Dienstag, 29. Dezember 2015

"Staudamm" [DE '13 | Thomas Sieben]

Ich wage es: Der beste Film zum Thema Amoklauf kommt aus Deutschland. Regisseur Thomas Sieben erzählt nicht in erster Instanz die Geschichte eines Amokläufers, stattdessen erzählt er von den Dingen, die zählen. Abseits biographischer Strichlisten, Kommentaren von denen und jenen, die dachten Hans Wurst sei immer so ein lieber Junge gewesen; den Nachbarn, den entsetzten, die gar nicht glauben wollten, dass so etwas auch in der bayerischen Provinz passieren könnte. Oder eben kalkulierter Tathergangs-Rekonstruktion und den damit verbundenen Diskussionen darüber, was geht oder was nicht. All das klammert „Staudamm“ klugerweise aus. Der Blick auf den Amoklauf eines Jungen ist zunächst einmal der eines Außenstehenden, der am Küchentisch in seiner Wohnung im Rahmen einer zeitlich befristeten Anstellung die Akten wälzt, ordnet und hörbar macht, um so das Leben eines viel beschäftigten Juristen zu erleichtern, der selbst in den Skype-Sitzungen nicht den Blick von den Akten abwenden kann. Es ist in gewisser Weise unser Blick, den wir uns über Zeitungsartikel und Fernsehberichte eröffnet haben, zuzüglich einiger Trivia-Informationen über das, was einige Augenzeugen gesehen haben wollen und was nicht. Dieser Blick ist vage und fern. Sieben kehrt nun in die finstersten Winkel ein, indem er die Perspektive eines Outsiders wählt und sie sukzessive zum Insider wandelt. Mit jedem Mosaikstück des Falles, das zu den Gründen für den Amoklauf führt, mit jeder Sekunde gemeinsam mit der Überlebenden Laura und der sich langsam entfaltenden Romanze zu ihr. Sieben hält das in einer besonders kraftvollen Szene fest: nach einer romantischen Nacht in einer bayerischen Dorfkneipe steigen die beiden Protagonisten in die Schule des Amoklaufs ein. Sie rasen euphorisch durch die Gänge, beseelt von dem Gedanken aneinander Halt gefunden zu haben. Während sie auf der Treppe eine Pause macht, geistert er ins nächstgelegene Stockwerk. Es kehrt Stille ein, er atmet ruhig. Seine Arme winkeln sich an, sodass ein imaginiertes Gewehr seinen Platz findet. Er nimmt den Finger an den Abzug. Er drückt ab und gibt ein leises Schussgeräusch von sich. Bähm. Schnelle Drehung, noch ein Schuss. Bähm. - Der Amoklauf in „Staudamm“ führt zu Gründen, die jedem von uns innewohnen. Er führt zur Wut, zur Frustration, zu den Nackenschlägen, die impulsiv ausgekotzt werden. Die Rückschläge vergessen, die erdrückenden Erwartungen zerschlagen, die unendliche, überwältigende Ohnmacht für einen Augenblick der Allmacht Platz gemacht. Die Reise dorthin vollzieht der Film kaum merklich, das Einzelschicksal dient eher als Fallbeispiel. „Staudamm“ ist nicht erschreckend, weil er einen Amoklauf und die Biographie seines Verursachers reflektiert, „Staudamm“ ist erschreckend, weil wir an diesem Ort die Amokläufer sind. Und damit alleine mit unseren Problemen und den finstersten Winkeln unserer Herzen. 

7/10 

Sonntag, 6. Dezember 2015

Zuletzt gesehen: November 2015

"The King of Comedy" [US '83 | Martin Scorsese] - 6.5/10

"Mission: Impossible – Rogue Nation" [US '15 | Christopher McQuarrie] - 5/10

"The Propaganda Game" [ES '15 | Alvaro Longoria] - 6/10

"Homme Less" [US '14 | Thomas Wirthensohn] - 6/10

"Menschen" [DE '15 | Grégory Darcy] - 4/10

"Citizenfour" [DE, UK, US '14 | Laura Poitras] - 8/10

"Mitte Ende August" [DE '09 | Sebastian Schipper] - 4/10

"Der Marsianer" [US '15 | Ridley Scott] - 4/10

"Macbeth" [FR, UK, US '15 | Justin Kurzel] - 5.5/10

"The Look of Silence" [DK, FI, UK, ID, NO '14 | Joshua Oppenheimer] - 8/10

"Tomboy" [FR '11 | Céline Sciamma] - 6/10

"The Tribe" [NL, UA '14 | Miroslav Slaboshpitsky] - 5/10   

"Sleepless in New York" [CH '14 | Christian Fei] - 3/10

Samstag, 28. November 2015

"Laurel Canyon" [US '02 | Lisa Cholodenko]

Christian Bale und Kate Beckinsale sind toll miteinander. Wie sie sich als Team aufmachen, in stillschweigender Übereinkunft eines geplanten, gemeinsamen Lebens, wie sie anfangen zu grübeln, zu zweifeln und zu fallen. Wie sie umherirren mit schwirrendem Kopf und offener Hose und konfrontiert sind zu finden, was das Herz verlangt und dem man sich gar nicht erwehren möchte – selbst wenn man es könnte. Es macht Spaß diesen beiden Schauspielern, deren Karrieren grundlegend verschiedene Richtungen einnahmen, dabei zuzuschauen, wie sie sich anschreien, sich abstoßen und doch wieder zusammenraufen, weil es das Drehbuch nur an ganz entscheidenden Stellen zu offenen Konfrontationen kommen lässt. Das sorgt für beibehaltende Spannungen im interessanten Figurengepflecht zwischen Mutter und Sohn und den jeweiligen Partnerschaften. Denn nicht zuletzt erzählt „Laurel Canyon“ von zerrütteten Familienverhältnissen und der Last des Schweigens, die Distanz aufbaut, statt Gedanken zu teilen. Cholodenko lässt die Konflikte auf einem komprimierten Raum offen zu Tage treten und thematisiert in der Intimität des alltäglichen Miteinanders sowohl Vergangenheitsbewältigung als auch Zukunftsangst und verlautbart diese über seine Figuren. Bale's Lebenswirklichkeit spiegelt nämlich ganz konkret die Vergangenheit wider und die absurd anmutenden sexuellen Eskapaden der Protagonisten die Ängste, die sie beherrschen. Auch die Angst, das Leben nicht richtig gelebt zu haben. 

6/10

Sonntag, 15. November 2015

"Sicario" [US '15 | Denis Villeneuve]

Villeneuve beschenkt das fleischlose Drehbuch mit starken Bildern und spannungsgeladenen Versuchsanordnungen. Dabei tut er gut daran, die Perspektive einer jungen FBI-Agentin nie zu verlassen, denn es gibt ihm die Möglichkeit den Blick immer wieder zu verstellen, einzuschränken und Dinge im Dunkeln zu lassen, die dort verborgen eine viel größere Wirkung entfalten. Gerade die Einfahrt nach Juarez vermag es ein Gefühl für die stetige, umfassende Paranoia zu vermitteln, die Polizei und Militär an den Grenzen Mexikos in den Innenräumen schwer gepanzerter SUV's erfassen muss. Trotzdem ist das natürlich lediglich eine Aneinanderreihung von Spannungsmomenten, die den angeschnittenen Themenkomplexen intellektuell nicht einmal annähernd Rechnung tragen. Dafür ist das Drehbuch wie gesagt viel zu einfältig, saft- und kraftlos. Dementsprechend hat "Sicario" entweder nichts zu erzählen oder weiß nicht was er erzählen soll. Es wird weder ein tieferer Einblick in die Hierarchien der US-Behörden, noch in die Strukturen der mexikanischen Kartelle gewährt; die Integration eines Subplots um einen korrupten, mexikanischen Polizisten (und Familienvater: ganz wichtig!) ist nur ein ungelenker Versuch die Geschehnisse narrativ auszubreiten und ambivalenter zu machen. Am Ende bleibt nicht viel mehr als gezielte Kopfschüsse, viel Lärm um Nichts - und Emily Blunt.

5/10

Mittwoch, 4. November 2015

Zuletzt gesehen: Oktober 2015

 "Finsterworld" [DE '13 | Frauke Finsterwalder] - 7/10

"Alles steht Kopf" [US ´15 | Pete Doctor] - 6/10

"Jurassic World" [US ´15 | Colin Trevorrow] - 4.5/10

"Fieber im Blut" [US '61 | Elia Kazan] - 6.5/10

"Hotel Ruanda" [CA, UK, IT, US, ZA '04 | Terry George] - 6/10

"Columbo: Mord in Pastell" [US '71 | Peter Falk] - 6/10

"Rick and Morty" [US '15 | Season 2] - 7/10

"Re-Animator" [US '85 | Stuart Gordon] - 6/10

"Der dritte Mann" [UK '49 | Carol Reed] - 5/10

"That Moment: Magnolia Diary" [US '00 | Mark Rance] - 8/10

"Sicario" [US '15 | Denis Villeneuve] - 5/10

Samstag, 10. Oktober 2015

"Ruby Sparks" [US '12 | Jonathan Dayton & Valerie Faris]

Nach einiger Zeit findet Ruby, das Mädchen, das durch die Magie einer Schreibmaschine zum Leben erwachte, Freunde fernab der Sphäre von Calvin. Calvin ist konservativ, ernst und hält in seiner Vorstellung an einem Frauenideal fest, das außerhalb seiner angestaubten Fantasien weiter vorangeschritten ist. Ruby findet einen Ausgleich zur Beziehung durch die Verwirklichung von Träumen und das Ausleben von Interessen mit Anderen. Calvin folgt diesem Lebensmodell nicht und glaubt weiter an die Magie der Schreibmaschine und daran, seine Traumfrau zusammenbauen zu können; aus Satzkonstrukten und Phrasen, die einzufangen suchen, was eine Frau in ihrem tiefsten Innern ausmacht. Das funktioniert natürlich nicht. Er glaubt weiterhin die Beziehungswelt kreist um ihn. Er ist egoistisch. "Ruby Sparks" zieht aus diesen Spannungsfeldern kluge Erkenntnisse und macht die phantastische Prämisse zum Ursprung von schrägem Witz. Ruby wird als Kurzschlussreaktion weiter eingezäunt und an die Leine genommen. Sie wird runter-rationalisiert und zu einer willenlosen Puppe gemacht. Calvin's Allmacht gipfelt schließlich in einer hochdramatischen Konklusion: wer unfähig ist zu adaptieren, einen Kompromiss herauszuarbeiten, sich zurückzunehmen und zuzuhören, wird für immer einsam bleiben. Trotzdem ist "Ruby Sparks" kein Film über Ruby Sparks: sie ist austauschbar, den Launen ihres Erschaffers unterworfen. "Ruby Sparks" ist ein Film über den Erschaffer - einen soziopathischen Diktator, der in einer weltfremden Welt lebt, und dem das größte Wunder widerfährt. Und dann gibt es da noch diesen wunderbaren Meta-Moment. Wenn die Figur von ihrem Figursein erfährt. Und damit von ihrer Ohnmacht. 

