderbaren Szene mit Freeman
festgehalten wird; eine Szene, die auch deswegen so wunderbar ist,
weil Freeman – wie der Zuschauer auch – viel weniger an den
Ausführungen über den sich anbahnenden Fall als an Sherlock's
scheinbarer Beziehung interessiert ist, was „Sein letzter Schwur“
schließlich auch ganz konkret miteinander verzahnt. Darüber hinaus
betritt nach zwei mehr oder minder entspannten Detektiv-Abenteuern
nach Moriaty nun ein weiterer, ernst zu nehmender (Bond-)Bösewicht
die Bühne und pisst Sherlock und Watson sogar ganz wörtlich ans
Bein. Der angenehm twistige Fall hält nach dem soliden zweiten
Durchgang zudem einen weiteren Höhepunkt bereit, der die große
Überraschung mal wieder selbstbesoffen überinszeniert. In einigen
Momenten ist „Sherlock“ dann sogar so gut wie zu besten Zeiten,
wenngleich das eigene Miträtseln bei so viel Wendung, Illusion und
Kartentrick irgendwann auf der Strecke bleibt. Am Ende ist nur
sicher, dass nichts sicher ist - das lehrt uns schließlich auch der
obligatorische Cliffhanger, der das vorhersehbare, aber spannende
Finale vollkommen ad absurdum führt.
5/10
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