Man wettert ja so gerne gegen den
US-amerikanischen Filmemacher, macht sich lustig über seine
grauenhaften Darsteller, seinen übertriebenen Pathos oder seine
hölzernen Dialoge und wünscht sich lautstark ein Ende seiner nun
schon siebzehn Jahre währenden Schaffensphase herbei. Doch ein
gewisses Talent für wuchtiges Kino-Entertainment kann man ihm –
bei aller Antipathie – nicht vollkommen absprechen. Und so kommt es
auch schon mal vor, dass dieser gewisse Herr mich – und ich wage es
kaum zu auszusprechen – durchaus zu begeistern vermochte. Verrückte
Welt!
Ich muss ehrlich zugeben: Ich mag
Michael Bay nicht. Weder den Kerl, der in unzähligen Interviews
davon redet, dass er doch lediglich unterhaltsames Action-Kino machen
wolle und er nicht verstünde, weshalb sich so viele Leute über ihn
aufregen, noch eine Vielzahl seiner dumm-dreisten Machwerke, die von
der äußerst schmerzhaften Aufarbeitung eines historischen
Ereignisses bis zu pubertären Hip-Hop-Robotern reichen. Bay ist zu
viel von dem, was ich an Amerika hasse: Pathetisch, affektiv und
arrogant in seiner fortwährend präsenten Weltpolizei-Attitüde und
dem damit verbundenen Militarismus. Gewisse Schauwerte kann ich
seinen Filmen zwar nicht absprechen, doch was soll ich von einem
Action-Regisseur halten, bei dem ich alle fünf Sekunden auf die
Stop-Taste drücken muss, um seine zugegeben stark animierten Effekte
begutachten zu können? Wie auch immer, ich schweife ab ins übliche
Bay-Bashing, welches zwar gerechtfertigt ist, jedoch in einer Kritik
zu „The Island“ gänzlich fehl am Platze ist. Denn „The Island“
ist endlich einmal all das, was Bay schon seit vielen Jahren
verzweifelt zu schaffen versucht: Ein unterhaltsames
Action-Spektakel – und sogar ein wenig mehr...
Das macht sich schon bei der bedeutend
besseren Ausgangslage bemerkbar. Das Skript von Caspian Tredwell-Owen
bietet unzählige interessante Ansätze, ist faszinierend in seiner
Idee und gewährt Bay darüber hinaus die Möglichkeit sein visuelles
Talent auszuspielen, welches in „The Island“ nicht ausschließlich
zum Selbstzweck gerät. Die visuelle Sterilität, die seinen Werken
seit jeher anhaftet, ergänzt sich endlich einmal mit der inhaltlich
beschriebenen Sterilität und passt sich nahtlos in das filmische
Gesamtkonzept ein. Die erste Hälfte ist dabei völlig Bay-untypisch:
Explosionen bleiben aus, Sonnenuntergänge sind rar und man verspürt
ein gewisses Interesse am weiteren Verlauf der Geschichte. Einzig
allein die Sonnenstudio-Bräune unserer Protagonisten erinnert uns
regelmäßig daran, dass wir uns erstaunlicherweise in einem Bay-Film
befinden. Stören tut das nicht, zumal es eine Art Trade-Mark von Bay
zu seien scheint, ärgerlicher ist da schon eher das
dreist-penetrante Product-Placement, welches nicht davor
zurückschreckt, die äußerst bequemen und atmungsaktiven
Puma-Sportschuhe im schlichten Blütenweiß auch zig Mal in der
Nahaufnahme zu zeigen.
Und doch weckt die Geschichte genügend
Interesse, um auch über diese Schwächen gut gelaunt hinwegzusehen –
Scarlett Johansson in ein eng geschnittenes Dress zu stecken, gehört
dabei fast schon zum guten Ton. Bay's Welt ist interessant, ebenso
sein Diskurs über das Klonen und die moralisch-ethnischen Bedenken,
die damit einhergehen. Eine Szene, die Klone vor der geplanten
Vergasung zeigt, in das Geschehen zu integrieren, zeugt von Mut. So
ist sie doch in ihrer Konsequenz und ihrem brutalen Realismus – vom
historischen Unterton gar nicht zu sprechen - in Bay-Werken so noch
nie dagewesen. Die Nebendarsteller verleihen „The
Island“ währenddessen einen glaubwürdigen Rahmen, Buscemi ist
bisweilen ganz amüsant, Sean Bean überraschend mehrdimensional und
Hounsou in seiner Wandlung durchaus glaubhaft.
Die zweite Hälfte explodiert dann
geradezu in seinem absurden Materialverschleiß, als müsse Bay all
das nachholen, was er in der Stunde zuvor versäumt hatte. Dann
kracht, rummst, explodiert und knallt es im Sekundentakt und Bay lebt
seinen Zerstörungs-Fetisch vollends aus. Die Effekte sind dabei
gewohnt beeindruckend, die Action ist spaßig und überhaupt
gestaltet sich die zweite Hälfte trotz der plötzlich eintretenden
Zerstörungs-Wut als überraschend homogene Angelegenheit.
Zwischendurch gelingt es Bay sogar, ab und zu so etwas wie Atmosphäre
zu evozieren, etwa dann, wenn Johansson ihren Sponsoren (das
identische Ebenbild) erblickt, desillusioniert angesichts der
schmerzenden Erkenntnis ihrer eigentlichen Daseinsberechtigung.
Überhaupt beweist Bay einige Male ein Gespür für ruhige Momente,
lässt die Kamera einige Sekunden auf den Gesichtern seiner
Protagonisten verharren, um so etwas wie Emotionen einzufangen und
vermag damit durchaus zu überzeugen.
Und ehe die tolle erste Hälfte
mittels effekthaschender Bombast-Action aus dem Gedächtnis geprügelt
wurde, kommt Mr. Bay mit einem Finale um die Ecke, das endlich einmal
jene emotionale Intensität erreicht, die seine Filme seit jeher
anpeilen, aber nie erreichen. Das Motiv des Umdenkens, das Plädoyer
für Freiheit und der finale Dialog zwischen Bean und Hounsou über
die Verantwortung der Wissenschaft reißen mit, sowohl visuell als
auch auditiv und lassen jegliche pathetische Theatralik vergessen und
wenn McGregor und Johansson in der finalen Sequenz gen
Sonnenuntergang blicken (ein Bay-typischer Moment) darf man sich
gewiss sein, soeben ein waschechtes Wunder erlebt zu haben. Ein guter
Bay-Film - ich glaub's nicht.
6/10
Ja, gerade dass die bombastische zweite Hälfte die sensiblere erste Hälfte nicht kaputt macht, ist schon so ein Ding für sich. "Die Insel" war mein erstes und bislang einziges positives Bay-Erlebnis, dem ich trotz mancher Defizite dann doch mehr als 6 Punkte geben würde, allein weil der Unterhaltungswert meiner Ansicht nach schon enorm hoch war.
AntwortenLöschenEs ist schade dass die miesen "Transformers"-Filme erst hinterher gedreht wurden, sonst hätte man sich eventuell noch auf weitere Bay-Filme dieser Qualität freuen können. Aber nun, wo der gute Mann durch seine finantziellen Erfolge mit "Transformers" von der Masse falsch bestätigt wurde, kann man den Mann sicherlich für immer abschreiben - nun ja, zumindest für lange Zeit. Vielleicht dreht er ja in seiner Spätphase überraschend altersweise Filme. :)
Ich habe Bay schon vor langer Zeit aufgegeben, und nach den unsäglichen "Transformers"-Filmen ist der Kerl eh nicht nicht mehr ernst zu nehmen. :)
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