6/10 

Sonntag, 4. Oktober 2015

"Alles steht Kopf" [US '15 | Pete Docter]

Die Erkenntnis von Riley am Ende ist eine extrem gewichtige: Kummer zuzulassen und offen auszuleben ist auch eine Form der Kommunikation, die Signale sendet, um gehört zu werden und sich schlussendlich geborgen zu fühlen. Dann kann in den Armen der Eltern aus einer Träne auch wieder ein Lächeln erwachsen. Hierzulande kommentiert man die Loblieder auf den Wert der Familie, die ja gerade beim Disney-Konzern in jeder Produktion inbegriffen sind, stets mit einem gewissen Zynismus. „Inside Out“ jedoch legt die Funktion der Familie als Auffangnetz und Rückzugsort in wenigen Szenen umso eindringlicher dar, weil der Film die Auswirkungen eines gesunden Familienlebens durch die Prämisse, sich im Kopf eines heranwachsenden Mädchens zu befinden, unmittelbar spürbar macht. Riley muss sich zeigen, um gehört und schließlich verstanden zu werden. Ihre kleine Welt bricht zusammen, weil sie sich in sich zurückzieht und das Gefühl hat alleine auf dieser Welt zu sein. Sie lernt, dass jede Emotion eine Facette ihrer Selbst ist und dass keine Identität, sondern Identitäten ihr Selbst ausmachen. Und dabei ist keine Emotion überflüssig – das darf sogar das traurige Pullunder-Mädchen in ihrem Kopf lernen, das sich mit Freude im Langzeitgedächtnis verlaufen hat. Alleine dieser Satz gibt einen Ausblick auf die wundersame, wahnwitzige Welt, die wir in „Inside Out“ besuchen dürfen. Sie fordert Kinder und kreiert eine Fallhöhe, die sie auf der Kante ihres Sitzes hocken lässt - selbst wenn ich dabei nicht fortwährend gefangen war.

6/10

Samstag, 3. Oktober 2015

Zuletzt gesehen: September 2015

"Nightmares in Red White and Blue" [US '09 | Andrew Monument] - 4/10

"The Omen" [UK, US '76 | Richard Donner] - 4/10

"Küss mich bitte!" [FR '07 | Emmanuel Mouret] - 4/10

"Good Kill" [US '14 | Andrew Niccol] - 5.5/10

"Kramer gegen Kramer" [US '79 | Robert Benton] - 7/10

"Avengers: Age of Ultron" [US '15 | Joss Whedon] - 3/10

"You're next" [US '11 | Adam Wingard] - 6/10

"Eine Leiche zum Dessert" [US '76 | Robert Moore] - 6/10

"Une histoire d'amour" [BE, LU, FR '13 | Hélène Fillières] - 5/10

"Chained" [US '12 | Jennifer Lynch] - 5/10

"Mystery" [CN, FR ´12 | Ye Lou] - 5/10

"Killing Them Softly" [US '12 | Andrew Dominik] - 5.5/10

"Taking Woodstock" [US ´09 | Ang Lee] - 6/10

"Man lernt nie aus" [US '15 | Nancy Meyers] - 4/10

"The Overnight" [US ´14 | Patrick Brice] - 6/10

Samstag, 26. September 2015

"Hugo Cabret" [US ´11 | Martin Scorsese]

Es gibt sie also noch. Ich hätte es ja nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen (Kinder-)Augen gesehen hätte. „Hugo Cabret“ - gestatten: ein Kinderfilm, Herzensfilm, Familienfilm, was heißt, dass hier die gesamte Familie auf ihre Kosten kommt. Und ein Ensemblefilm, wenngleich eine ganze Reihe bekannter Gesichter hier nur Weihnachtsdekoration ist, die die Bahnhofhalle etwas farbenprächtiger strahlen lässt. Manchmal registriert man sie überhaupt nicht, aber man ist doch froh, dass sie trotz allem da ist. Die Magie liegt ohnehin in den funkelnden Kinderaugen, im Stellvertreter-Staunen, den Zwischenmenschlichkeiten, weil Scorsese nicht das Risiko scheut seine Geschichte auf zwei jungen Schultern zu verteilen. Die Jungen werfen einen Blick zurück und die Alten dürfen sich daran erinnern, wie es war die Wunder dieser Welt das erste Mal erfahren zu dürfen; daran wie unendlich sie schienen, unendlich wertvoll, überwältigend ganz im Sinne des Wortes, sentimental, verklärt, trotzdem tröstend, Staubschicht mit zerfurchten Fingern zusammengeschoben. Daran wie einem die Worte fehlten zu beschreiben, was der Verstand noch gar nicht zu fassen mochte. Das Kino noch jungfräulich. Dennoch ist dieser Blick kein wehmütiger. Einer der letzten großen Zauberkünstler verneigt sich lediglich vor jenen, die ihm die Tricks beibrachten; inbrünstig, mit der Begeisterungsfähigkeit eines Kindes und auch durch die Augen eines solchen. In einer gerechten Welt stünde „Hugo Cabret“ irgendwann in einer Reihe mit Filmklassikern wie „E.T.“ - kein Marvel-Film. Denn das Kino ist heilig und wertvoll, weil es uns daran erinnert Kind zu sein. Und der Zauber existiert. 

7/10

Dienstag, 15. September 2015

"Punch-Drunk Love" [US '02 | Paul Thomas Anderson]

Ein unheimlich kraftvoller, ganz und gar und ganz im Wortsinn schräger, aber immer liebevoller Ausflug eines Regisseurs, der keinem mehr etwas beweisen muss. "Punch-Drunk Love" beherbergt so viel und vermag noch mehr zu geben. Er weiß über das eingepfercht, das in die Ecke gedrängt und von Erwartungen erdrückt sein zu berichten, von verpassten Chancen und den Traumatas der Vergangenheit. Er begleitet eine schrullige Figur, gibt sie aber nicht der Lächerlichkeit preis, weil sie universell genug ist, um jeder von uns sein zu können. Anderson's Tempo ist in jedem Moment eigenwillig und trotz 90 Minuten Lauflänge schwierig zu adaptieren. Er inszeniert komplex und anspruchsvoll, schreibt aber Dialoge von imponierender Klar- und Direktheit. "Punch Drunk Love" weckt das Verlangen, dem, was einen kaputt macht und dem, was fremden Ansprüchen entwächst, einfach zu entfliehen. Und vielleicht ist das ein zentrales Thema des Films: der Ausbruch aus einer fremdgesteuerten Welt und damit auch ein Ausbruch aus einer konstruierten Form des Selbstbildes. Ein Ausbruch aus sich selbst.

7/10

Dienstag, 1. September 2015

Zuletzt gesehen: August 2015

"Paris, Texas" [DE, FR, US '84 | Wim Wenders] - 6/10

"Polizeiruf 110: Cassandras Warnung" [DE '11 | Dominik Graf] - 4/10

"The Unborn" [US '09 | David S. Goyer] - 3/10

"Cube" [CA '97 | Vincenzo Natali] - 3/10

"Community" [US '15 | Season 6] - 6.5/10

"Die sieben Samurai" [JP '54 | Akira Kurosawa] - 7/10

"Top of the Lake" [AU, UK, US, NZ '13 | Season 1] - 5.5/10

"True Detective" [US '15 | Season 2] - 4/10

"Vikings" [CA, IL '13 | Season 1] - 6.5/10

"Vikings" [CA, IL '14 | Season 2] - 7/10

"Vikings" [CA, IL '15 | Season 3] - 6/10

"Vanilla Sky" [US '01 | Cameron Crowe] - 5/10

"Ex Machina" [UK, US '15 | Alex Garland] - 6/10

"Anchorman" [US '04 | Adam McKay] - 5/10

"Cable Guy" [US '96 | Ben Stiller] - 4/10

"The Secret Life of Walter Mitty" [US '13 | Ben Stiller] - 4.5/10

"Pacific Rim" [US '13 | Guillermo del Toro] - 4/10

"Memories of Murder" [KR '03 | Bong Joon-ho] - 8/10

"Oblivion" [US '13 | Joseph Kosinski] - 5.5/10

"Joint Security Area" [KR '00 | Park Chan-wook] - 7/10

"Sinister" [US '12 | Scott Derrickson] - 3/10

Samstag, 29. August 2015

"Godzilla" [US '14 | Gareth Edwards]

Wow, überraschend toll. "Godzilla" ist ganz und gar nicht fehlerfrei, kommt am Anfang nicht ganz aus dem Schuh und hat am Figurenarsenal offenbar zugunsten der Effekte eingespart. Trotzdem ist das unterm Strich eine viel zu beeindruckend bebilderte Sause, um sie ernsthaft als gescheitert zu verbuchen. Edwards inszeniert das bis zum Ende äußerst sorgfältig, übersichtlich, mit ruhiger Hand und immer auf den besten Effekt bedacht. Und der liegt nunmal zumeist in der Zerstreuung der Sehenswürdigkeiten. Godzilla bleibt fortwährend eine Sensation, von der man nicht genug bekommen kann, einfach weil Edwards sie immer wieder als Sensation zu verkaufen weiß. Die feine Kameraarbeit und die kluge Integration von Displays und Fernsehbildschirmen, Nachrichtenschnipseln und POVs entrücken immer wieder die Perspektive und verstellen den Blick - das sorgt für ein Gefühl der Unmittelbarkeit und spielt auf sinnige Weise den Computereffekten zu, die auf sich alleine gestellt nur halb so eindrucksvoll gewesen wären. Die apokalyptischen Szenen in einem San Francisco vor dem Untergang gemahnen überdies an die Bilderwelten eines Lovecraft und machen die Ausmaßen des Monster-Clashs deutlich, während der atmosphärische Halo-Sprung wieder Mitten ins Geschehen versetzt. Aaron Taylor-Johnson einen ganzen Blockbuster im Alleingang schultern zu lassen, mag eine weniger kluge Entscheidung gewesen sein, tritt der unterstützende Cast doch entweder ab (Cranston), zurück (Watanabe) oder ganz einfach kaum auf (Olsen). Doch das macht in der letzten halben Stunde kaum noch einen Unterschied. Dann tritt Publikumsliebling Godzilla Ärsche, umhüllt von Nebel und verzerrt von lodernden Flammen. Edwards beschwört die Hölle herauf. Mir gefällt's.

6/10

Sonntag, 23. August 2015

All Eyes On: Jim Carrey

Jim Carrey ist eine Naturgewalt. Geboren und aufgewachsen in Newmarket, Ontario, Kanada. Zunächst in geordneten, gewöhnlichen Verhältnissen, dann in Armut. Bestärkt von einem Vater, der seinen Sohn das zu tun antrieb, was er sich selber nicht erfüllen durfte. Als Klassenclown mal mehr oder weniger erfolgreich, dann nach der Schule 8-Stunden-Schichten. Imitationstalent, Rampensau, Atheist, Spiritualist. Schwere Zeiten auf Prozac, dann wieder Grimassen-ziehender Comedy-Gott und nach sensationell erfolgreichen Karrieredekaden als zweifacher Globe-Gewinner Ende der 90er Jahre zum neuen Millennium mit abflauendem Erfolg und gefühlter Leinwand-Abstinenz. Kaufman-Verehrer und eher unernst Emma Stone-Stalker, zumindest ist das das, was er sagt. Womöglich der meistunterschätzte Schauspieler aller Zeiten und womöglich trotzdem der beste. In einer gerechten Welt stünde Carrey irgendwann in einer Reihe mit Brando und Chaplin. Als eigentlich unspielbare Maske im gleichnamigen "The Mask" die einzig denkbare Besetzung für das Comedy-Wunder der 90er, als Dummbacke und Paradiesvogel auch weitläufig als Brachial-Komiker bekannt. Das stimmt natürlich nicht. Nichts ist härter als Comedy. Dann als Truman in der Medien-Reflektion "The Truman Show" auch im Feuilleton am Start, weil der ja bekanntlich für alles Abseitige blind ist, ein Jahr später als Kaufman auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wieder war Carrey die einzig denkbare Besetzung. Er begreift das Kino als "the last place to tell the truth" und hat damit hoffentlich nicht recht, auszuschließen ist es aber nicht. Er war mit Gott auf der Leinwand zu sehen und durfte Cameron Diaz küssen. Er ist Redenschwinger, Verfechter der transzendentalen Meditation, empathischer Gefühlsmensch und Aufmerksamkeitssüchtig – aber wer ist das nicht? Ihm gehört die Bühne, wenn er sie betritt und er ist „the man of 150 faces“, weil die Eintausend dann doch zu viele waren. Er ist Interview-Gold und sollte unbedingt aufmerksamer geschaut werden. Zumindest der Meinung dieses Autoren nach.

