Ich will mir ja nicht anmaßen ein
allgemeingültiges Urteil darüber zu fällen, wann Autismus und die
Symptomatik des Asperger-Syndroms glaubhaft oder eben nicht glaubhaft
verkörpert wurden, doch so sehr ich auch versuchte Greg Timmermans'
eigenwilliger Interpretation dieses Krankheitsbildes irgendetwas
abzugewinnen, so wenig berührte, beeindruckte oder überzeugte mich
seine Darstellung des an Asperger erkrankten Ben in irgendeinem
Aspekt. Scheinbar geplagt von chronischen Overacting-Attacken kämpft
sich dieser an der Seite eines ebenso wenig überzeugenden
Darsteller-Ensembles durch ein ambitioniertes Debüt, dessen formaler
Einfallsreichtum aber zu keiner Sekunde die penetrante Affektion zu
kaschieren vermag, die von den eklatanten Drehbuch-Schwächen
herrühren. „Ben X“ fehlt es an Authentizität und immer wieder
an darstellerischen Fertigkeiten. Wenn der jugendliche Ben (übrigens
selten blöd: vom fast zehn Jahre älteren Timmermans verkörpert)
unsicher über den von Klischee-Statisten bevölkerten Schulhof
wandelt und die Kamera sich mittels ständiger Close Ups immer wieder
auf dessen verkrampftes Gesicht konzentriert, fast so als wolle sie
sich über das limitierte schauspielerische Talent Timmermans lustig
machen, dann wird klar, weshalb „Ben X“ nie zu wirklicher Größe
berufen war: Es fehlt – so blöd es auch klingt - ein guter
Hauptdarsteller.
Doch bei allem Makel in Timmermans'
verkrampftem Spiel – es ist nicht einzig allein seine Schuld. Denn so
sehr man sich auch an seinem Spiel stoßen mag, wirklich scheitern
tut „Ben X“ an seinem Drehbuch. Nic Balthazar beweist keinerlei
Gefühl für das ihm zugrundeliegende Sujet, bebildert kalt und jede
Realitätsnähe vermissend, die Schikane der Mitschüler und die
täglichen Barrieren zwischen seinem Protagonisten und dieser Welt, die ihm doch so
fremd ist. Balthazar pflügt durch die sozialkritischen Themen ohne
jede Feinfühligkeit und lässt seine beiden schmerzhaft
eindimensionalen Peiniger immer wieder mit lautem Getöse auf den
armen Ben los. Der langsam fortschreitenden Devastation einer
einsamen und verwirrten Seele und der damit einhergehenden Schädigung
durch sein Umfeld begegnet Balthazar mit visuellen Spielereien und
nicht etwa einem Drehbuch, das als künstliche Reproduktion
wirklicher Umfelder fungiert. Statt den Klassenraum mit Charakteren
zu füllen, mit Gesichtern, die als Teil einer mitreißenden
Geschichte funktionieren, liefert uns der niederländische
Regie-Debütant die ewig-selben Gussformen; Abziehbilder, denen man
eigentlich längst überdrüssig sein sollte. Da gibt es natürlich
ein bis zwei emphatische Mitschüler, die – gut erzogen wie sie nun
einmal sind – nicht mitfilmen, wenn die restliche, gesichtslose
Klassenschaft Ben die Höschen herunterzieht, die bereits erwähnten,
lächerlich aufgesetzt spielenden Peiniger und eine Hand voll Lehrer
und Familienmitglieder, die irgendwie auch ein bisschen Charakter
haben wollen, letztlich aber nur der wackelige Rahmen für eine
löchrige Geschichte sind.
„Ben X“ ist zu viel Klischee und zu wenig Wahrhaftigkeit. Wo bei „Mary and Max“ der Thematik des Asperger-Syndroms mit gefühlvoller und von vielen leisen Zwischentönen durchzogener Melancholie ein emotionales Fundament bereitet wurde, bleibt Balthazar an der Oberfläche und vermag es selten dem Off-Kommentar seines Protagonisten jene emotionale Intensität zu verleihen, wie es Elliot bei eigentlich leblosen Knetfiguren gelang. Wirklich mitreißend wird „Ben X“ erst zu seinem ebenso ergreifenden, wie affektierten Schlussakt, der fast - aber eben nur fast - zu einer Verklärung des Vorangegangenen verführt. Verdient hätte er es auch nicht.
„Ben X“ ist zu viel Klischee und zu wenig Wahrhaftigkeit. Wo bei „Mary and Max“ der Thematik des Asperger-Syndroms mit gefühlvoller und von vielen leisen Zwischentönen durchzogener Melancholie ein emotionales Fundament bereitet wurde, bleibt Balthazar an der Oberfläche und vermag es selten dem Off-Kommentar seines Protagonisten jene emotionale Intensität zu verleihen, wie es Elliot bei eigentlich leblosen Knetfiguren gelang. Wirklich mitreißend wird „Ben X“ erst zu seinem ebenso ergreifenden, wie affektierten Schlussakt, der fast - aber eben nur fast - zu einer Verklärung des Vorangegangenen verführt. Verdient hätte er es auch nicht.
3/10
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