Einjährige Schlaflosigkeit. Die Lider senken sich. Als hätte jemand Bleigewichte an die Wimpern gehängt. Die physischen Qualen gehen längst mit den viel quälenderen psychischen Schmerzen einher. Die letzte Kraft verlässt den gepeinigten Körper. Die äußeren Wunden verheilen nur langsam, die inneren gar nicht. Ich erblicke Christian Bale's ausgemergelten Körper und verspüre neben dem dringenden Bedürfnis diesem etwas zu Essen zu machen, eine gewisse seelische Verwandtschaft. Ich fühle mich plötzlich müde, kriege Hunger, bin erschöpft. „The Machinist“ - die Bale-Show. Extreme method-acting trifft auf dunkelgraue Optik, Psycho-Studie auf verworrenen Thriller.
Bale's Performance beschränkt sich nicht nur auf das körperliche, seine Augen sind schwarz, der Blick ist gequält. Er lässt das Essen stehen und wir sind in etwa den selben Qualen ausgesetzt wie sein Charakter Trevor Reznik. Handlung und Optik, Figurenkonstellation und auditive Untermalung, alles scheint dem walisischen Schauspieler untergeordnet.
Der repetitive Score brennt sich unaufhörlich in mein Gedächtnis, in einer scheinbaren Endlos-Schleife verharrend, mehr als eine nervenaufreibende Tour de Force. Anderson geizt nicht damit, uns das Ergebnis einer strikten Abmagerungskur immer wieder vor Augen zu führen, den seelischen Bewusstseinszustand seines Protagonisten immer wieder visuell repräsentieren zu lassen. Wir sehen Bale sich selber im Spiegel erblickend, haben Angst er könnte jeden Moment zerbrechen. Er kotzt sich aus, opfert sich für seine Rolle bis zum letzten auf und präsentiert uns damit seinen bisherigen Karriere-Höhepunkt.
Bale erreicht einen Punkt, bei dem selbst der Zuschauer an die Grenze des Ertragbaren geführt wird. Die härteste Performance seiner Karriere. Hoffentlich. Es sind mehr als die dreißig Kilo weniger, es ist darstellerische Brillianz, die Präsenz seines Spiels, sowohl physisch als auch psychisch, die beeindruckt.
Die Simplizität des Plots mag stören, ebenso wie das mehr oder weniger vorhersehbare Finale, das schlussendlich eigene Interpretationsansätze vollkommen überflüssig macht und das Geschehen schlüssig-plausibel abzuschließen weiß. Und tatsächlich verbaut sich „The Machinist“ damit vielleicht die Möglichkeit über den Abspann hinaus im Gedächtnis zu bleiben. Die Parallelen zu Lynch drängen sich dennoch auf, denn atmosphärisch erreicht Brad Anderson einige Male dessen Klasse, wenngleich er die Lynch'sche Komplexität vermissen lässt.
Doch verlässt man erst einmal die rein narrative Ebene und hört auf sich über den Plot und dessen Vorhersehbarkeit als solchen zu echauffieren, erblickt man ein kleines Meisterwerk. Denn die eigentlichen Stärken von „The Machinist“ liegen nicht in seinem schon oft gesehenen Plot, sie liegen im Detail, in jenen Momenten in denen wir uns sogar körperlich beeinträchtigt fühlen, imstande sind uns über die filmischen Ebenen hinaus mit Anderson's Stoff auseinanderzusetzen. Es geht über die technischen Aspekte hinaus, ja es geht selbst über Bale's Performance hinaus, es ist das enorme Identifikationspotenzial, dass „The Machinist“ inne hat. Mehr nervöser Fieber-Traum, als Realität, mehr unschönes Gefühl als bloßes Thriller-Kino.
Eine cineastische Abhandlung über Schuld und Verantwortung, über das Wesen des Menschen, vor allem aber über dessen Psyche und den Abwehrmechanismus, der eintritt, wenn wir nicht mehr imstande sind, uns mit jenen Dingen zu konfrontieren, die uns irgendwann einmal an diesen Punkt geführt haben müssen. Was am Ende bleibt, ist jedoch vor allem eine herausragende schauspielerische Leistung und das Bedürfnis schlafen zu gehen, nachdem man sich etwas zu essen gemacht hat. Schmerzhaft, im besten Sinne.
8/10
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