Samstag, 22. August 2015

"New World" [KR '13 | Hoon-jung Park]

Die zweite Hälfte ist besser. Dann werden auch die dem Genre seit jeher inhärenten melancholischen Zwischentöne zugelassen, nicht zuletzt getragen vom tollen Score von Jo Yeong-wook. Zudem machen dann die desillusionierten, zerstörten Figuren Sinn und der entschleunigten Erzählweise wird durch knackige Wendungen der nötige Drive verliehen. Darüber hinaus weiß „New World“ seinen schönen Schlussgag vom Wolf im Schafspelz inszenatorisch auszuspielen, so wie es südkoreanisches Kino sowieso versteht, visuell alle Register zu ziehen. Trotzdem hinterlässt die erste Hälfte einen faden Beigeschmack: als Zuschauer bleibt nichts zu entdecken, keine Einzelheit selber zusammenzusetzen. Jede Figur handelt aus klaren Motiven heraus, Raum für Ambivalenzen, Mysterien und Andeutungen gibt es nicht. Die sparsam eingestreuten Eskalationen können die Koreaner aber einfach, auch wenn man sich dafür vorher durch eine lauwarme „Infernal Affairs“-Soße löffeln muss.

5/10

Sonntag, 16. August 2015

"Irréversible" [FR '02 | Gaspar Noé]

Die Kamera suchend, rotierend. Cameo eines schweinsköpfigen Menschenfeindes, der gerne seine Tochter bumst. Rektal-Untersuchung, durch endlose Schläuche, pulsierend, ins Rektum. Ein schwarzes Loch, die Wände schwitzen, der Boden bebt unter unaufhörlich treibenden Elektrobeats. Wer hat Le Tenia gesehen? Kennst du Le Tenia? Ist Le Tenia hier? Blas' mir einen! Fiste mich! Fiste mich! Die Schwuchtel bumsen im Verborgenen, weil sie anderswo nicht geduldet werden. Das Rektum ist ihre Parallelgesellschaft. „Irreversibel“ findet hier seinen Anfang, und sein Ende. Der Akt der Rache erreicht hier seine Endgültigkeit, die fatalistische Wendung folgt später. Auf eine Interview-Frage hin, die mögliche Homophobie seines Filmes betreffend, machte Noé nur darauf aufmerksam, dass er sich ja selber masturbierend im Rektum platziert hätte. Quasi präventiv, um den zu erwartenden Vorwürfen etwas handfestes entgegensetzen zu können. Zumindest spricht diese Maßnahme für einen nicht vollkommen unreflektierten Filmemacher mit einem Bewusstsein um Außenwirkungen. Dementsprechend dürften die albernen Reaktionen unprofessioneller Erfüllungsgehilfen in Cannes für Noé nicht sonderlich überraschend gewesen sein - medienwirksam waren sie sowieso. Jede Diskussion um Homophobie ist „Irreversibel“ am Ende des Tages zuträglich. Und doch ist sie nichts wert. „Irreversibel“ ist gegen alles und jeden und damit schlussendlich gegen nichts. Homosexualität, Travestie, Immigration – sie alle sind hier negativ konnotiert. Selbst der sonst so besonnene Lehrer – gebildet, weiß, gut situiert – zermatscht die falsche Visage, sein Kumpel ist ein homophober Hitzkopf, der sich - wenn es drauf ankommt - den Arm brechen lässt und der Vergewaltiger ist einem Cartoon entsprungen. Alles in „Irreversibel“ geschieht aus egoistischen Motiven heraus. Die Nacht ist so finster, dass man glaubt, es gäbe keinen Morgen mehr. Und die einzige Möglichkeit der Nacht zu entfliehen, besteht darin, die Zeit zurückzudrehen.

Samstag, 8. August 2015

"Coherence" [UK, US '13 | James Ward Byrkit]

Man sollte sich nicht den Kopf über „Coherence“ zerbrechen. Was nicht bedeutet, man könne sich hier nicht auch ein zweites oder gar drittes Mal auf die Suche nach Antworten machen. Dennoch gilt es ihn, ohne es sich zu einfach machen zu wollen, doch in erster Linie zu erleben, statt jedes liebevoll arrangierte Detail, jede beiläufige Andeutung und jedes vielsagende Wort entschlüsseln zu müssen, um so möglicherweise einem Gesamtkonzept intellektuell beizukommen, das bei „Coherence“ nicht am Anfang aller Überlegungen stand. Die Entstehungsnotizen schaffen dahingehend Klarheit: Ganz am Anfang stand ein Wohnzimmer, eine Kamera und eine Gruppe fähiger Schauspieler. Geld: gerade nicht flüssig. Crew: nicht ganz beisammen. Also musste eine Idee her, die fähig war diese Elemente zu bündeln und damit schlussendlich auch den ökonomischen Limitationen Hehr zu werden, die sich Debütant James Ward Byrkit mit seinem ersten Langfilm-Projekt boten. Am Anfang also stand keine Idee, sondern statische Rahmenbedingungen. Die Idee entstand schließlich im Zuge einer Lösungssuche. Sie ist zweckgebunden und notwendig und nicht Ausdruck irgendeines konkreten, künstlerischen Bedürfnisses. „Coherence“ steht zudem in der Tradition von Effektfilmen - und ein Magier verrät niemals seine Tricks. Insofern ist „Coherence“ zweckdienlich inszeniert, im ersten Drittel gar atemberaubend spannend und vergisst trotz allem seine Figuren nicht. Und selbst wenn gen Ende Auflösungserscheinungen an ihm zehren, der doppelte Boden sichtbar wird, allein für dieses wunderbar freie Gefühl sich ausbreitender Möglichkeiten und der unendlichen Kraft eines Gedankenspiels sollte „Coherence“ ganz dringend geschaut, genossen und meinetwegen auch entworren werden.

6.5/10 

Sonntag, 2. August 2015

"Parasyte" [JP '14 | Staffel 1]

Ich bin es leid. Geben Anime-Serien in ihrer Synopsis zumindest noch Freunden phantastischen Quatsches Grund zur Vorfreude, hat sich das doch spätestens mit der Installation von Nicht-Figuren und deren Konstellationen endgültig erledigt. Im auf der Stelle treten macht den Japanern solange niemand etwas vor und angesichts der lediglich auf der Texturen-Ebene variierten Figuren-Schablonen und behaupteten Konflikte neigt man schon beinahe dazu handelsüblichen Hollywood-Filmen avantgardistischen Wagemut zu unterstellen. Auch "Parasyte", produziert im Jahre 2014, erdacht in den späten 80er Jahren, macht nichts neues. Nach wie vor muss Anime-Tussies an die Glocken gefasst werden, um auch die Jüngeren abzuholen, nach wie vor dürfen Frauenfiguren, ihrer angestammten Rolle entsprechend, den Männern das Essen kochen, schmachtend, sich im Kreis drehend einem Vollidioten ergeben oder einfach nur, so weit, so doof, vollkommen unerträglich sein. "Parasyte" greift auf bewährte Strukturen zurück, ist stockkonservativ und repräsentiert ein anti-progressives, frauenfeindliches Bild japanischen Zeichentricks, das man nach wie vor viel zu oft ertragen muss und das diesem "Genre" - leider nach wie vor von Quatsch wie diesem dominiert - in keinem Aspekt gerecht wird.

2/10

Samstag, 1. August 2015

Zuletzt gesehen: Juli 2015

"Concussion" [US '12 | Stacie Passon] - 5/10

"The Babadook" [AU '14 | Jennifer Kent] - 5/10

"Groundhog Day" [US '93 | Harold Ramis] - 7/10

"Last Life in the Universe" [JP, TH '03 | Pen-Ek Ratanaruang] - 8/10

"Shortbus" [US '06 | John Cameron Mitchell] - 6/10

"Phoenix" [DE '14 | Christian Petzold] - 7/10

"Pain & Gain" [US '13 | Michael Benjamin Bay] - 4/10

"Das finstere Tal" [AT, DE '14 | Andreas Prochaska] - 5/10

"World War Z" [US, MT '13 | Marc Forster] - 4/10

"Shi" [KR '10 | Chang-dong Lee] - 7/10

"Lincoln" [IN, US '12 | Steven Spielberg] - 5.5/10

"The Thin Red Line" [US '98 | Terrence Malick] - 6/10

"Romance & Cigarettes" [US '05 | John Turturro] - 5/10

"Charade" [US '63 | Stanley Donen] - 5/10

"All the Boys Love Mandy Lane" [US '06 | Jonathan Levine] - 2/10

"Endstation Sehnsucht" [US '51 | Elia Kazan] - 5/10

"Eyes Wide Shut" [UK, US '99 | Stanley Kubrick] - 7/10

Sonntag, 26. Juli 2015

"All Is Lost" [US '13 | J.C. Chandor]

Der alte Mann und das Meer. Leck, blöder Zufall, Wasser im Kahn. Redford bleibt ruhig, besonnen, weiß was wann zu tun ist und in welcher Reihenfolge. Ungereimtheiten versalzen hier nur Segelnerds die Suppe. Aber mit Redford sind wir schon bei einem Problem: die Figur ist schwer zugänglich, Panik vermittelt Redford nicht, nur Gottvertrauen und Besonnenheit. Zudem umweht dessen Kenter-Fahrt während des ungelenken Sturm-Brimboriums eine leichte Brise wohliger Studio-Atmosphäre, die die Immersion, alleine mit diesem alten, stummen Mann den Kräften der Natur ausgesetzt zu sein, zumindest bröckeln lässt. Aber man versteht Chandor's Anliegen, Überlebenskampf auf den Grundsatz heruntergebrochen darzulegen, entschlackt von Erlösungsmythen und Selbstfindungsgeblubber in dem hereinbrechenden Chaos und dem nahenden Tod doch noch spirituelle Erfüllung zu finden. Nein, hier hat ein Mann alleine mit dem Meer Angst um sein Leben und greift wieder und wieder nach dem letzten Strohhalm. Bis er ins Leere greift und sich treiben lässt. Redford spielt bis zur Grenze, strotzt vor allem den physischen Herausforderungen seiner Rolle, bäumt sich auf, sackt zusammen, bis selbst der befreiende Schrei der Verzweiflung vor Erschöpfung erstickt. Deswegen gilt auch diesem Lob für die Errungenschaft knapp zwei Stunden lang in dessen Gesichtsfurchen nach Nuancen suchen zu wollen und den Spuren, die die Odyssee an ihm, zuvorderst aber in ihm hinterlassen hat. Und diese Suche nicht zu bereuen, weil Redford und Chandor sie mit unsentimentalen, eindringlichen Bildern belohnen. Da geht es dahin, im lodernden Feuerball, im ironischen Kampf elementaren Dualismus. Eine letzte Prüfung, ein letztes Loslassen. Und dann: träumen. 

6.5/10 

Sonntag, 19. Juli 2015

"Louie" [US '10 | Louis C. K.]

