Man kann es womöglich atmosphärisch nennen, wenn eine junge Frau über eine halbe Stunde planlos durch die - zugegeben - recht hübschen Szenerien Japans flaniert - man kann es aber auch schlichtweg langweilig nennen. In typisch japanischer Manier lässt sich Nakata Zeit für eine ausführliche Exposition, führt uns trotz des vermeintlich spannungsgeladenen Beginns äußerst sanft in die Welt seiner Protagonistin, vor allem aber in die Thematik als solches ein. Man sollte zwar meinen, dass mit dem Gespräch der beiden Teenager zu Beginn, alles zur abendfüllenden Thematik gesagt wäre, doch Nakata lässt es sich nicht nehmen, uns zunächst einmal zu den unfreiwilligen Beobachtern grauenhafter Dialoge und langweiliger Interview-Besuche zu machen.
Doch hat man sich erst einmal durch die einschläfernde Einführung gearbeitet, zieht Nakata das Tempo sichtlich an, jedoch ohne in Hektik zu verfallen. Sobald die Recherchen der jungen Journalistin erste Früchte tragen, beginnt auch der Horror langsam seine subtile Wirkung zu entfalten. Besonders hervorzuheben ist hierbei vor allem das alles vorantreibende Videoband, welches tatsächlich die ersten spannungsgeladenen Minuten garantiert. Die kratzige Soundkulisse, die von nun an regelmäßig als Bote des Unheilvollen fungieren soll, ist schlichtweg nervenaufreibend und läuft einem ein ums andere Mal eiskalt den Rücken herunter.
„Ringu“ hat sich sichtlich den alten Traditionen der japanischen Mystik verschrieben, neben ominösen Geistererscheinungen sind es vor allem die Leitmotive der Schuld und Sühne, die fortwährend in Form von Flashbacks durch das Geschehen wandeln. Unterfüttert wird dieser traditionell-kulturelle Ansatz dennoch von allzu bekannten Genre-Mechanismen, was nicht zuletzt an der Konzeption der Protagonistin liegt. Diese bleibt ein nutzloses Anhängsel, an dem man selten ein tatsächliches Interesse entwickelt. Zwar durfte diese sich dank Drehbuchschreiber Hiroshi einer übermäßigen, fest etablierten Devotion entledigen, jedoch bleibt sie eine nervende Hauptfigur.
Auffällig ist derweil die fast schon charmante Bodenständigkeit von „Ringu“, während in den konvertierten US-Versionen ein zig Meter tiefer Brunnen das Grab der Verstorbenen markiert, erinnert die Ruhestätte im japanischen Original eher an ein winziges Kanalisations-Rohr. Überhaupt nimmt sich „Ringu“ angenehm zurück. Nakata zelebriert die erste Begegnung mit der mysteriösen Entität als erlösende Geste und hebt sich den überraschenden Gimmick fürs Ende auf. Dieses weiß er dann auch durchaus gekonnt vorzubereiten und gebietet dem Zuschauer noch einen Ausblick auf eine potenzielle Alternative, jedoch kommt es schließlich (diversen Parodien geschuldet) mehr albern als gruselig daher und auch der ikonische Blick des Mädchens löst vermutlich nicht mehr die selben Gefühlszustände wie noch vor zehn Jahren aus.
Doch bei all seiner Schlaftabletten-Mentalität kann man „Ringu“ nicht seinen Beitrag zu diesem großartigen Genre absprechen. So trug Nakata's Spielfilm-Debüt doch maßgeblich zur Schaffung eines völlig neuen Verständnisses von Japan-Horror bei und gab diesem buchstäblich ein Gesicht - und ohne diese Vorlage hätte es vermutlich auch nie das ausnahmsweise bessere Remake gegeben, in diesem Sinne: Danke „Ringu“!
5/10
Das Remake hat mir seinerzeit sehr gut gefallen, das Original hab' ich aber bis heute nicht gesehen - muss ich wohl auch nicht, wenn ich das so lese. Bin sowieso kein großer Asia-Kino-Fan - von daher...
AntwortenLöschenSchön geschrieben!
Gruß Iso
Danke. Wenn du mit Asia-Kino nicht viel anfangen kannst, dann kannst du dir diesen hier ohne schlechtes Gewissen sparen - meiner Meinung nach. Zum Remake folgt auch noch eine Kritik.. :)
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