Freitag, 18. Mai 2012

"Die Insel" [US '05 | Michael Bay]

Man wettert ja so gerne gegen den US-amerikanischen Filmemacher, macht sich lustig über seine grauenhaften Darsteller, seinen übertriebenen Pathos oder seine hölzernen Dialoge und wünscht sich lautstark ein Ende seiner nun schon siebzehn Jahre währenden Schaffensphase herbei. Doch ein gewisses Talent für wuchtiges Kino-Entertainment kann man ihm – bei aller Antipathie – nicht vollkommen absprechen. Und so kommt es auch schon mal vor, dass dieser gewisse Herr mich – und ich wage es kaum zu auszusprechen – durchaus zu begeistern vermochte. Verrückte Welt!

Ich muss ehrlich zugeben: Ich mag Michael Bay nicht. Weder den Kerl, der in unzähligen Interviews davon redet, dass er doch lediglich unterhaltsames Action-Kino machen wolle und er nicht verstünde, weshalb sich so viele Leute über ihn aufregen, noch eine Vielzahl seiner dumm-dreisten Machwerke, die von der äußerst schmerzhaften Aufarbeitung eines historischen Ereignisses bis zu pubertären Hip-Hop-Robotern reichen. Bay ist zu viel von dem, was ich an Amerika hasse: Pathetisch, affektiv und arrogant in seiner fortwährend präsenten Weltpolizei-Attitüde und dem damit verbundenen Militarismus. Gewisse Schauwerte kann ich seinen Filmen zwar nicht absprechen, doch was soll ich von einem Action-Regisseur halten, bei dem ich alle fünf Sekunden auf die Stop-Taste drücken muss, um seine zugegeben stark animierten Effekte begutachten zu können? Wie auch immer, ich schweife ab ins übliche Bay-Bashing, welches zwar gerechtfertigt ist, jedoch in einer Kritik zu „The Island“ gänzlich fehl am Platze ist. Denn „The Island“ ist endlich einmal all das, was Bay schon seit vielen Jahren verzweifelt zu schaffen versucht: Ein unterhaltsames Action-Spektakel – und sogar ein wenig mehr...

Das macht sich schon bei der bedeutend besseren Ausgangslage bemerkbar. Das Skript von Caspian Tredwell-Owen bietet unzählige interessante Ansätze, ist faszinierend in seiner Idee und gewährt Bay darüber hinaus die Möglichkeit sein visuelles Talent auszuspielen, welches in „The Island“ nicht ausschließlich zum Selbstzweck gerät. Die visuelle Sterilität, die seinen Werken seit jeher anhaftet, ergänzt sich endlich einmal mit der inhaltlich beschriebenen Sterilität und passt sich nahtlos in das filmische Gesamtkonzept ein. Die erste Hälfte ist dabei völlig Bay-untypisch: Explosionen bleiben aus, Sonnenuntergänge sind rar und man verspürt ein gewisses Interesse am weiteren Verlauf der Geschichte. Einzig allein die Sonnenstudio-Bräune unserer Protagonisten erinnert uns regelmäßig daran, dass wir uns erstaunlicherweise in einem Bay-Film befinden. Stören tut das nicht, zumal es eine Art Trade-Mark von Bay zu seien scheint, ärgerlicher ist da schon eher das dreist-penetrante Product-Placement, welches nicht davor zurückschreckt, die äußerst bequemen und atmungsaktiven Puma-Sportschuhe im schlichten Blütenweiß auch zig Mal in der Nahaufnahme zu zeigen. 

Und doch weckt die Geschichte genügend Interesse, um auch über diese Schwächen gut gelaunt hinwegzusehen – Scarlett Johansson in ein eng geschnittenes Dress zu stecken, gehört dabei fast schon zum guten Ton. Bay's Welt ist interessant, ebenso sein Diskurs über das Klonen und die moralisch-ethnischen Bedenken, die damit einhergehen. Eine Szene, die Klone vor der geplanten Vergasung zeigt, in das Geschehen zu integrieren, zeugt von Mut. So ist sie doch in ihrer Konsequenz und ihrem brutalen Realismus – vom historischen Unterton gar nicht zu sprechen - in Bay-Werken so noch nie dagewesen. Die Nebendarsteller verleihen „The Island“ währenddessen einen glaubwürdigen Rahmen, Buscemi ist bisweilen ganz amüsant, Sean Bean überraschend mehrdimensional und Hounsou in seiner Wandlung durchaus glaubhaft.

Die zweite Hälfte explodiert dann geradezu in seinem absurden Materialverschleiß, als müsse Bay all das nachholen, was er in der Stunde zuvor versäumt hatte. Dann kracht, rummst, explodiert und knallt es im Sekundentakt und Bay lebt seinen Zerstörungs-Fetisch vollends aus. Die Effekte sind dabei gewohnt beeindruckend, die Action ist spaßig und überhaupt gestaltet sich die zweite Hälfte trotz der plötzlich eintretenden Zerstörungs-Wut als überraschend homogene Angelegenheit. Zwischendurch gelingt es Bay sogar, ab und zu so etwas wie Atmosphäre zu evozieren, etwa dann, wenn Johansson ihren Sponsoren (das identische Ebenbild) erblickt, desillusioniert angesichts der schmerzenden Erkenntnis ihrer eigentlichen Daseinsberechtigung. Überhaupt beweist Bay einige Male ein Gespür für ruhige Momente, lässt die Kamera einige Sekunden auf den Gesichtern seiner Protagonisten verharren, um so etwas wie Emotionen einzufangen und vermag damit durchaus zu überzeugen. 

Und ehe die tolle erste Hälfte mittels effekthaschender Bombast-Action aus dem Gedächtnis geprügelt wurde, kommt Mr. Bay mit einem Finale um die Ecke, das endlich einmal jene emotionale Intensität erreicht, die seine Filme seit jeher anpeilen, aber nie erreichen. Das Motiv des Umdenkens, das Plädoyer für Freiheit und der finale Dialog zwischen Bean und Hounsou über die Verantwortung der Wissenschaft reißen mit, sowohl visuell als auch auditiv und lassen jegliche pathetische Theatralik vergessen und wenn McGregor und Johansson in der finalen Sequenz gen Sonnenuntergang blicken (ein Bay-typischer Moment) darf man sich gewiss sein, soeben ein waschechtes Wunder erlebt zu haben. Ein guter Bay-Film - ich glaub's nicht.  
6/10

2 Kommentare:

  1. Ja, gerade dass die bombastische zweite Hälfte die sensiblere erste Hälfte nicht kaputt macht, ist schon so ein Ding für sich. "Die Insel" war mein erstes und bislang einziges positives Bay-Erlebnis, dem ich trotz mancher Defizite dann doch mehr als 6 Punkte geben würde, allein weil der Unterhaltungswert meiner Ansicht nach schon enorm hoch war.

    Es ist schade dass die miesen "Transformers"-Filme erst hinterher gedreht wurden, sonst hätte man sich eventuell noch auf weitere Bay-Filme dieser Qualität freuen können. Aber nun, wo der gute Mann durch seine finantziellen Erfolge mit "Transformers" von der Masse falsch bestätigt wurde, kann man den Mann sicherlich für immer abschreiben - nun ja, zumindest für lange Zeit. Vielleicht dreht er ja in seiner Spätphase überraschend altersweise Filme. :)

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  2. Ich habe Bay schon vor langer Zeit aufgegeben, und nach den unsäglichen "Transformers"-Filmen ist der Kerl eh nicht nicht mehr ernst zu nehmen. :)

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