Liebenswert. Liebenswert trottelig, um es mit Pamela's Worten zu sagen, die dumpf aus einer rauen Kehle dringen und im Treiben der Straße augenblicklich wieder verklingen. Kein Arsch in der Hose, schwabbel-bäuchig, rothaariger Haarkranz von grauen Strähnen durchsetzt, die Season für Season, Jahr für Jahr prominenter werden. Es geht um Louie, der Protagonist aus „Louie“, der Schreiber, der Cutter, der Dirigent, der Motor und das Herz dahinter, der, der von einer Peinlichkeit in die nächste stürzt und trotzdem nicht zur Masche verkommt. Überhaupt, „Louie“ ist keine Masche, kennt keine Maschen, so wie Louie keine Masche ist, nie war, ganz bestimmt nicht. Und er kennt keine Kunstfiguren, weil er von Menschen erzählt. Die eigenwillige Struktur von "Louie" entzieht sich dementsprechend jedweden dramaturgischen Konventionen. Und das mag zunächst irritieren, besonders jene, die ansonsten auf Kohärenz und konzeptionelle Homogenität konditioniert sind. Aber einen dreistufig gegliederten Klimax gibt es hier einfach nicht, genauso wenig wie ein Reiseziel oder spröde Themenvorgaben. Kein Gag auf Gag, kein von A nach B spurten. Stattdessen rückt Louie in den Mittelpunkt, vor roten Backsteinwänden im Scheinwerferlicht New Yorker Stand-up-Bars. Es gehört dazu, wie das fiese Fremdschäm-Kribbeln in der Magengegend. Von surreal verzerrt zu lebensklug, von peinlich zu brutalst ehrlichem Seelenstriptease, der direkt ins Herz geht. „Louie“ muss sich die Identitätsfrage nicht stellen, weil „Louie“ von Louie erzählt und niemand ist wie Louie. Darum brauchen auch keine Referenzen bemüht zu werden. Und das ist das schöne daran: Wie viel Traurigkeit und Weltschmerz sich hinter der Serie verbirgt, darf jeder für sich entdecken, weil „Louie“ keine Vorgaben macht, nichts bloß ausstellt und jede Form des künstlich heraufbeschworenen Sentiments meidet. Zudem erlaubt er eine Verknüpfung mit der eigenen Lebenswelt und vermag all den Peinlichkeiten und Komplikationen, den Konfrontationen und Missverständnissen des Alltags auch seine komischen Seiten abzugewinnen. Deswegen ist „Louie“ auch nicht eskapistisch, sondern konfrontiert mit der eigenen Lebenswirklichkeit; er entlarvt unser aller Schweinehund, der nicht den Idealen folgt, die er sich selber auferlegt hat und die erst in der Ausdauer glaubwürdig werden. „Louie“ vereint die meisterhafte Autorenschaft Louis C.K.'s mit herausragenden schauspielerischen Darbietungen und absoluter künstlerischer Integrität, die sich nicht zu verbiegen braucht. Kein bisschen. Aus dem Herz in die Flimmerkiste. Am Ende stehen echte, uneitle, seelisch blank ziehende Menschen die in wunderschönen, arschkomischen, bitteren und ganz und gar wahrhaftigen Dialogen das Wort aneinander richten. Und eine Lieblingsserie. Mehr geht einfach nicht.

Samstag, 11. Juli 2015

"Singin' in the Rain" [US '52 | Stanley Donen & Gene Kelly]

Wunderbares, wohltuendes, unmittelbares Kino abseits der Narration. Kino, das für den Moment lebt und Handlungsbögen zunächst als Gerüst versteht, an dessen Ausformungen und Schnörkeln es sich kreativ entlang-zu-tänzeln gilt. Ganz besonders hervorzuheben ist die wunderbare, berühmte Singin' in the Rain-Sequenz, die an die Kraft zur Entscheidung gemahnt, die jedem von uns innewohnt und die Glück als Resultat einer bewussten Entscheidung fernab Schicksals-gläubigem Determinismus versteht. In fabelhaften Technicolor-Bildern wirft „Singin' in the Rain“ einen ironischen Blick auf den Anbruch der Tonfilm-Ära und damit auch auf jene, die auf der Strecke geblieben sind, weil sie den Ansprüchen des evolutionierten Showgeschäfts nicht gewachsen waren. Es ist aber auch ein ironischer Blick auf Hollywood per se und hinter die Kulissen in die Büroräume überforderter Studio-Bosse. Die Ausdruckskraft der Stummfilmzeit, fest verwurzelt in der Theatertradition seiner Entstehungszeit, vereint mit den Klängen Zukunfts-enthusiastischer Tanzbären, die nicht wissen ob sie Schauspieler oder Schausteller sind. Ein Film über die Gestörten des Medienzirkus, die dem, was über sie geschrieben wird, einmal zu oft auf den Leim gegangen sind und andere ihre Lebenswirklichkeit entwerfen lassen. Und ein Film über die kreativen Köpfe und funkelnden Sterne, die im Ton, in der Musik und im Tanz eine Chance sehen. Überlebensgroßes, zeitloses Kino von umwerfender Ausdruckskraft. Kino, das ganz aufrichtig an ein Happy Ending zu glauben scheint. Was kann es schöneres geben?

8/10 

Sonntag, 5. Juli 2015

"Polizeiruf 110: Kreise" [DE '15 | Christian Petzold]

Petzold läuft innerhalb der TV- und Format-Grenzen der Anstalten zu Höchstleistungen auf. „Polizeiruf 110: Kreise“ ergründet zunächst Genre-Konventionen im mäandernd-pointierten Vier-Augen-Gespräch, während es jede Dialogzeile penibel auf seine Motive überprüft, um die Motiv-Frage nett plaudernder Verdächtiger erst einmal hinten anzustellen. In der ersten Reihe sitzen ein unglücklich liebender Modellbauer (Justus von Dohnányi), ein eleganter Profi (Matthias Brandt) und seine Theken-erfahrende Partnerin (Barbara Auer), der die Vergangenheit dicht auf dem Fersen ist. Angereichert mit kostümierten Hollywood-Reminiszenzen (ich musste lachen: „Dressed to Kill“), Meta-Ebenen, Film-Anekdoten und den Gesprächen zweier lebenserfahrener Suchender, die sich wollen, aber nicht haben können. Beim Kaffee zur Klassik des Pförtners, bei der Zigarette mit überstülptem Rauchmelder oder beim Autofahren durch das Hinterland, weil Petzold es liebt seinen Figuren beim Autofahren über die Schulter zu blicken. Petzold erzählt in komischen Details über Möbel-Linien und Hexenverbrennungen (vor ihrer Zeit!) von unerfüllter Liebe und dem Schmerz der Vergangenheit. Und er folgt dem Pfad bis an sein Ende. Bis in die Lichtung, wo zutage tritt, was das Herz verschlossen hält. Und die letzte Maske fällt.

7/10 

Mittwoch, 1. Juli 2015

Zuletzt gesehen: Juni 2015

"Kung Fury" [SE '15 | David Sandberg] - 4/10

"The Guest" [US '14 | Adam Wingard] - 6/10

"Loving Annabelle" [US '07 | Katherine Brooks] - 3/10

"The Fault in Our Stars" [US '14 | Josh Boone] - 4/10

"Louie" [US '15 | Season 5] - 7/10

"Desert Hearts" [US '85 | Donna Deitch] - 4/10

"Community" [US '14 | Season 5] - 7/10

"Mad Max: Fury Road" [AU '15 | George Miller] - 7/10

"Game of Thrones" [US '15 | Season 5] - 6/10

"Oslo, 31. August" [NO '11 | Joachim Trier] - 6/10

"Boys Don't Cry" [US '99 | Kimberly Peirce] - 5.5/10

"Victoria" [DE '15 | Sebastian Schipper] - 8/10

"Electric Boogaloo" [AU, UK, IL, US '14 | Mark Hartley] - 4.5/10

"Polizeiruf 110: Kreise" [DE '15 | Christian Petzold] - 7/10

Sonntag, 28. Juni 2015

"Game of Thrones" [US '15 | Season 5]

"Game of Thrones" nervt das erste Mal ein bisschen. Und das über die gesamte Staffel hinweg - an kleinen, aber entscheidenden Stellen. Wie jemand, der dich alle zehn Minuten mit einem Zahnstocher pikst, über zehn Wochen verteilt. Dabei vermag die Serie nach wie vor mitzureißen und zu bannen. Nur scheinen die Macher auf sich alleine gestellt verloren: Dorne ist staubtrockenes, pseudo-dramatisches Figurengeschiebe, dessen Sinn einzig und allein darin besteht, zentralen Figuren etwas zu tun zu geben, solange andere Handlungsstränge (King's Landing) aus ihrer Abstinenz (Jaime) zerfasertes Seemannsgarn spinnen können.

Die Sand Snakes nerven besonders. Sie markieren die "starken" Frauen (weil ja jede Frau, die nicht stark ist, automatisch weniger feministisch), die jene Form von Feminismus repräsentieren, wie ihn sich vermutlich (oder hoffentlich) nur männliche Serienmacher ausdenken können. Wären die Sand Snakes Männer, würden sie Machos genannt - und das zu Recht. Dass man Machos in die Lebenswirklichkeit der Serienwelt einschließt ist dabei vollkommen konsequent, und wird mit Bronn seit Jahren von einer der beliebtesten GoT-Figuren genüsslich ausgespielt. Möchte man diesem Macho nun also ein weibliches Pedant gegenüberstellen, im Zuge einer seltsam gearteten Form von Gleichberechtigung, sollte man den Hardlinern unter den feministischen Filmtheorien jedoch nicht so dilettantisch in die Hände schreiben. Der Blick auf die Sand Snakes ist immer männlich kodiert. Er ist nur der Titten-Quote verpflichtet, und keinem Stück seinen Buchfiguren.

Zudem kehrt nun auch der religiöse Fanatismus in Westeros ein und mit ihm weitere Figuren. Die sind so wenig feministisch wie die Sand Snakes, und im Grunde ziemlich blöd, haben aber immerhin den Vorteil von Märchenonkel Jonathan Pryce angeführt zu werden. Neben dem Lord of Light, der im Norden unter dem Banner Stannis Baratheon's für Angst und Schrecken sorgt, wirft dieser nun also die einstige Ordnung in King's Landing um, straft das System gnadenlos Lügen und wirft ein seltsames Licht auf die herrschende Schicht. Denn wirklich Sinn macht die Integration der Bruderschaft in King's Landing nicht. Woher nehmen sie die Macht, vor allem das militärische Durchsetzungsvermögen einfach mal die Königsfamilie abzusetzen? Warum nehmen sie nicht Littlefinger fest? Warum gibt niemand Jaime Bescheid?
 
Natürlich ist solche Kritik pedantisch, nach Logiklücken zu suchen und in ihnen zu bohren. Andererseits begleitet „Game of Thrones“ nun schon fünfzig Episoden über fünf Jahre hinweg, spielt Schach auf einem riesigen, fantastischen Fantasy-Kontinent, ordnet Parteien an und beendet jäh das Leben jener, die sich entschieden haben im Kampf um den Thron alle anderen hinter sich zu lassen. Das soll heißen, dass diese Serie nur solange dramaturgisch funktionieren kann, wie sie inhaltlich konsistent und nach logischen Gesetzmäßigkeiten konstruiert ist. Dumme Drehbücher konterkarieren das, was die Welt hermetisch gemacht hat und das Mitfiebern lohnenswert. Ist darauf kein Verlass mehr, wird mitdenkenden Fans die Grundlage dafür entzogen sich über die einzelnen Episoden hinaus in die Welt und die Handlungen ihrer Figuren zu begeben. „Game of Thrones“ sollte an sich selbst den Anspruch stellen einem erneuten Blick standhalten zu können - gerade in den Details und den Randnotizen. Das macht eine solche Serie meiner Meinung nach aus.

Apropos dumme Figuren: Ramsay Bolton ist immer noch sadistisch und grinst auch so. Darauf beschränkt sich seine Figur nämlich weiterhin. Und die Serienmacher (und vermutlich auch Martin) genießen es, sein Ende möglichst weit hinauszuschieben, wenngleich mit dem Nicht-Verbrennen der Leichen nach der Schlacht gegen Stannis, dessen Handlungsstrang in erschütternder Nüchternheit abgehakt wurde, ein erster Schritt zum Ende der Boltons getan ist und Sansa den Irrwegen der Serien-Autoren mit der finalen Episode endlich zu entfliehen wusste. Auch wenn man von fünfzehn Meter hohen Mauern nicht springen sollte.

Die letzten drei Episoden und die Geschehnisse an der Wall machen in Season 5 jedoch soviel Spaß wie nie. Mit Jon Snow einer idealistischen Heldenfigur zu folgen ist ungeheuer befreiend und feiert in seinen Abenteuern jenseits der Mauer jenes High Fantasy-Element, das seit den ersten Episoden wieder langsam Einzug erhielt und sich nun ganz sichtbar in Westeros manifestiert. Sowohl im hohen Norden als auch bei Targaryen in Essos, deren Geschichte durch gezielte Highlights (Sons of the Harpy) zumindest bei der Stange hielt. Auch das Abweichen von der Buchvorlage ist theoretisch eine willkommene Option, um neben den Büchern quasi eine alternative Zeitlinie zu eröffnen, sollte aber gründlicher ausgearbeitet werden. Nächstes Jahr also gerne wieder soviel Mut zum Bestreiten neuer Wege, nur dann vielleicht auch mit Autoren, die schreiben können. 

6/10 

Sonntag, 21. Juni 2015

"Love Steaks" [DE '13 | Jakob Lass]

Kein Film für Strichlistenkritiker. Man merkt „Love Steaks“ seine fehlende Vorlage und seinen Improvisationsschwerpunkt an - und genau das macht ihn so unmittelbar, roh und authentisch. Er vermag es sich einer Liebesgeschichte formal aus einem frischen Ansatz heraus zu nähern. Zum Beispiel über seine entrückt-sprunghafte Bildmontage und die eigentümlichen, unvermittelt ein- und wieder ausgespielten Musikstücke. Und er gewinnt impulsiven, unperfekten, ja geradezu fremdschämigen Situationen damit ein Maß an Wahrhaftigkeit ab, wie es in einer Theater-geprägten TV- und Kino-Landschaft wie der unseren leider viel zu selten möglich ist. Dabei verzichtet er darauf seinen nuschelnden, träumenden und saufenden Alltagsfiguren mit einfachen Erklärungsmustern beizukommen. Stattdessen lässt er sie treiben; ungezwungen, antiklimaktisch, wunderbar; wirft einen Blick auf die Arschlöcher und Chefs, die Kollegen und Bekanntschaften, wird nicht blind angesichts der sich senkenden Sonne, sieht sich aber dennoch imstande von dem hinter dem Horizont zu träumen. Und es gelingt ihm tatsächlich über das freie Spiel seiner herrlich rotzigen Protagonisten den flüchtigen Alltagsmoment festzuhalten ohne trivial zu sein und seinen Anspruch an Authentizität nicht zur Farce werden zu lassen. Denn „Love Steaks“ erzählt auch viel über uns selbst und über die Kräfte in uns, derer wir uns womöglich gar nicht sicher sind. 

7/10

Montag, 15. Juni 2015

"Hard Eight" [US '96 | Paul Thomas Anderson]

Jede Figur hat ihre Vergangenheit. Und nichts geschieht ohne Grund oder hintergründiges Motiv. Das Gewissen und die Schuld treibt an, erdrückt, belastet. Ich wollte zunächst ja an Engel glauben, aber die Engel kamen bei Paul Thomas Anderson nun einmal später. Das Konzept eines gefangenen, getriebenen Oldtimers, dem die Gespenster der Vergangenheit nach wie vor auf Schritt und Tritt folgen, erscheint weniger innovativ. Aber die Innovation vollzieht Anderson, der hier in erster Linie ausprobiert, mit dem Gas spielt, das Bremsen übt und erstaunlich selten ins Stocken gerät, sowieso am Rande einer launigen und ebenso lakonischen Crime-Story. In den Dialogen und Figuren zum Beispiel, die schon bei diesem bemerkenswerten Debüt von einem fähigen Autoren zeugen. Und es offenbaren sich die Parallelen zu Tarantino, mit dem Anderson seit jeher eine tiefe Freundschaft verband. Das Spiel mit der Trivialität in einer Extremsituation und die Fähigkeit Geschichten mit Details und Fußnoten anzureichern eint die beiden Regisseure, deren Karrieren nahezu parallel verliefen, lässt aber auch entscheidende Unterschiede erkennen: Der Humor und die Skurrilität bleiben bei Anderson immer Beiwerk, Katalysator oder Sahnehäubchen, werden aber nie zelebriert oder geraten in den Handlungsmittelpunkt. Das macht „Hard Eight“ authentischer, subtiler und nachhaltiger und versperrt nicht den Weg für Herzensangelegenheiten. Darum bleiben Anderson's Welten über den Moment hinaus bestehen. 

6.5/10 

Samstag, 6. Juni 2015

"Paranoia Agent" [JP '04 | Satoshi Kon]

Die totale Dekonstruktion einer tot-fetischisierten Industrie und den Befindlichkeiten seiner allesschauenden Klientel: Die Erschafferin einer austauschbaren Maskottchen-Kreation erfährt Mobbing am Arbeitsplatz sowie den Druck der Vorgesetzten, die gespaltene Halbzeit-Nutte ist ein schwer gestörtes Wrack mit tiefen psychischen Problemen und kein willenloses Schulmädchen und dem heroischen Hohelied auf echtes Männertum in einem Kampfsport-Manga schneidet Kon einen erbärmlichen Fettsack entgegen, der Omas die Handtasche klaut, weil ihm die Yakuza im Nacken sitzt. "Paranoia Agent" kennt keine Helden, weil Kon keine Helden kennt. "Paranoia Agent" kennt nur Menschen, arme Seelen, verschwitzte Fettbacken, Arschlöcher, Gestörte und jene, die versuchen diese Welt zu verstehen und dabei gnadenlos zugrunde gehen. Die Erweiterung des Handlungsspielraums um mehrere Perspektiven und die damit verbundene erzählerische Breite lässt Kon die Suche nach einem Serientäter aber nicht in dem Maße atmosphärisch verdichten, wie es unter anderem noch bei seinem Frühwerk "Perfect Blue" der Fall gewesen war. Dazu ist die Erzählung zu breit angelegt und die Einführung der Figuren, die jeweils eine Episode solo spendiert bekommen, nicht so fesselnd in ihren Mustern und Marotten, ihren Macken und Makeln, wie sie eigentlich in jedem Kon-Film in kürzester Zeit zu finden ist. Dadurch passiert das, was bei Kon eigentlich nie passiert: die Figuren bleiben fern, fremd, verschwommen. Spannende Wendepunkte und abwechslungsreiche Ideen verlieren dadurch an Wirkung, wenngleich "Paranoia Agent" durch komplexe figurale Komplikationen bei Bereitschaft zur Auseinandersetzung ganz gut bei der Stange hält und seine offene Konstruktion nur lose durch Shonen Bat verbundener Episoden, die wie Kurzfilme bei Null beginnen, um dann die Verbindung zum Ganzen als kleines Mosaik zu ziehen, unfassbar kurzweiliges Serien-Vergnügen garantiert. Die schier endlose Ideenflut (gerade in der zweiten Hälfte der Serie) ist dabei ohnehin ein Wahnsinn, der lediglich erahnen lässt was für einen begnadeten Künstler nicht nur Anime-Fans, sondern die gesamte Filmwelt in Satoshi Kon verloren hat. Einen dieser raren Filmschaffenden, der niemandem etwas beweisen musste und dessen Werk auch immer Ausdruck einer anderen, vielleicht wirkungsvolleren Form von Kommunikation war; eine Verbindung nach Draußen, ein Statement, das den Eskapismus anbietet, dem es sich im nächsten Moment wieder entzieht. Die Wahrheit ist schmerzhaft: Shonen Bat steckt in jedem von uns.

Dienstag, 2. Juni 2015

Zuletzt gesehen: Mai 2015

"Blue Ruin" [FR, US '13 | Jeremy Saulnier] - 5/10

"The Bostonians" [UK, US '84 | James Ivory] - 3/10

"Ginger & Rosa" [CA, DK, UK, HR '13 | Sally Potter] - 7/10

"Laurence Anyways" [CA, FR '12 | Xavier Dolan] - 4.5/10

"Monsters University" [US '13 | Dan Scanlon] - 5/10

"BB King: The Life of Riley" [UK '12 | Jon Brewer] - 5.5/10

"What We Do in the Shadows" [NZ, US '14 | Jemaine C. & Taika W.] - 6/10

"Dear Zachary" [US '08 | Kurt Kuenne] - 7/10

"Rosetta" [BE, FR '99 | Jean-Pierre und Luc Dardenne] - 6/10

 "Tampopo" [JP '85 | Juzo Itami] - 7.5/10

"Elena" [RU '11 | Andrey Zvyagintsev] - 6.5/10

"Albert Nobbs" [FR, UK, IE, US '11 | Rodrigo Carcía] - 5/10

"Going Clear" [US '15 | Alex Gibney] - 5.5/10

Sonntag, 31. Mai 2015

"Scream 2" [US '97 | Wes Craven]

Für jede Wendung gibt es einen Kommentar, jede Fügung eine Metaebene, die mit plattem Namendropping und Offensichtlichkeiten befüllt werden kann. „Scream 2“ kokettiert mit ihnen, den Regeln, den Fortsetzung-inhärenten Mechanismen, den Mustern, die ein neunmalklug daher-palavernder Filmstudent in der neuerlichen Mord-Serie erkannt haben will. Mehr Morde braucht's, und mehr Gekröse. Alles muss größer sein, cleverer, ironischer. Viel zu selten vertraut Williamson's gerade in der Einleitung grauenvoll geschwätziges Skript auf die Bilder, die ein Craven zu kreieren vermag. Viel zu sehr begnügt er sich stattdessen mit dem bloßen Nachstellen ikonischer Szenen aus dem Vorgänger, die nur weil sie ironisch gebrochen werden, nicht weniger einfallslos sind. Teil 2 hat ein Identitätsproblem und verzweifelt an der Ambition unbedingt cleverer sein zu müssen als sein meisterhaftes Vorbild. Zudem zeigt er die großen Stärken des Erstlings auf, neben der Thematisierung seines Genres und dessen Klischees, auch entkoppelt von der Referenz unmittelbare Momente des Horrors heraufzubeschwören. Ohne ein Schielen auf den doppelten Boden, den Raum hinter der Kulisse und eine Metaebene, die Williamson ohnehin nicht auszureizen gedenkt. Sogar „Nosferatu“ läuft abermals in der Flimmerkiste. Darüber hinaus verweigert „Scream 2“ seinen Figuren jedwede Weiterentwicklung. Es wird genauso doof gestorben, genauso vermeidbar mit dem Messer im Rücken dahingesiecht, wobei jedes Interesse an seinen Figuren fernab bereits etablierter Stars (Arquette, Campbell, Cox) lediglich in der spaßigen Whodunit-Prämisse begründet liegen dürfte. Das Spiel mit der Paranoia und eben die zentrale Suche nach dem Killer am Rande zur Parodie hat das „Scream“-Team aber nach wie vor ziemlich gut drauf, was vor allem an Craven's ruhiger Hand und dessen exzellenter Schauspielführung liegt. Am Ende werden die Rollen ins Gegenteil verkehrt und Sidney hat alle Hebel in der Hand. Sie kreiert den Horror, versetzt den Verfolger in die Situation vollkommener Hilflosigkeit. Kein Deut subtil, aber immer noch verdammt gute Unterhaltung. 

5.5/10 

Samstag, 23. Mai 2015

"Ame & Yuki – Die Wolfskinder" [JP '12 | Mamoru Hosoda]

Ame & Yuki – Die Wolfskinder“ ist ein schöner Film geworden. Schön ganz im Sinne des Wortes. Er erzählt von einer ungewöhnlichen Liebe zwischen Wolf und Mensch, vor allem aber von der unendlichen Liebe einer Mutter zu ihren Kindern. Davon alles für sie zu tun, auch wenn das bedeutet dafür die eigenen Grenzen neu erfahrbar zu machen. Ja, „Ame & Yuki“ ist ein Film über die Liebe, und er ist kitschig, überhöht und sentimental. Und das macht ihn schön. Weil man darüber lachen könnte, wenn man nicht wüsste, dass es der Wahrheit entspricht. Oder zumindest der Wahrheit am nächsten kommt. Sentimentalitäten entfernen sich keinen Schritt von der Wirklichkeit – sie gehen auf sie zu. So wie Mamoru Hosoda auf sie zugeht. Möchte man Ideologiekritik üben, darf man sich gelegentlich an einer traditionellen Idee von Rollenbildern stoßen und sie kritisieren. Man kann die gebotene Lebenswelt aber auch so akzeptieren und ungeheuer freies, feministisches Anime-Kino erfahren. Eines, das Gleichheit lebt, statt sie bloß zu proklamieren. Denn tatsächlich spielt Feminismus hier überhaupt keine Rolle, weil Geschlechter keine Rolle spielen. „Ame & Yuki“ widmet sich stattdessen einem vielfältigen Themenspektrum. Von Mutterliebe zu Identitätsfindung, von Existenzangst zu Coming of Age. All das lässt sich hier entdecken, erarbeiten, erfahren, man kann aber auch einfach nur die Decke ein wenig höher ziehen, die Augen schließen und dem wunderschönen Score von Takagi Masakatsu lauschen - und wenn ich wunderschön schreibe, ist das maßlos untertrieben. 

7/10 

Samstag, 16. Mai 2015

"Tropfen auf heiße Steine" [FR '00 | François Ozon]

Bizarres Kammerspiel vor deutschen Pop-Schlagern. Die Figuren hängen an Stricken und ihr Glück ist fragil, weil es der Laune eines allmächtigen Puppenspielers unterworfen ist. Ozon greift sich Fassbinder's Bühnenstück und verhilft ihm zu später Ehre. Aller Ehre wert ist dieses launige, zwischen überreizt-nervig und meditativ-tragisch oszillierende Vier-Personen-Stück nämlich trotz der mich weniger interessierenden Schwanzparade der ersten Hälfte trotzdem. Weil Ozon es schafft seine Figuren trotz aller kuriosen Plot-Verrenkungen immer wieder zum Reflektieren anzuhalten. Obwohl er sie mit Füßen tritt, aus dem Gefängnis keinen Ausweg offenbart, sie leiden, sich fetzen und sterben lässt, gesteht er ihnen Momente stillen Schmerzes zu. Zum letzten Drittel entlarvt sich „Tropfen auf heiße Steine“ dann endgültig als Farce - Titten auf den Tisch, Hüftschwung, tanze Samba mit mir! Die junge Ludivine Sagnier führt das Auflösen aller Beziehungskonstellationen nicht herbei, sie beschleunigt es lediglich bis zur Konsequenz. Es ist die Lust, die treibt, abstößt und vernichtet und nichts über den kurzen Fick hinaus währen lässt. Das Fleisch ist schwach und folgt seinen eigenen Regeln. 

6/10 

Sonntag, 3. Mai 2015

Zuletzt gesehen: April 2015

"Birth" [US '04 | Jonathan Glazer] - 8/10

"The Road" [US '09 | John Hillcoat] - 5/10

"Only Lovers Left Alive" [CY, DE, UK, US '13 | Jim Jarmusch] - 6/10

"Company Men" [US '10 | John Wells] - 6/10

"Laurel Canyon" [US '02 | Lisa Cholodenko] - 6/10

"Mona Lisa" [UK '86 | Neil Jordan] - 5/10

"Wish I Was Here" [US '14 | Zach Braff] - 4/10

"Who Am I - Kein System ist sicher" [DE '14 | Baran bo Odar] - 4/10

"Fast Five" [US '11 | Justin Lin] - 4/10

"Amadeus" [US '84 | Milos Forman] - 6.5/10

"5 Centimeters per Second" [JP '07 | Makoto Shinkai] - 5/10

"Dazed and Confused" [US '93 | Richard Linklater] - 6/10

"Zoolander" [US '01 | Ben Stiller] - 6/10

"50/50" [US '11 | Jonathan Levine] - 4.5/10

"John Wick" [CA, CN, US '14 | Chad Stahelski & David Leitch] - 4.5/10

"Losing Chase" [US '96 | Kevin Bacon] - 5/10

"Inherent Vice" [US '14 | Paul Thomas Anderson] - 7/10

"Happy Together" [HK '97 | Wong Kar Wai] - 6/10

Freitag, 1. Mai 2015

Neukonstruktion, Reboot, Wiedergeburt - Der Rebuild der Evangelion-Reihe

 "Evangelion: 1.11 - You Are (Not) Alone." (2007)

Mehr schickes Texturen-Upgrade, denn vollwertige Neuinterpretation der Ereignisse aus der Originalserie. Zumeist verwendet „Evangelion 1.11“ gar die selben Einstellungen in der selben Länge und Reihenfolge. Die Figuren sind aber nach wie vor erstaunlich einprägsam und von beeindruckender Ausdrucksstärke. Die wunderbar albernen WG-Anekdoten (samt badendem Pinguin), die in der Serie den sicheren Hafen entspannter Feierabend-Unterhaltung markierten, sind in kompensierter Form auch hier vorhanden. Die inneren Monologe Shinji's, die die depressive Phase seines Schöpfers widerspiegeln, durchbrechen auch hier immer wieder gewohnte Strukturen und lassen die nach wie vor nie so richtig schmerzhaften Kämpfe wie Füllmaterial erscheinen, die vom wahren Anliegen der Macher, den Fokus auf die hochsensible, traurige Hauptfigur zu zentrieren, lediglich ablenken sollen. Die Art und Weise wie sich die Rebuild-Filme, wie schon die Serie, gegenüber ihren Figuren positionieren und deren Gedankenwelt thematisieren, sowie die Gewichtung von Mecha-Genre-typischen Stilelementen und traumwandlerischer Seelenbebilderung sind jedoch immer noch höchst ungewöhnlich, spannend und berührend anzusehen.

"Evangelion 2.22: - You Can (Not) Advance." (2009)

Dieser zweite Film entwirft abstrakte Bilder einer sich langsam vollziehenden Apokalypse, deren Beteiligte - sobald die Fesseln der Menschlichkeit erst einmal abgelegt sind - sogar die weltliche Endlichkeit aus ihren Angeln heben, um in neue, ungeahnte Spähren vorzustoßen. Der Kampf ist auch immer verbunden mit der Selbstaufgabe, Entmenschlichung, Zersetzung, Aufopferung und der Wille erhebt sie alsbald in einen gottgleichen Kosmos, wo Tod nicht mehr Tod bedeutet und Freundschaft weltliche Barrieren durchbricht. Der Krieg ist martialisch und grausam und führt sogar so weit, animalische Kräfte zu entfesseln, deren Ursprung niemand zu begreifen und erst recht nicht zu kontrollieren imstande ist. Getaucht in hoffnungslos pathetische Bilder der Zerstörung und durchbrochen von einem schrillen Schrei der Hoffnung. Diese Dinge – wohlgemerkt – koexistieren neben japanischem Blödel-Humor, andauernden Anzüglichkeiten, nervenstrapazierenden Nebenfiguren, sowie inflationär verbautem 3-D-Animations-Schnickschnack. 

"Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo." (2012)
 
Nachdem schon der zweite Film immer mehr von der Vorlage abwich, dichtet Teil Drei nun ganze Handlungsverläufe zugunsten der vielfältig vorhandenen Schauwerte hinzu, die es aber auch gleichzeitig erlauben, das Universum aus einer neuen Perspektive zu erleben. Der kluge Kniff, den Protagonisten nach dem furiosen Finale aus dem Vorgänger zunächst in die Beobachter-Rolle zu zwingen (und damit zur Handlungsunfähigkeit), eröffnet zudem die Möglichkeit, abseits von NERV involvierte Parteien, neue Figuren und Schauplätze im Zuge einer flotten Exposition kennenzulernen. Zugleich feiert „Evangelion 3.33“ in diesen Momenten seine wertig bis geleckt animierten Mecha-Spielereien zu sehr ab, statt diese Zeit in die facettenreichen Figuren zu investieren.

Die Entscheidung derart konsequent eine neue Geschichte in der Geschichte zu erzählen, macht diesen dritten Teil auch für Serien-Kenner spannend. Vor allem weil die Welt aus den Vorgängern plötzlich einer entrückten, rot gefärbten Ödnis gewichen ist, in der die verbliebenen Figuren nur noch in Schweigen gehüllte Marionetten sind, die angesichts eines übergeordneten Kosmos lediglich ihre angestammte Rolle spielen. Anno schert sich nicht weiter darum, dem Zuschauer in irgendeiner Form entgegenzukommen; alles bleibt vage und skizzenhaft, nichts wird ausformuliert oder erklärt. Stattdessen erreicht die Rebuild-Reihe ein neues Level der Abstraktion und erteilt humorigen Zwischentönen, sensibler Selbstkonfrontation oder Ansatzpunkten dazu, das Gesehene zu entschlüsseln, eine eindeutige Absage. Anno beraubt die Figuren ihrer Seele und ignoriert vieles, was die Fans in ihr Herz geschlossen haben – aber er geht auch neue, spannende Wege und vor Szenen von Untergang und Wiedergeburt zeichnet Anno wahrhaftige Momente tiefer gegenseitiger Verbundenheit.

Samstag, 18. April 2015

"Lemming" [FR '05 | Dominik Moll]

„Lemming“ knetet die Gehirnwindungen durch. Wendungsreich schlägt er Haken, verfestigt sich, wird klarer, sichtbarer, um dann wieder Nebel-umschwungen abzutauchen. Von hier nach dort, und überhaupt. Alain (Laurent Lucas) jedenfalls lässt sich die Gehirnwindungen durchkneten. Bis nicht mehr sicher scheint, ob zu glauben, was scheint, ein kluger Ratgeber ist. „Lemming“ ist ein Kopffilm, was heißt, dass der Kopf eingeschaltet sein muss, sollte, zumindest um ein Maximum des Spaßes für sich herauszudestillieren. Der besteht darin, sich kneten zu lassen, mitzudenken, notfalls um die Ecke, um schließlich zu der Einsicht zu gelangen, dass das alles viel einfacher war, als zunächst gedacht. Aber das ist egal - der Weg ist das Ziel. Softer Mindfuck ohne Kuscheln, aber mit launigem Vorspiel. Im Vorzeigepärchen – jung, erfolgreich, die Mitte gefunden – spiegelt sich schließlich die gescheiterte Ehe des Firmenchefs und seiner Gattin wider. Bei ihm pumpt das Blut immer noch in allen Körperregionen, sie ist erstarrt, verbittert, säuerlich, spielt lustvoll das Sandkorn, das das feine Radwerk aus seiner beständigen Ordnung wirft. Was bleibt vom Aufrechten, Perfekten, wenn alles was Halt und Sicherheit versprach plötzlich genommen wird? Dementsprechend wirft „Lemming“, so abgedroschen es auch klingt, tatsächlich einen Blick in die Abgründe des Menschseins, oder dem, was man unter dem gezeigten Lebensentwurf versteht. Frostig, die Stimmung, die Menschen, die Worte, die prosaisch aneinander gerichtet werden. Entfesselt die Kraft, die in einem schlummert, die wieder alles in geordnete Bahnen zurückzuwerfen versucht. Mit aller Entschiedenheit, entschlossen, verzweifelt. Das Wiederaufgreifen von Momenten in einem anderen Kontext, die erzeugten Déjà-vu's, die Identitäten, die verschwimmen, bis nicht mehr klar ist, wer was weiß und ob er lügt und warum überhaupt – sie sind wirkungsvoll, und verwirrend. Irgendjemand ist in diesem verzwickten Figurenkabinett verrückt geworden. „Lemming“ macht recht klar wer es ist, auch wenn er einem Glauben machen möchte, dass er es ist - du da, der da blickt.

6/10

Samstag, 11. April 2015

"Paprika" [JP '06 | Satoshi Kon]

Seltsam: die formale Tadellosigkeit von „Paprika“ - die präzisen, Detail-versessenen Animationen und damit das Zeugnis absoluter, zeichnerischer Meisterschaft - werden im Angesicht des behandelten Sujets fast schon zur Irritation. Denn Träume sind nie so klar, nie solch perfekt ausgeleuchtete Fahrstuhl- und Korridor-Architekturen, die sich zwar verbiegen und deren Schatten wandeln, die aber immer in erkennbaren Formen verbleiben. Träume verschwimmen, bleiben Skizzen, fließen ineinander über und sind nie da, sondern nur zu vermuten. Träume sind vage Trugbilder und Ausdruck des Unterbewusstseins, ungeordnete, unverarbeitete Kinofilme ohne Zensur und Laufzeitbeschränkung. Im Traum wird plötzlich alles Wirklichkeit, es gibt keinen Anfang und kein Ende und damit auch keine Credits, die entlarven könnten, wer hinter allem steckt. Kon's frühere Arbeit „Perfect Blue“ kommt der visuellen Stimme von (Alp-)Träumen sogar näher; dem Gefühl vollkommener Orientierungslosigkeit und der Ungewissheit über nachhaltige Konsequenzen. Hier scheint der Traum der Film zu sein. Der künstlich geschaffene Traum, in dem zumindest die Konsequenz eigener Handlung obsolet wird. Aber auch hier begeben wir uns in die Dunkelheit und die künstliche Isolation erschafft die Illusion eines Klartraums – mit dir in der ersten Reihe, der Voyeur ohne Einflussmöglichkeit. „Paprika“ ist ein Film über Filme. Und Filme sind Träume. Und Träume haben keine Grenzen, und keine Genre-Vorgaben, keinen Geldgeber und keine Zielgruppen. Wenn Kon einen Film über Träume macht, macht er also auch einen Film über den Wert und die Heiligkeit des Kinos, und darüber, dass Kino keine Angst und keine Grenzen kennen darf. Die Träume gehören dir und müssen über alles verteidigt werden. 

7/10 

Mittwoch, 8. April 2015

Conan-Retro #3: Vom Untergang des Überflugs im Labyrinth endloser Franchise-Würfe

Die Kreuzung des Labyrinths“ [JP '03 | Kenji Kodama]

Schwelgende, rosarote Bilder Kirschblüten-verregneter Holztempel, lokale Folklore und eine Mordserie, wie zu Zeiten der alten Samurai. Strahlend grüne oder erdig-warme Hintergründe von malerischer Schönheit, fast jedes Frame ein Gemälde. Die Geräuschkulisse umfasst das Zwitschern exotischer Vogelarten und das Rauschen der Blätterdächer. Selbst hässliche, erstmals 3-D-animierte Verfolgungsjagden sind hier unterlegt mit launch-jazzigem Gedudel, das die nicht einmal mehr illusionäre Bedrohung für die etablierten Figuren Lügen straft. Das alberne Gekämpfe im Showdown ist dabei nicht einmal der Rede wert. Dezente Highlights hält „Die Kreuzung des Labyrinths“ vor allem am Rande bereit: ein (mal wieder) unwiderstehlich besoffener Kogorō und dessen eigenwillige Mordtheorien, etliche Motive japanischer (Kampfkunst-)Tradition oder eine der raren Begegnungen zwischen Shin’ichi und Ran (schön kitschig: im Mondlicht). Wirklich um die Wurst geht’s hier eigentlich nie. Ein Conan, wie ein Wochenendausflug eben. Schön und auch viel zu schnell wieder vorbei.

5/10

Der Magier mit den Silberschwingen“ [JP '04 | Yasuichiro Yamamoto]
 
Grandios wie abwechslungsreich sich die Conan-Reihe bislang gestaltet. Dennoch: Interessante Gedankenexperimente, wie der Begegnung Conan's mit seiner eigentlichen Form, verfolgt der achte Film leider erst gar nicht weiter. Stattdessen formiert der Film eine Gruppe von Figuren in einem Flugzeug, deren Anwesenheit zu gut der Hälfte nicht plausibel zu erklären ist. Ein Umstand, der an sich noch kein großes Problem darstellt und weder für die Serie, noch die Kino-Reihe ungewöhnlich ist. „Der Magier mit den Silberschwingen“ verliert an anderer Stelle: Der Tod einer Person und die damit einhergehenden Implikationen auf die Betroffenen (ergo, alle anwesenden Figuren) verliert hier immer wieder an Wert und Bedeutung. Der Tod einer Person wird viel zu schnell als neuer Status quo akzeptiert, Trauer, Schock oder andere Regungen wären dem unmittelbaren Beginn der Ermittlungen ja nur leidlich zuträglich. Statt wirklich einmal das Duell zwischen Conan und Keito Kid, und nur das Duell, zu zentrieren, schiebt man abermals einen Mordfall vor, als ginge der Reihe durch das Fehlen einer Leiche etwas verloren. Die anschließende Krisensituation über den Wolken scheint dann auch nie ein wirkliches Problem und die Figuren verbleiben regungslos. Das ist schade, da gerade Ran endlich einmal einen emanzipierten, erwachsenen Auftritt hinlegen darf. Ansonsten gilt leider: Schematisch war Conan immer, aber nie so herzlos wie hier.

4/10

Das Komplott über dem Ozean“ [JP '05 | Yasuichiro Yamamoto]

Lange Zeit bleibt diese Kreuzfahrt wunderbar undurchsichtig, nimmt alsbald mehrere Handlungsstränge auf, um den Fall voranzutreiben und offenbart von Anfang an den Täter. Spannung generiert die tolle Musik und die Unklarheit über die größeren Zusammenhänge über einen Pool an Figuren, die nur die Vergangenheit eint. Die vermeintliche Auflösung, sowie die darauf eintretende Katastrophe vollzieht dann nochmal eine spannende Wendung, während man Kogorō endlich seinen wohlverdienten Auftritt gönnt ohne ihn ausschließlich zur Witzfigur zu degradieren. Da hat sogar Rotznase Conan ein gutes Wort übrig. Endlich.


5.5/10

Das Requiem der Detektive“ [JP '06 | Yasuichiro Yamamoto]
 
Dem Paukenschlag, zu dem dieser zehnte Kinofilm gleich zu Beginn ansetzt, weicht alsbald ein verworrenes Krimi-Puzzle, das jede, wirklich jede Figur des Conan-Mikrokosmos um einen nigelnagelneuen Freizeitpark versammelt, dessen Grenzen es nicht zu überschreiten gilt. Wieder also geht es um alles und doch nichts. Einer Vielzahl des berufenen Personals hätte man zudem auch frei geben können, wenn ihr Auftritt schon nur darin besteht als Stichwort-Geber oder müde Lachnummer zu fungieren. Immerhin, der Showdown nimmt sich angenehm zurück, während ein Handicap-geplagter Conan versucht in den Geist eines zerrissenen Narzissten vorzudringen und zwei gestandene Herren zu einer berührenden, großen Geste ansetzen. Für Kogorō bleibt im Anschluss daran leider wieder nur die Witzfigur, er bleibt als Fehler-behafteter, impulsiver Alkoholiker aber nach wie vor die spannendste Figur im Conan-Kosmos.

5/10

Freitag, 3. April 2015

"The House of the Devil" [US '09 | Ti West]

Ein überaus seltsamer Film, der seltsame Töne anschlägt und dem gerade in den vergangenen Jahren wieder überaus gängigen Haunted-House-Konzept neue Formen der Spannung abgewinnt. West setzt die Charakteristika der ausgehenden 70er und 80er Jahre dabei über die Handlungs- auf einer Metaebene fort. Die Dekade bestimmt auch die Form der Inszenierung, die eine frische Entdeckungsreise durch ein verwinkeltes, Holz-vertäfeltes Herrenhaus ermöglicht. Die Augen, die auf diese Korridore blicken sind jung geblieben, obwohl sie im Geiste eine nostalgische Erinnerung heraufbeschwören. Langsame Zooms, statische Einstellungen, die völlig entrückten Opening Credits, die auch als Herleitung zu einer Highschool-Klamotte getaugt hätten - West geht über das Interior, über die Föhnfrisuren und die Baumwollhemden hinaus. Mit diesen überaus seltsamen, staubigen Figuren, die in all zurückgenommener Freundlichkeit das große Geld versprechen, diese ganz akzentuiert auftretenden Hammerschläge und das wohlige Kribbeln, das endlich einmal wieder über den Abspann hinaus währen darf. Seinen Verlauf offenbart "The House of the Devil" im Grunde genommen schon über den Titel, und wenn nicht da, dann lässt spätestens die quälend lange Hinführung keinen Zweifel daran bestehen, worauf West zusteuert: Von der Paranoia aus "Rosemarie's Baby" zum bedingungslosen Terror eines "Texas Chainsaw Massacre". Von der Ahnung, von der Angst, zur Erlösung. 

7/10 

Donnerstag, 2. April 2015

Zuletzt gesehen: März 2015

"Last Days" [US '05 | Gus van Sant] - 5.5/10

"Staudamm" [DE '13 | Thomas Sieben] - 7/10

"Jack Goes Boating" [US '10 | Philip Seymour Hoffman] - 6/10

"Before Sunrise" [US, AT, CH '95 | Richard Linklater] - 5.5/10

"Before Sunset" [US '04 | Richard Linklater] - 5/10

"He Was a Quiet Man" [US '07 | Frank A. Cappello] - 4/10

"Doc Hollywood" [US '91 | Michael Caton-Jones] - 5/10

"Tatort: Die Wiederkehr" [DE '15 | Florian Baxmeyer] - 4.5/10

"Clerks II" [US '06 | Kevin Smith] - 3/10

"Fallen Angels" [HK '95 | Wong Kar Wai] - 6/10

"New World" [KR '13 | Hoon-jung Park] - 5/10

"Only God Forgives" [DK, FR '13 | Nicolas Winding Refn] - 5/10

"Fear X" [BR, CA, DK, UK '03 | Nicolas Winding Refn] - 6/10

"Godzilla" [US, JP '14 | Gareth Edwards] - 6/10

"Ein Amerikaner in Paris" [US '51 | Vincente Minnelli] - 7/10

"Im Jahr des Drachen" [US '85 | Michael Cimino] - 6/10

"Heaven's Gate" [US '80 | Michael Cimino] - 6/10

Samstag, 28. März 2015

"Cinderella" [US '15 | Kenneth Branagh]

Branagh macht seinen Job so gut, dass "Cinderella" bisweilen berauschend ist: wunderbare 16mm-Aufnahmen in kontrastreichen, aber nie künstlichen Farben, sympathische Liebende und ein sich selber und sein Sujet hemmungslos feiernder Score verhelfen der Neuauflage des Disney-Märchens zu unwiderstehlicher Klar- und Direktheit. Branagh bricht die Cinderella-Geschichte nicht ironisch, verkompliziert sie auch nicht über Gebühr, er stellt sie nicht mehr oder weniger aus, sondern schenkt der Geschichte die Ernsthaftigkeit und Hingabe zum Gefühlskitsch, die sie verdient und benötigt. Und er verrät damit auch seine idealistische Hauptfigur nicht, die einmal mehr zur inneren Kraft in einem jedem von uns gemahnt. Seinen Höhepunkt findet der Film dann - wie sollte es auch anders sein - in einer Tanzszene. Branagh spart die Worte aus, inszeniert auf den Punkt, ohne Scham vor großen, theatralischen Gefühlen. Und er erzählt damit von einer Zeit, die außerhalb postmodernen Ironie-Zwanges im Moment verharrt, sich weigernd weiter voranzuschreiten. Es hätte so viel schief gehen können an dieser Verfilmung eines scheinbar aus der Zeit gefallenen Moral-Stücks. Aber den Schablonen wurde Leben eingehaucht, weil einer der talentiertesten Hollywood-Regisseure der Gegenwart sich ihnen auf Augenhöhe angenommen hat. Sensationell.

6/10

Samstag, 21. März 2015

"Jack Reacher" [US '12 | Christopher McQuarrie]

Jack Reacher also. Man muss ihn zu schätzen lernen. Zunächst scheinbar nicht einlösend, was ein Blick in die ehrfurchtsvoll rezitierte Akte oder ein graziler Frauenkörper und das Klicken eines BH's vor Skyline-Panorama verspricht: eine Bombe im Bett und der beste seiner Klasse. Purple Heart, Dreißig Zentimeter, Academy Award, Bundesverdienstorden. Dann kommt Tom Cruise, der - hat man erst einmal kapiert, dass Reacher nicht Reacher, sondern Cruise ist - ganz plötzlich seine Vorzüge offenbart. Mit Ruhe und Gravitas spielt Cruise nach bombastisch erfolgreichen Karrieredekaden auch gegen den Schatten dieser 1,95 Meter-Bestie an. Und dieser Reacher gefällt: ein kluger Pragmatiker, freundlich, kaum arrogant, im richtigen Moment unbarmherzig zupackend. „Jack Reacher“ ist ohne überflüssige Kalorien komponiert, straff und vor allem konzentriert erzählt, mit der Ruhe eines Jack Reacher's operierend. Jede Einstellung hat ihren Platz, jede Geste ihre Bedeutung. Auch Action darf wieder gesehen werden, selbst wenn die Verfolgungsjagd nicht hundertprozentig das einzulösen vermag, was sie verspricht und Werner Herzog komisches Zeug brabbelt. Trotzdem sollte „Jack Reacher“ gesehen werden, weil er wieder einen Helden sichtbar macht, der viel zu lange abstinent war. Kein Arschloch, nicht perfekt, kein Schürzenjäger. Ich mag Jack Reacher. Nein, ich mag Tom Cruise. 

6/10

Samstag, 14. März 2015

"Big Trouble in Little China" [US '86 | John Carpenter]

John Carpenter selbst beschrieb Jack Burton einmal als den Sidekick, der sich selber als Helden missversteht. Und tatsächlich ist in diesem Neonlicht-durchfluteten Großstadtmärchen Burton ganz sicher nicht der Held. Burton ist einfach kein Heldentyp. Er ist Trucker mit Vorliebe für Highway-Poetik in Funkdurchsagen und allerhöchstens ironischer Kommentator, Publikumsprojektion und schmeichelndes Identifikationsangebot, das uns mitnimmt, an der Hand, in eine Welt, die uns ebenso fremd ist wie ihm – und der ebenso staunt bei all den blinkenden Lichtern und zuckenden Zauberblitzen. Eine Welt, die Carpenter vom ausgehenden Mythos um das Chinesenviertel zum Bizarrsten verbiegt. Burton bleibt nur Besucher und Tourist zugleich, der mehr oder minder unfreiwillig die Reinkarnation eines Jahrtausende alten Geistes durchkreuzt. Der wiederum ist auf der Suche nach grünen Augen. Burton jedenfalls verfügt weder über besondere Fähigkeiten, noch trägt er – bis zum Ende – Entscheidendes zum Happy Ending bei. Selbst die Sprüche verkneift sich der von Kurt Russell so wunderbar uneitel und phasenweise an der Grenze zur Lustlosigkeit gespielte Burton immer wieder. Dieser Anti-Held hat nicht viel zu sagen und er betritt nie die große Bühne. Das Mädchen muss warten, der Highway ruft. Bis zum Ende bleibt Burton an seinem Truck und an den Schulden seines Freundes interessiert. Er ist Geschäftsmann ohne Sinn für Romantik. „Big Trouble in Little China“ bietet damit das, was so viele 80er Jahre Filme, die man nachträglich auf ihren Kultstatus hin überprüft, nicht einlösen können: „Big Trouble in Little China“ hat etwas anderes zu erzählen und er überrascht mit den Figuren, die er beherbergt - mit den ironisch gebrochenen Heldenmythen und anständigen Randfiguren, die allesamt ihren Teil zum Gesamtsieg beitragen. Carpenter verballhornt ein Genre ohne eine Kultur der Lächerlichkeit preiszugeben, oder die Figuren, die ihr angehören. Er macht sich nicht lustig über Chinatown, zumindest nicht mehr als er es über seinen vermeintlichen Helden macht. Ein Held, der seine Daseinsberechtigung nicht aus dem Heldsein gründet, sondern daraus ein Mann mit einem Truck zu sein - und ein paar Kröten in der Tasche.

You ready, Jack? - I was born ready. 

6/10 

Sonntag, 8. März 2015

"Blau ist eine warme Farbe" [FR '13 | Abdellatif Kechiche]

Vereinzelte Protestzüge zeugen von innenpolitischer Unruhe und einer Generation der Engagierten. Direkt gekoppelt an Adèle und ihre Suche nach einer sexuellen Identität, inmitten einer Phase der schulischen Weichenstellung. Das Empfangsgerät in der Küche legitimiert die harmonische Sprachlosigkeit - Adèle ist alleine mit den Problemen der Erwachsenwerdung und dem Druck, dem, was verlangt wird, irgendwie gerecht zu werden. In vielerlei Hinsicht ist "Blau ist eine warme Farbe" lebensnah und authentisch: ähnlich betreten fühlen sich erste Treffen mit den Eltern tatsächlich an; oder Gespräche mit dem besten Freund; oder gewöhnlicher Klassenunterricht. Kechiche stellt sich diesen Szenen wiederholt ohne abzublenden. Doch ausgerechnet die Liebesbeziehung, die Kechiche in seinem dreistündigen Charakterporträt so selbstbewusst in den Mittelpunkt stellt, erweist sich als bloße Behauptung. Der Sex zwischen Adèle und Emma ist ausschließlich Ausdruck einer körperlichen, und rein körperlichen Anziehungskraft zueinander, was beide gegen Ende des Filmes in einer letzten Aussprache ebenfalls erkennen. Am Ende ging's ums Bumsen, nicht um Intellektualismus, Geborgenheit oder Liebe. Adèle verwechselt Liebeskummer und Einsamkeit mit chronischen Depressionen, was Kechiche in der larmoyanten zweiten Hälfte über den halb offenen Mund und die Rotznase seiner Protagonistin auch entsprechend bebildert. Auf die Doppelmoral von Emma, die die Trennung einer Beziehung aus den selben Gründen vollzieht, die sie damals zusammengebracht hat, wird nicht weiter eingegangen. Oder warum Adèle nur weil sie sich einen Abend ausnahmsweise mal selber bespaßen musste, direkt in der Gegend herumvögelt. Kechiche fügt sich über künstliche Problemerzeugung, der jede Authentizität abgeht, einem dramaturgischen Prinzip, dem er sich mit der ersten Hälfte doch eigentlich noch versagt hat. Schließlich steht nur die Erkenntnis, dass sie in dieser Welt nichts verloren hat. Für Lustmolche gibt es derweil sehr junge attraktive Frauen in sehr expliziten Sex-Szenen, deren Unmut über die entsprechende Gewichtung eben dieser und die darüber geführte Kontroverse zwischen Regisseur und Hauptdarstellerinnen einen gehörig faden Beigeschmack hinterlässt.

5.5/10 

Sonntag, 1. März 2015

Zuletzt gesehen: Februar 2015

"Nightcrawler" [US '14 | Dan Gilroy] - 5/10

"Hearts of Darkness" [US '91 | George Hickenlooper & Fax Bahr] - 6/10

"Chungking Express" [HK '94 | Kar Wai Wong] - 7/10

"Maps to the Stars" [CA, US '14 | David Cronenberg] - 6/10

"Jodorowsky's Dune" [FR, US '13 | Frank Pavich] - 5.5/10

"South Park" [US '14 | Season 18] - 7/10

"Parasyte" [JP '14 | Kenichi Shimizu] - 3/10*

"Whiplash" [US '14 | Damien Chazelle] - 5/10

"Punch-Drunk Love" [US '02 | Paul Thomas Anderson] - 7/10

"Stereo" [DE '13 | Maximilian Erlenwein] - 5/10

*bis Episode 14

Samstag, 14. Februar 2015

"Moneyball" [US '11 | Benett Miller]

Seit einigen Jahren sind Filme wie „Moneyball“ in Hollywood keine Seltenheit mehr. Als quasi-dokumentarisch getarntes Autorenkino im wahre-Geschichte-Anstrich rücken Gründungsmythen wie „The Social Network“ oder kammerspielartige Krisen-Rekonstruktion wie „Margin Call“ endlich auch über Festival- und Fernsehgrenzen ("The Newsroom") hinaus in den Mittelpunkt. All diese Filme gleichen sich im Gefühl verfilmter Drehbuchseiten, und sind doch grundlegend anders; sie alle wahren sich eine formale Identität und doch zeichnet sie die Haltung aus, komplexe Zusammenhänge über lebendige Dialoge (Aaron Sorkin) und echte Menschen zu erforschen. Visuelle Spärenzchen stünden dem lediglich im Wege.

„Moneyball“ reiht sich zumindest insofern in die neue Riege amerikanischen Autorenkinos ein, als dass er einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Er ist inszenatorisch kalt, übersichtlich und zweckdienlich photographiert und kommt dem am nächsten, was man als Bühnenillusion bezeichnen könnte. Eine künstlich geschaffene Theaterbühne, die sich formal zwar an filmästhetischen Mitteln bedient, diese aber nicht als Antriebsfeder dafür versteht, den Zuschauer emotional zu involvieren.

Natürlich geht es in „Moneyball“ auch um Veränderung und Wandel, darum gegen alle Widerstände am dem festzuhalten, an das man glaubt, natürlich geht es um starre Strukturen, die es aufzubrechen gilt und den reaktionären Abwehrmechanismus alt eingesessener System-Veteranen und die lästigen Windmühlen, die alles erschweren - um all das geht es in „Moneyball“. Vor allem aber ist „Moneyball“ ein Film über seine Hauptfigur, Billy Beane. Jene Figur also, die die Moneyball Years im modernen Baseball-Sport losgetreten hat und hier von Hollywood-Juwel Brad Pitt verkörpert wird.

Beane bleibt fortwährend eine unnahbare, undurchdringbare Figur. Sie tritt in fast jeder Szene auf, aber sie bleibt immer ein Geheimnis. Wir nehmen die Position von Hill ein, der nach Offenlegung aller Zahlen und statistischen Analysewerte keine Geheimnisse mehr beherbergt. Er verleibt als auserzählter Beobachter, der hin und wieder an Pitt zweifelt und im Sinne des Zuschauers Verständnisfragen stellt. Und wie er vertrauen wir Pitt blind. In diesem Zusammenhang ist auch die quälend lange Niederlagenserie nicht bloß ein zweckdienliches, dramaturgisches Alibi, eine notwendige Station, um schließlich alles in einem entscheidenden Finalspiel kulminieren zu lassen, sondern zuvorderst eine Bewährungsprobe für die Figuren, die in Uneinigkeit ein einmaliges Experiment bestreiten.

Hier setzt Miller eigenwillige Höhepunkte: Die darauf folgende, sensationelle Siegesserie bildet den dramaturgischen Höhepunkt. Erst der knapp errungene, zwanzigste Sieg in Serie, der den Spielraum durch Umschnitte auf Beane in den Katakomben und den Geschehnissen im Stadion spielerisch verdichtet, kreiert eine Siegermannschaft, die zur Meisterschaft fähig ist und liefert den Beweis: das System funktioniert. Miller platziert diese Montage jedoch interessanterweise in der Mitte des Films.

Denn „Moneyball“ ist nach wie vor ein Film über Billy Beane, die Struktur des Filmes somit nur Ausdruck seiner inneren Welt. Er scheint nie ganz glücklich, immer versunken, den gesamten Film über steht er unter Strom, prescht nach vorne, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Selbst die Siegesserie, die Gewissheit etwas Historisches geschafft zu haben und nicht in Vergessenheit zu geraten, verliert jeden Wert, solange der Pokal nicht gewonnen ist. Es zählt nur der Gewinner. Der, der am Ende noch steht. Damit steht er auch für ein System voller Verlierer. Er bleibt immer getrieben, nie fertig, immer auf der Suche.

6.5/10